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Plenarsitzung

Transkript

Kathrin Tarricone (FDP):

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. - Ich freue mich, dass Frau Lüddemann zu dem Debattenbeitrag der Freien Demokraten wiedergekommen ist. Das ehrt mich. Danke schön für diese Wertschätzung. Ich war nämlich schon ein bisschen überrascht. Denn wenn man hier eine Aktuelle Debatte beantragt, dann hätte ich erwartet, dass man gern den Redebeiträgen und den Argumenten der anderen Kollegen folgt.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD, und bei der CDU - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Unbedingt! - Guido Kosmehl, FDP: Genau! Hauptsache Cola holen!)

Beim Lesen des Themas der Aktuellen Debatte hatte ich schon die Hoffnung, dass der Hashtag Autokorrektur ausgedient hat und der Hashtag Mobilität für alle im Denken der GRÜNEN endlich Einzug hält. Zu früh gefreut.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Der motorisierte Individualverkehr bleibt das Feindbild der Fraktion. Ein Aufhänger der Aktuellen Debatte ist die kürzlich veröffentlichte Verkehrsunfallbilanz. Sie weist nach Aussagen der GRÜNEN eine tragische Zunahme der Zahl der Todesfälle aus. Das ist eine gängige sprachliche Wendung, aber natürlich ist jeder Todesfall im Straßenverkehr tragisch, egal, ob bei einem ansteigenden oder bei einem abnehmenden Trend.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Da wir die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Verkehrsunfälle insbesondere mit Personenschaden nach Möglichkeit reduzieren wollen, kann eine Analyse an diesem Punkt auch nicht stehen bleiben. Ja, es stimmt, auf Sachsen-Anhalts Straßen starben im Jahr 2022 deutlich mehr Menschen, und zwar so viele, wie seit dem Jahr 2010 nicht mehr. Auffällig ist dabei, dass vor allem Menschen ab 75 Jahren gravierende Unfallfolgen erlitten. Die Zahl der Verkehrstoten, die 75 Jahre und älter waren, verdreifachte sich im Vergleich zum Vorjahr. 

Schauen wir genauer hin. Der Kollege Gürth hat das schon gemacht. Auch Ministerin Hüskens hat darauf hingewiesen. Die Hauptursache für schwere Verkehrsunfälle ist unangepasste Geschwindigkeit. Fast jeder dritte Verkehrsunfall mit Schwerverletzten oder Getöteten ist darauf zurückzuführen. Aber auch fehlender Abstand und Vorfahrtsfehler waren häufige Ursachen für Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten und Getöteten. 

Nun schauen wir einmal zu den schwerverletzten und getöteten Verkehrsteilnehmern. Klar ist: Wer zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, der ist damit per se einem höheren Risiko für schwerwiegende Unfallfolgen ausgesetzt. In Sachsen-Anhalt wurden im vergangenen Jahr rund 660 Fußgängerinnen und Fußgänger bei Verkehrsunfällen verletzt, 16 davon starben. Bei jedem dritten Unfall waren die Fußgängerinnen und Fußgänger dessen Verursacher. Häufige Gründe dafür: bei Rot über die Ampel gehen, Ablenkung und unachtsames Betreten der Straße. Das gehört zur Wahrheit dazu. 

Die Zahl der Fahrradunfälle war im vergangenen Jahr niedriger als in dem Jahr vor Corona. Die Zahl der getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer stieg an. Jeden zweiten Fahrradunfall haben die Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer im vergangenen Jahr selbst verursacht. Auch das haben wir schon gehört. Besonders häufig spielt dabei die falsche Straßenbenutzung eine Rolle.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Schon diese Aufzählung zeigt, dass viele verschiedene Maßnahmen nötig sind, um die Verkehrssicherheit in unserem Land zu erhöhen. Wichtig und vielversprechend sind dabei alle Präventionsmaßnahmen. Diese können gern schon in der Kita beginnen, in der Schule fortgesetzt und verstärkt werden. Aber auch das Elternhaus können wir hierbei nicht aus der Verantwortung nehmen. Ich bin mir ganz sicher, dass es viele verantwortungsbewusste Eltern gibt, die wollen, dass ihre Kinder gut durch den Straßenverkehr kommen. Aber die dürfen wir bitte nicht aus der Verantwortung nehmen. Wir können nicht immer alles auf staatliche Stellen schieben.

Die Polizei hat im Infrastrukturausschuss angedeutet - ich weiß nicht, wer das schon gesagt hat -, dass es ein Präventionsangebot geben soll, das sich besonders an Seniorinnen und Senioren wendet. Unter dem Motto: „Wir wollen, dass Sie sicher mobil bleiben“ sollen in einer Kampagne gezielt Tipps und Ratschläge dazu gegeben werden, wie Unfallrisiken minimiert werden können. Hoffen wir, dass dies zu sichtbarem Erfolg führt. Denn das Ziel „Mobilität für alle“ muss die Bedürfnisse dieser wohl am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppe Sachsen-Anhalts einbeziehen. 

Um die Zahl der Unfälle zu reduzieren, deren Ursache unangepasste Geschwindigkeit war, setzen wir Freien Demokraten einerseits auf die Kontrolle der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen. Darüber hinaus - das hat Frau Ministerin Hüskens auch schon gesagt  , möge sich jeder Verkehrsteilnehmer immer wieder an den wichtigsten Grundsatz aus der Fahrschule erinnern: Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Dass der nämlich nicht immer lupenrein im Straßenverkehr umgesetzt wird, kann jeder beobachten, der auf unseren Straßen unterwegs ist. Der Hinweis „Sorry, ich habe es eilig.“ führt zum Überholen an unübersichtlichen Stellen, der Gedanke „Es wird schon nicht glatt sein.“ im Idealfall nur zu einem Blechschaden im Straßengraben. Hierbei gibt es viel Potenzial zur Verbesserung der Verkehrsunfallbilanz.

In Bezug auf die Forderung, es Kommunen zu erleichtern, ein Tempolimit von 30 km/h festzulegen, ist aus der Sicht der Freien Demokraten zu bedenken, dass es in den Städten und Dörfern nicht nur innerörtlichen Verkehr gibt, sondern eben auch Durchgangsverkehr. Es sind also nicht nur die Interessen der Bewohner betroffen, sondern auch derjenigen, die durchfahren müssen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja, genau darum geht es!)

Dies gilt es verantwortungsvoll abzuwägen. Schauen wir einmal, was Verkehrsexperten zum Ausweiten von 30er-Zonen sagen. Jürgen H., Leiter des Fachbereichs Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC Nordbayern, steht Geschwindigkeitsbegrenzungen skeptisch gegenüber. Er räumt zwar ein, dass ein Tempolimit von 30 km/h streckenweise sinnvoll sein könnte, betont aber auch mögliche Nachteile. Ein Nachteil ist, dass mehr Verkehr in Wohngebieten droht, da ein Teil der Verkehrsteilnehmer dann die kürzere Strecke wählt, weil der Vorteil durch die höhere Geschwindigkeit auf der Hauptverkehrsstraße wegfällt. Der ADAC hat berechnet, dass mit einer Zunahme des Verkehrs in diesen Wohngebieten um 15 % bis 17 % zu rechnen ist. Damit wäre den Anwohnern in Sachen Lärmschutz und Verkehrssicherheit ein Bärendienst erwiesen.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, und bei der CDU)

Wie steht eigentlich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zur Neuregelung der Tempo-30-Zonen? - Minister Wissing ist offen für unterschiedliche Lösungsansätze. Er will den Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume eröffnen. Nicht überzeugt ist das Ministerium allerdings von einem flächendeckenden Tempo 30 oder Geschwindigkeitsbeschränkungen in Durchfahrtsstraßen. 

Wie alle empathischen Menschen bedauern wir Freien Demokraten jeden einzelnen Unfall, bei dem Menschen verletzt oder sogar getötet wurden oder werden. Vision Zero ist auch für uns ein erstrebenswertes Ziel und jede erfolgversprechende Anstrengung wert. Über dieses Ziel sind wir uns mit den GRÜNEN einig und auch über den Titel der Aktuellen Debatte „Mobilität für alle - Gewinn für alle“. Für alle heißt aber dann auch für alle. 

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, und bei der CDU)

Wir suchen Lösungen dafür, dass alle entsprechend ihrer Lebensrealität und nach ihren Bedürfnissen mobil bleiben oder werden. Verzicht auf Mobilität wollen wir den Menschen nicht einreden.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Wir auch nicht!)

- Na, das klingt oft anders; Hashtag Autokorrektur. - Wir wollen die Menschen auch nicht nach ihren Gründen fragen, warum sie wann wohin unterwegs sind, um ihnen dann ein schlechtes Gewissen einzureden, ob diese Fahrt wohl nötig war.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Was?)

- Aufpassen: Fahrten zum Arzt, zum Einkaufen, zur Familie und zu Freunden oder in den Verein   das war fast dieselbe Reihenfolge, die Dr. Grube gewählt hat  , die man auf dem Land etwas häufiger mit dem Auto machen muss, gehören auch zum Wohlergehen dazu, liebe Frau Lüddemann.

(Zustimmung bei der FDP und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Ein Risikofaktor für das Wohlergehen wäre es, auf diese Fahrten zu verzichten. 

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Wer sagt das?)

Machen wir also den Menschen nicht die Fahrten mies, sondern verbessern wir das Angebot im ÖPNV und lassen die Menschen dann entscheiden, womit sie fahren.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Gute Idee!)

- Das ist auch unser Ansatz. - Was brauchen wir aus der Sicht der Freien Demokraten, damit Mobilität ein Gewinn für alle wird? - Wir brauchen zur Verbesserung der Umweltbilanz aller Fahrzeuge eine ehrliche Betrachtung der Folgen von Mobilität, zur Förderung von Innovationen einen möglichst weiten politischen Rahmen, damit schlaue Ingenieure zu Höchstleistungen motiviert werden, bei der Planung neuer Schienen, Radwege und Straßen eine echte Planungsbeschleunigung,

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

eine bestmögliche Nutzung der Digitalisierung und intelligente Konzepte zur Verbesserung von Verkehrsflüssen und eine ehrliche Prognose hinsichtlich der Entwicklung der Mobilität, die die Bedürfnisse der Menschen abbildet und nicht aus der Kiste „Erwachsenenerziehung“ stammt. Damit machen wir das Feld der Mobilität weit und engen es nicht ein. Dann wird es ein Gewinn für alle. Wir Freien Demokraten arbeiten besonders gern mit dem Hashtag moderndenken und noch viel lieber mit dem Hashtag modernmachen. 

(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP, und von Guido Kosmehl, FDP)

An dieser Stelle hätte ich jetzt eigentlich meine Rede beendet, möchte aber nur noch dem geschätzten Kollegen Herrn Tullner Folgendes antworten: Zwischen 2009 und 2021 war das Verkehrsministerium durchgängig in den Händen von CDU/CSU. Zum ersten Mal hat ein liberaler Minister hier das Heft in der Hand. Der versucht jetzt, Bremsklötze und Einsparungen der letzten Zeit auszumerzen und auch die Deutsche Bahn wieder zukunftsfit aufzustellen.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Rüdiger Erben, SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. Damit hat Frau Tarricone eine an sie nicht gestellte Frage beantwortet und somit auch noch ihre Redezeit um 30 Sekunden verlängert. Das ist auch eine Variante.


Kathrin Tarricone (FDP):

Das tut mir leid.