Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Man muss in dieser Beschlussempfehlung ganz genau und vielleicht mit ein bisschen Idealismus nachlesen. Es steht nicht explizit darin, aber ich lese das durchaus als kleine Strukturrevolution oder vielleicht als Anerkenntnis einer sich anbahnenden Realität.
Die Einzelarztpraxis in eigener Niederlassung wird in Zukunft nur ein Modell für die Versorgung vor Ort sein, vielleicht sogar ein Auslaufmodell - nicht weil wir keine Ärztinnen und Ärzte mehr haben, sondern weil diese lieber in Teams arbeiten wollen, weil die Mehrzahl von ihnen lieber im Beschäftigungsverhältnis arbeiten will, weil es gerade die Versorgungssituation im ländlichen Raum für eine Einzelarztpraxis schwierig macht. Das kann man wortreich beklagen oder aber anpacken.
Schon lange plädiere ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit dafür: Lassen Sie uns die Gesundheitsversorgung neu denken. Denn genau das ist der große Wurf in diesem Bereich. Das wissen alle, die sich ernsthaft damit beschäftigen, anders als die AfD. Lassen Sie uns auch die anderen Gesundheits- und Pflegeberufe endlich als eigenverantwortliche und selbstbestimmte Professionen ernst nehmen. Lassen Sie uns gesunde Regionen als gemeinsame Aufgabe betrachten, in Abstimmung und Kooperation zwischen Kassenärztlicher Vereinigung, den Kommunen, dem Land und der breiten Palette von Akteurinnen, von der Apotheke über den Sportverein bis hin zu den Pflegediensten, den Ergotherapeuten und und und.
Die vorliegende Beschlussempfehlung zielt genau in diese Richtung. Nicht nur kurzfristige, allein auf Versorgungsdefizite abzielende neue Modelle sollen entwickelt und gefördert werden, sondern auch dauerhafte neue Angebote zur Verbesserung der Versorgung vor Ort, und das dann quasi auch noch garniert mit dem Anliegen, die Delegation und Substitution von ärztlichen Leistungen weiter voranzubringen. Genau dieser qualitative Ansatz liegt mir am Herzen und genau damit gestalten wir Gesundheitsversorgung der Zukunft.
Schlichte Debatten um Studienplatzzahlen helfen uns an dieser Stelle wenig weiter und plädieren nur stumpf für ein Weiter-So in den bestehenden, inzwischen einfach oft dysfunktionalen Strukturen. Das mag im Beschlusstext alles recht technisch und abstrakt klingen, aber für kundige Ohren steht dahinter durchaus die Poliklinik 2.0, die Gemeindeschwester 2.0 oder Community Health Nurse aka Gemeindegesundheitspflege. Die neuen Angebote werden sicherlich am Ende nicht unbedingt so heißen, aber im Kern geht es um solche intersektoralen und multiprofessionellen Ansätze. Das ist der große Wurf. Das ist die Lösung. Seien es die neue Krankenhausvariante eines Level 1i-Hauses, wie in der Krankenhausreform des Bundes vorgesehen, oder alle Spielarten von kommunalen Gesundheitszentren, Gesundheitskiosken oder auch mobilen Angeboten.
Vielleicht erinnert sich der eine oder der andere noch an unsere grüne Forderung nach einem Ideenwettbewerb in dem Bereich; sie zielte im Grunde genau auf so ein Anliegen wie die vorliegende BE - sie wurde leider abgelehnt. Aber sei es drum. Wenn die jetzige BE etwas Schwung in diese notwendige Entwicklung bringt, dann begrüße ich das. Wir werden der BE zustimmen. - Vielen Dank.