Wulf Gallert (Die Linke):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte - ich glaube, da sind wir uns einig - erfüllt bisher alle Erwartungen, die wir an sie hatten.
(Lachen bei der Linken, bei der CDU und auf der Regierungsbank)
Ich will noch einmal ganz klar sagen, das ist zwar ein AfD-Antrag, aber ich werde mich nicht mit der AfD auseinandersetzen, weil das, was die AfD hier gemacht hat, ist, einen Antrag der CDU abzuschreiben; von ihrem Kanzlerkandidaten Herrn Merz eigenständig vertreten, von dem er sagt, dass das die originären Positionen der CDU sind. Das heißt, es ist überhaupt kein Blinken in Richtung AfD, sondern es sind originäre Positionen der CDU, die die AfD hier einbringt, und es ist Friedrich Merz, der das sagt. Das ist nicht die AfD, und Herr Heuer hat diese Interpretation im Grunde genommen noch einmal bestätigt.
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja, genau!)
Dieser Fünfpunkteplan ist die originäre Position der CDU, auch in Sachsen-Anhalt.
(Beifall bei der Linken)
Deshalb werde ich mich mit der CDU auseinandersetzen und nicht mit der AfD. Das Problem, das wir hier allerdings haben, ist, dass jeder, der sich diese Situation, diesen Fünfpunkteplan anschaut, erstens weiß, dass nichts davon Magdeburg, München oder Aschaffenburg verhindert hätte.
(Beifall bei der Linken)
Zweitens. All das, was darin steht, zumindest die Kernpunkte, bricht das Grundgesetz und europäisches Recht. Das haben Sie inzwischen schwarz auf weiß von den verschiedenen juristischen Organisationen.
(Beifall bei der Linken - Zurufe von der AfD)
Drittens. Es ist nicht nur unmenschlich, sondern auch völlig undurchsetzbar. Das sind die originären Positionen der CDU, und das ist die Dramatik dieser Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der Linken - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)
Von der AfD erwarte ich nichts anderes. Die machen sich keinen Kopf darum, ob irgendetwas davon nützt oder umsetzbar ist. Die wollen nur Stimmung machen. Aber dass die CDU im Bund jetzt genau auf dieser Ebene angekommen ist, das ist die Dramatik und das ist die Tragik, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Schauen wir uns deshalb einmal an, was darin steht: Darin steht nichts anderes als die hermetische Abriegelung, die Kontrolle an allen Ecken und Enden von 4 000 km Landgrenze und allen Grenzübergängen. Das ist das, was hierin gefordert wird. Da wird sogar begründet, man müsse das machen, weil Putin zum Beispiel die Flüchtlinge an die grüne Grenze von Polen orientiert. Da geht es nicht mehr um Grenzübergänge, da geht es um 4 000 km Grenzsicherungsanlagen und Zaun,
(Oliver Kirchner, AfD: Und wie lang ist die europäische Außengrenze, Herr Gallert?)
- darauf habe ich gewartet, Herr Kirchner - und daran haben wir Erinnerungen.
(Oliver Kirchner, AfD: Wie lang ist denn diese Grenze?)
Und weil wir Erinnerungen daran haben, und weil wir das in Ungarn jetzt wieder sehen, kann man nicht ernsthaft als eine christlich-demokratische Partei, eine europäische Partei solche Positionen vertreten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)
- Lassen Sie von der AfD mich doch zufrieden! Das ist sowieso alles völlig uninteressant für Sie.
(Zurufe von der AfD)
Kommen wir zum Nächsten, Grenzübergänge kontrollieren: Wir haben das vor einigen Jahren durch, als es auf verschiedenen Autobahnen innerhalb Europas Staus gegeben hat. Damals ist die Produktion bei VW zusammengebrochen. Wir haben die Situation inzwischen auch an der polnischen Grenze. Lesen Sie sich bitte einmal die Kommentare durch, was das bedeutet, und zwar nicht von der Linken, sondern von der IHK in Frankfurt (Oder). Die Staus haben sich seit den dauerhaften Grenzkontrollen in Frankfurt (Oder), in Gesamtbrandenburg um 54 % erhöht.
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Die überlegen inzwischen, dass polnische Mitarbeiter in deutschen Firmen nach Deutschland umziehen müssen, weil sie aufgrund dieser Kontrollen nicht mehr zur Arbeit kommen.
(Zurufe von der CDU)
Das wollen Sie an allen deutschen Außengrenzen einführen. Das ist ein schwerer Schlag gegen die europäische Wirtschaft und gegen die deutsche Industrie,
(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN)
und Herr Merz weiß das.
Und dann noch schlimmer: Sofort sollen alle sogenannten vollziehbar Ausreisepflichtigen in den Knast eingesperrt werden. Es geht hierbei um Leute, die vergessen haben, ihre Duldung zu verlängern.
(Starke Unruhe)
Es geht hierbei laut Merz um 40 000 Menschen.
(Unruhe)
- Stellen Sie mir bitte gerne eine Frage dazu, Herr Kosmehl.
(Guido Kosmehl, FDP: Nein!)
Es geht um 1 000 Menschen in Sachsen-Anhalt, für die man sofort Knastplätze brauchen würde.
(Starke Unruhe)
Wir geben 37 Millionen € für 30 solcher Plätze aus. Überlegen Sie sich doch einmal: 1 Milliarde € an Investitionen dafür, das umzusetzen. Inzwischen - das ist das Interessante - hat Herr Merz mitbekommen, dass er da Quatsch erzählt hat.
(Beifall bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Inzwischen hat er bei der Auseinandersetzung gesagt, nein, das stimmt nicht. Da ist ihm irgendein Fehler passiert. Er meint ja nur die 500 Leute aus Syrien und Afghanistan, die schwere Gefährder sind. Die stehen übrigens im Punkt 5. Aber den Punkt 3 hat er sich gar nicht durchgelesen. Er wusste nicht, was er dort beantragt, und das ist die Dramatik. Nur Stimmungsmache! Ich sage noch einmal ausdrücklich: Dagegen muss man stehen. Wir befinden uns heute einen Tag nach dem fünften Jahrestag des Anschlags von Hanau.
(Oliver Kirchner, AfD: Und zwei Tage nach dem Anschlag von Merseburg, Herr Gallert!)
Die wissen gar nicht, was das ist. Das haben die vergessen. Wir haben eine Pflicht in dieser Gesellschaft, gegen diese Hetze vorzugehen und nicht hinterher zu schwimmen. - Danke.