Henriette Quade (fraktionslos):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Wenig war so vorhersehbar wie die Reaktion der extremen Rechten und ihres parlamentarischen Arms auf den sogenannten Fünfpunkteplan der CDU und ihres Kanzlerkandidaten im Bundestag und auch hier.
Und warum, meine Damen und Herren, sollte sie denn auch anders auf ein politisches Manöver reagieren, das von Anfang an auf genau ihre Zustimmung zielte?
(Zustimmung bei der Linken und bei den GRÜNEN)
Das ist der Unterschied zu zufälligen Mehrheiten. Es war eine Mehrheit, die nur mithilfe der AfD zustande kommen konnte, und die CDU hat sie gesucht. Das ist der Vorwurf.
(Zustimmung bei der Linken)
Der Antrag selbst, mit dem die CDU am 29. Januar wirklich jedes Gerede von Brandmauer, Stabilität und auch Mitte zur Makulatur machte, steht mit den Worten des Verfassungsrechtlers Prof. Winfried Kluth in weiten Teilen jenseits geltenden Rechts. Die Kernpunkte des Antrags sind nicht nur falsch, sie verstoßen auch gegen grundlegendes Unionsrecht, europäisches Primärrecht. Sie legen die Axt an das Fundament der Europäischen Union und sie stellen rechtsstaatliche Prinzipien und Grundrechte, wie die Freiheit einer Person, ganz grundlegend infrage.
(Zustimmung bei der Linken)
Prof. Kluth schreibt dazu in aller Deutlichkeit - ich zitiere :
„Die Leichtigkeit, mit der dieses Grundrecht überspielt wird, ist für einen Verfassungsrechtler ein Alarmzeichen für einen verlorenen rechtsstaatlichen Kompass.“
Ich sage: Hier ist nichts verloren gegangen; der rechtsstaatliche Kompass wurde weggeworfen, der politische neu oder - besser gesagt - anders ausgerichtet. Es ist, ehrlich gesagt, ziemlich egal, ob wir es mit einem Wahlkampfmanöver zu tun haben, das Pflöcke für Koalitionsverhandlungen einschlagen soll, mit Überzeugung und einem ernsthaften Zuarbeiten auf eine Kooperation mit Faschisten
(Zuruf von der AfD)
oder mit der gleichermaßen alten wie törichten Behauptung einer Strategie, den Rechten mit der Übernahme ihrer Forderungen das Wasser abzugraben. Der Schaden bleibt gleich und dauerhaft.
(Zustimmung bei der Linken)
Denn wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU Herr Heuer hier im Landtag sagt, wir werden keinem Plagiat zustimmen, dann muss man nüchtern feststellen, das eigentliche Plagiat liegt in der Übernahme der Kernforderung der extremen Rechten durch die CDU.
(Zustimmung bei der Linken - Unruhe bei der CDU)
Und das ist und bleibt der Skandal, der zu Recht Tausende Menschen auf die Straßen getrieben hat. Und nein, das Problem ist nicht, wo diese Menschen politisch stehen, das Problem ist, wo sich die CDU mit diesem Antrag positioniert hat: rechts an der Seite von Rassisten.
(Unruhe)
Die Partei, die mit ihrer Kampagne suggeriert, die Bundesrepublik in eine gute alte Zeit zurückführen zu wollen, pfeift nicht nur auf die Positionierung der Kirchen, sondern macht sich zentrale Elemente dessen, was die extreme Rechte unter dem Schlagwort Remigration anstrebt, zu eigen und zum zentralen Wahlkampfthema und schert sich nicht um rechtsstaatliche Grundsätze und Europarecht.
(Unruhe)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Quade, einen Augenblick bitte. Ich bekomme das Signal, dass Sie teilweise nur sehr schlecht zu verstehen sind. - Deswegen die Bitte an das Plenum, etwas ruhiger zu sein.
(Zuruf von der AfD)
Frau Quade, bitte.
Henriette Quade (fraktionslos):
Mehr Schaden kann man der Demokratie gar nicht zufügen und gefährlicher kann man das Leben für Migranten, People of Color und all jene, die von Rassismus betroffen sind, kaum machen. Die Zahlen rassistischer Gewalttaten gehen durch die Decke, und das wird sich nicht ändern, solange die Antwort auf wirklich jedes Problem Migrationspolitik ist und sich SPD und GRÜNE zwar zu Recht über die Volten der CDU empören, selbst aber das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit schleifen.
Wir müssen über Migrationspolitik und Realität reden. Wir müssen über riesige Fehlstellen im Bereich der Integration reden, über massive Defizite in den Sicherheitsbehörden, über männliche Gewalt gegen Frauen,
(Eva von Angern, Die Linke, zustimmend: Das ist das eigentliche Problem!)
über die Radikalisierung von Menschen, die hier leben. Über all das müssen wir reden. Vor allem müssen wir dagegen arbeiten. Das nur zu tun, wenn es gegen Ausländer geht, ist nicht nur rassistisch, sondern auch eine Ablenkung vom Versagen im angeblichen Bereich der Kernkompetenz Sicherheit.
(Zustimmung von Eva von Angern, Die Linke)
Vor allem aber bleiben die Probleme ungelöst und bleiben die Opfer von Gewalttaten, die immer wieder als Ausgangspunkt für solche Anträge instrumentalisiert werden, im Stich gelassen. Und das tun Sie. - Vielen Dank.