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Plenarsitzung

Transkript

Nicole Anger (DIE LINKE): 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Apotheken in Sachsen-Anhalt sind ein ganz wesentlicher Pfeiler der Gesundheitsversorgung und damit der Daseinsvorsorge für die Menschen im Land, insbesondere sind an dieser Stelle die Vor-Ort-Apotheken zu nennen, die eine Erreichbarkeit in zumutbarer Entfernung sicherstellen, und dies zu den Öffnungszeiten, aber auch an Wochenenden und mit Notdiensten.

Es ist kein Geheimnis, dass es dafür entsprechender Strukturen bedarf, die genau diese Erreichbarkeit ermöglichen. Dies ist in den ländlichen Teilen Sachsen-Anhalts eine größere Herausforderung als in der Stadt. Umso bedenklicher muss es uns stimmen, dass diese Strukturen ebenso wie viele andere innerhalb der Gesundheitsversorgung aktuell immer mehr überlastet sind und wegzubrechen drohen. An dieser Stelle muss gegengesteuert werden und das umgehend.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Allein die zunehmenden Herausforderungen, die durch eine immer älter werdende Bevölkerung, steigende bürokratische Anforderungen und zusätzliche Aufgaben und Leistungen auf die Apotheken zukommen, sind immens. Ferner sind die durch die Lieferengpässe hervorgerufenen Mehrbelastungen akut. Deswegen müssen die bestehenden Strukturen nicht nur erhalten, sondern spürbar gestärkt werden.

Gerade gestern berichtete der MDR, dass die Zahl der Apotheken rückläufig ist, dass wir aktuell die niedrigste Anzahl an Apotheken seit 40 Jahren haben und dies bei wachsender Aufgabendichte und steigenden Anforderungen.

Die Apothekendichte liegt in Deutschland bei 22 Apotheken je 100 000 Einwohner*innen. Im Landkreis Börde liegt der Schnitt sogar darunter und damit merklich unter dem EU-Durchschnitt von 32 Apotheken je 100 000 Einwohner*innen. Gerade im ländlichen Raum werden die Apotheken weniger und die Anfahrtswege länger.

In den letzten zehn Jahren ist im Land ein Rückgang um 50 Apotheken zu verzeichnen. Dies sind gut 8 %, aber ein Aufwärtstrend ist nicht in Sicht. Etwa ein Viertel bis ein Drittel, je nach Jahrgang, der zum Studiengang Pharmazie zugelassenen Studierenden erreichen den Abschluss nicht, und von denen, die den Abschluss schaffen, wandert ein großer Teil ab.

Auf 66 Stellenausschreibungen kommen sechs Stellengesuche ergo 60 Stellen bleiben im Land Sachsen-Anhalt unbesetzt. Das hat auch damit zu tun, dass es im ländlichen Raum zunehmend an Attraktivität fehlt. Sich in einer strukturschwachen Region anzusiedeln, überlegen sich viele und entscheiden sich dagegen.

Meine Damen und Herren! Die den Apotheken zugewiesenen gesetzlichen Versorgungsaufgaben, wie Nacht- und Notdienste müssen folglich auf immer weniger Schultern verteilt werden. Diese Aufgabenverteilung wird zunehmend weniger leistbar sein; denn auch die Apotheken sind von einem akuten Fachkräftemangel betroffen.

Eine sicht- und spürbare Auswirkung ist die Verringerung der Öffnungszeiten. So beantragen zunehmend mehr Apotheken, die Schließung an Sonnabenden. In den vergangenen Jahren ist an dieser Stelle ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. So lagen im Jahr 2022 insgesamt 122 Befreiungen vor. Das heißt, mehr als jede fünfte Apotheke in Sachsen-Anhalt hat diese Möglichkeit der Entlastung genutzt. Aber auch an anderen Werktagen ist eine Verringerung der Öffnungszeiten zu verzeichnen.

Die zunehmend schlechter werdende Situation der Apotheken und ihre generell unsichere Zukunft wirken nicht unbedingt attraktiv, sodass sich junge Menschen immer weniger für diesen Berufsweg und noch weniger für eine Selbstständigkeit entscheiden.

Ich könnte die Liste der Probleme, mit denen die Apotheken derzeit zu kämpfen haben, fortsetzen. Dazu haben wir vieles bereits im Sozialausschuss unter anderem von der Landesapothekerkammer gehört. Jetzt stellt sich uns die Frage, wie wir für diese prekäre Situation Abhilfe schaffen können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es gibt durchaus konkrete Möglichkeiten. Die Zeit der infektionsschutzrechtlichen Ausnahmeregelung der letzten Zeit hat gezeigt, dass die Apotheken sehr wohl auch unter weniger bürokratischen Bedingungen sehr zuverlässig gearbeitet haben. Das hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die Gesundheitsversorgung der Menschen während der Pandemie in unserem und auch in anderen Bundesländern gesichert war. Mit der Verstetigung dieser Erleichterungen wäre den Apotheken sehr geholfen. Daher ist die Landesregierung gehalten, genau das beim Bund zu bestärken und einzufordern.

(Unruhe)

Hinzu kommt, dass die Liefer- und Versorgungsengpässe immer mehr Arbeitskraft in den Apotheken binden. Selbst konservative Schätzungen gehen von mindestens sechs Stunden in der Woche aus; sechs Mehrstunden wohl gemerkt.

Lieferengpässe und damit Versorgungsdefizite haben drastisch zugenommen. Ein Ende dessen ist noch nicht in Sicht und für manch lebenswichtige Medikamente werden mitunter Lieferzeiten von sechs Monaten aufgerufen, also sitzen die Apotheker*innen öfter als zuvor vor dem Lieferportal und warten    


Vizepräsident Wulf Gallert:

Warten Sie einmal kurz, Frau Anger. - Wir haben uns entschlossen, diesen Tagesordnungspunkt heute noch zu behandeln. Ich bitte diejenigen, die definitiv einen anderen Gesprächsbedarf haben - das ist offensichtlich die knappe Mehrheit in diesem Raum  , diesen entweder einzustellen oder hinauszugehen. Es ist kaum noch zu verstehen, was hier vorn gesagt wird. Für die letzte halbe Stunde gilt: Entweder raus oder bitte Ruhe. - Danke.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Also sitzen die Apotheker*innen öfter als zuvor vor dem Lieferportal und warten auf den Moment, in dem das jeweilige Medikament lieferbar ist. Das kostet immens viel Zeit, die aber wichtig ist, um die Patient*innen zu versorgen. Dies kommt zu dem übrigen Aufgabenpensum on top hinzu.

Ja, das Management der Patient*innenversorgung bei Lieferengpässen ist eine pharmazeutische Aufgabe; diese muss jedoch auch entsprechend honoriert werden. Die momentan vorgesehenen 50 Cent, die bei Nichtverfügbarkeit eines ärztlich verschriebenen Arzneimittels an die Apotheken gezahlt werden sollen, entsprechen nicht dem realen Mehraufwand.

Der Aufwand besteht aus der zeitintensiven Recherche auf dem Lieferportal, dem Belegen der Nichtverfügbarkeit bei Großhändlern sowie dem Einholen von Angeboten und ggf. auch aus der Rücksprache mit den behandelnden Ärzt*innen. Laut der Apotheken wäre dafür eine Kompensation von 21 € realistisch. Hinzu kommt aber zudem ein Anstieg der Botendienste; denn, wenn das Medikament nicht vor Ort ist, dann wird es häufig von der Apotheke nach Hause geliefert.

Apropos Finanzierung: Das Retaxationsrisiko ist für die Apotheken eine weitere erhebliche Belastung. Formfehler auf den Rezepten können schnell dazu führen, dass bereits ausgereichte Medikamente seitens der Krankenkassen nicht mehr vergütet werden und die Apotheken auf den Kosten sitzen bleiben. Gleiches gilt, wenn eine Ärztin oder ein Arzt vergisst, die Dosierung eines Medikamentes zu vermerken. In dem Fall hilft es nichts, wenn die Patientin oder der Patient diese kennt. Auch dabei handelt es sich um einen Formfehler, der für die Apotheken unter Umständen teuer werden kann.

Meine Damen und Herren! Wie bereits erwähnt sind auch die unzureichende Nachwuchsgewinnung und der Fachkräftemangel Risikofaktoren für den Fortbestand der Apotheken. Das Land ist an dieser Stelle deutlich in der Pflicht, Voraussetzungen für Landeskinder zu schaffen und das Pharmaziestudium leichter zugänglich zu machen. Aber auch der Betreuungsschlüssel im Praxisteil muss erhöht werden. Das trägt dafür Sorge, dass die Studierenden tatsächlich in die Lage versetzt werden, den Anforderungen der Leistungsbewertung in den Examina gerecht werden zu können.

Ausbildung und/oder Studium müssen so gestaltet sein, dass das Interesse am späteren Beruf erhalten bleibt, die Auszubildenden und die Studierenden tatsächlich in diesem Beruf arbeiten wollen. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Pharmazie.

Nicht zuletzt sind Entbürokratisierung und eine den realen Bedingungen angepasste Honorierung der Apotheken Anreize für Berufseinsteiger*innen, diesen Beruf zu erlernen und dann in ihm zu arbeiten, bestenfalls in Sachsen-Anhalt. Ein möglicher Weg, den Liefer- und Versorgungsengpässen entgegenzuwirken, wäre eine Rückverlagerung zumindest eines Teils der Wirkstoffproduktion nach Europa. Das ist gewiss nicht ad hoc realisierbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber die Probleme sind lange gewachsen. Dennoch ist es unumgänglich, sofort Gegenmaßnahmen einzuleiten und einen Anfang zu machen. Damit wären zumindest die ersten Schritte getan.

Meine Damen und Herren! Fakt ist: Die Arbeitsbelastung und die Aufgabendichte der Apotheken im Land sind hoch und steigen stetig. Dadurch erhöht sich der Druck auf die Mitarbeitenden, die Öffnungszeiten reduzieren sich und die Versorgung der Menschen im Land wird sich weiter verschlechtern und auf nicht allzu lange Sicht gefährdet sein, nicht nur wegen des fehlenden Nachwuchses, sondern auch wegen der defizitären Honorierung. Zu den Risiken und Nebenwirkungen dessen fragen Sie doch einfach mal in den Apotheken nach.

Wenn wir nicht auf die servicefreien Versandapotheken und die damit verbundenen hohen Risikofaktoren für die Gesundheit der Menschen im Land setzen wollen, dann stärken wir jetzt unsere Apotheken vor Ort bei der Medikamentenbeschaffung und bei der Personal- und Nachwuchsgewinnung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Lieschke hat in der letzten Sekunde des Redebeitrags eine Intervention angezeigt. - Herr Lieschke, Sie haben eine Redezeit von einer Minute.


Matthias Lieschke (AfD): 

Danke für den Redebeitrag. Mir fällt es unheimlich schwer, Ihrer eigenartigen Sprache zu folgen. Das geht mir richtig auf den…

(Lachen und Beifall bei der AfD - Oh! bei der LINKEN)