Prof. Dr. Armin Willingmann (Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte mich zunächst erfreut darüber zeigen, dass die Mikrofonanlage wieder funktioniert und ich nicht gezwungen bin, an vielen Stellen dieses Hauses auf Sie einzureden.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ein Wandelkonzert!)
Ich hoffe, das bleibt jetzt auch während der folgenden Rede so.
Herzlichen Dank für diesen Antrag, für die Möglichkeit, über das Thema Klimaschutz und Weltnaturkonferenz in Montreal zu reden. Allein, gestatten Sie den Hinweis: Sie ist noch nicht beendet. Vor diesem Hintergrund hätte man möglicherweise noch vier Wochen zuwarten können, um über die Ergebnisse, um die es dort geht, konkreter reden zu können.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU)
Denn noch haben wir sie nicht. Das weiß auch der Abg. Herr Aldag. Aber so ist es nun einmal.
Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Fünf Jahre lang wurde dieses Ressort Umwelt unter grüner Regie geführt und Sie fordern ein Jahr nach Abgabe des Ressorts die Professionalisierung der Arbeit. Das muss mich dann schon verblüffen.
(Lachen und Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)
Aber das sind nur die Vorbemerkungen. Bei allem anderen, lieber Herr Abg. Aldag, sind wir ganz nahe beieinander. Es ist völlig richtig, dass sich das Artensterben und der weltweite Verlust an Biodiversität beschleunigen. Heute ist jede achte Tier- und Pflanzenart vom Aussterben bedroht. 150 Arten, so schreibt die „FAZ“, drohen täglich verloren zu gehen. Deshalb ist es wichtig, dass über die Wissenschaft die fünf zentralen Treiber für den Verlust biologischer Vielfalt herausgearbeitet werden. Wir kennen an erster Stelle dabei die Umnutzung des Landes, die Flächenversiegelung und den Rohstoffabbau, an zweiter Stelle die Übernutzung von Ökosystemen und Arten, an dritter, vierter und fünfter Stelle die Erderwärmung, die Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten.
Was kann man also tun? - Es reicht nicht, der deutsche Musterschüler zu sein. Es ist erforderlich - darin haben Sie völlig recht , international zu handeln und das Thema Klimaschutz und Biodiversität möglichst breit aufzustellen.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)
Das ist gerade die Idee der Veranstaltung in Montreal, die coronabedingt mit Verzögerung stattfindet und in den nächsten Tagen ein Ende finden soll.
Es gibt bereits konkrete Vereinbarungen. Sie haben sie kurz erwähnt. Es gibt die EU-Biodiversitätsstrategie vom 20. Mai 2020 mit ehrgeizigen Zielvorgaben bis 2030 und 2050. Das betrifft sowohl den Schutz von Land- und Meeresflächen als auch die Wiederherstellung von Ökosystemen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Sachsen-Anhalt mit 16,5 % Landesfläche als Schutzgebiet so schlecht gar nicht dasteht. Das ist ein schönes Zwischenziel. Aber wir wissen, wir müssen uns hier weiterentwickeln. Nur, lassen Sie uns schauen, wie wir uns, wenn es in Montreal konkrete Ergebnisse gibt, weiter einander annähern.
Ich verzichte auf weitere Ausführungen zur nationalen Biodiversitätsstrategie, die die Bundesregierung so übernommen und mit den drei Kernforderungen eingebracht hat, über die Sie bereits berichtet haben. Ich kann sie also an dieser Stelle entbehren.
Von Erich Kästner wissen wir: „Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es“. Also schauen wir uns an, was im Land passiert und was das Land finanziell tut. Es geht um praktische Fördermaßnahmen im Bereich des Naturschutzes. Sie haben die Artensofortförderung angesprochen. Wir setzen sie fort, das ist wichtig. Wir entwickeln sie zielgerichtet. Seit 2019 ist eine ganze Menge passiert: fast 230 Projekte, 9,5 Millionen €. Das war ein gutes Programm und es bleibt ein gutes Programm. Aber, lieber Herr Aldag, das Programm ist etwas volatil in den Bewilligungen, und wir haben festgestellt, dass es im laufenden Jahr deutlich weniger Bewilligungen gab, als wir ursprünglich angemeldet hatten. Das ist die Erklärung für die Reduktion des Ansatzes. Ich finde es selbstverständlich erfreulich, wenn aus dem parlamentarischen Raum eine größere Notwendigkeit gesehen wird. Gern tragen wir Ihnen dazu noch einmal im Ausschuss vor.
(Zustimmung bei der SPD)
Aber in unserem Land passiert noch mehr: mit den NGO zusammen die Naturschutzgroßprojekte. Sie haben den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon gedankt und dem möchte ich mich gern anschließen.
Gestatten Sie mir, z. B. auf das Thema Elbaue bei Wittenberg und die elbnahe Aue der Schwarzen Elster bei Jessen hinzuweisen. Mit der Heinz-Sielmann-Stiftung sind wir derzeit in der Planungsphase für das Naturschutzgroßprojekt Mittelelbe/Schwarze Elster. 35,5 Millionen € sollen dort von 2019 bis 2033 investiert werden. 75 % davon bezahlt der Bund, 10 % die Heinz-Sielmann-Stiftung und das Land Sachsen-Anhalt respektable 15 %; im laufenden Haushalt rund 150 000 €, im nächsten auch.
Worum geht es? - Großräumige Revitalisierung der Auenlandschaft, Deichrückverlegungen, Altarmanbindungen usw. Also, es gibt durchaus einiges, was wir tun.
Darüber hinaus sind wir dem Artenschutz verpflichtet und in ganz besonderer Weise mit dem Artenschutz vertraut. Rotmilan, Großtrappe, Feldhamster, verschiedene Insektenarten - sie sollen insbesondere in Sachsen-Anhalt im Blick gehalten werden. Das Ganze geschieht nicht allein aus Landesmitteln. Das können wir uns nicht leisten. Selbstverständlich muss es darüber hinaus insbesondere im Bereich der Agrarflächenüberzahlung aus dem ELER und Strukturfondsmitteln aus dem EFRE finanziert werden. Das kennen Sie. Darüber berichten wir auch immer wieder im Ausschuss. Darauf kommen wir zurück.
Der Bund wird - Sie haben das Aktionsprogramm „Nationaler Klimaschutz“ bereits angesprochen - mit rund 4 Milliarden € den natürlichen Klimaschutz in den nächsten Jahren bis 2026 finanzieren. Er hat noch nicht verraten, wie er es verteilen will. Dazu sind wir also in Verhandlungen. Er hat auch ein Artenhilfsprogramm als Begleiter des Themas Ausbau der erneuerbaren Energien in Aussicht gestellt.
Ich möchte an dieser Stelle den Brückenschlag durchaus einmal wagen. Sie wissen, dass wir durch das Wind-an-Land-Gesetz und durch die Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz mehr Möglichkeiten für den Windkraftausbau schaffen und flexibler auf Kollisionsfragen mit dem Naturschutz reagieren können. Das ist auch gut so, sonst kommen wir nämlich nicht voran. Hilfreich ist es auch, dass der Bund an derselben Stelle mit seinem Artenhilfsprogramm versucht, eine Finanzierungsgrundlage zur Verfügung zu stellen, die uns hilft, die Stellen, an denen wir einen reduzierten Natur- und Artenschutz zulassen, um den Windkraftausbau zu beschleunigen, mit entsprechenden Maßnahmen an anderer Stelle zu kompensieren.
(Zustimmung bei der SPD)
So macht man das sehr praktikabel und das ist meines Erachtens auch vernünftig.
Ein Letztes, nämlich das Zusammenspiel von Wissenschaft und Klimaschutz, das Zusammenspiel von Wissenschaft und Biodiversität: Da dürfen wir uns in Sachsen-Anhalt nun wirklich auf die Schulter schlagen. Gemeinsam mit den Ländern Sachsen und Thüringen ist das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig, kurz iDiv, entstanden. Es hat seinen Sitz in Leipzig, es hat Außenstellen an den Universitäten in Jena und Halle, und es nimmt bereits eine weltweite Spitzenstellung in der Erforschung der Artenvielfalt ein. 12,5 Millionen € DFG-Förderung wurden dafür eingeworben, weitere Forschungs- und Fördermittel. Sachsen-Anhalt achtet insbesondere darauf, dass die Anbindung an unsere Martin-Luther-Universität, an den Fachbereich Biologie, erfolgt. Dort wird gerade ein Gebäude mit Mitteln im Umfang von 23 Millionen € ertüchtigt.
Sie sehen, wir haben einiges auf der Raufe. Wir tun einiges, um das Thema Biodiversität bei uns politisch umzusetzen und es vor allen Dingen zu finanzieren. Meine Damen und Herren! Das ist erforderlich und das ermöglicht evidenzbasierte Politik, nämlich Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage. Dabei hilft uns in Zukunft auch iDiv.
Vor diesem Hintergrund, lieber Herr Aldag, meine sehr geehrten Damen und Herren, war es reizvoll, das Thema an dieser Stelle anzusprechen. Es wird uns in den nächsten Jahren begleiten, aber ich glaube, wir brauchen uns in Sachsen-Anhalt nicht zu verstecken. Dass wir weitere Professionalisierung gebrauchen können, gilt wohl für viele Bereiche des Lebens. - Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)