Michael Scheffler (CDU):
Danke. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe SPD, es ist schade, dass Sie ein so wichtiges Thema wie günstige Strompreise und Industrieproduktion hier nur aufrufen, um den Wahlkampf gegen Friedrich Merz zu befeuern.
(Juliane Kleemann, SPD: Ja, klar!)
In Ihrer Begründung zur Beantragung dieser Aktuellen Debatte nennen Sie einige richtige Punkte, so z. B. dass die Stahlbranche in Deutschland eine Schlüsselrolle als Grundstoffindustrie einnimmt, dass sie die Basis der industriellen Wertschöpfungskette ist oder dass sie zentral für die Autoindustrie und für den Maschinenbau ist. Sie erwähnen auch richtig, dass wir hoch qualifizierte, gut bezahlte und tariflich abgesicherte Arbeitsplätze in der Stahlbranche in Deutschland haben. Auch nicht verkehrt ist Ihr Hinweis, dass eine Abhängigkeit von Importstahl droht, Importstahl, der in Ländern mit niedrigeren Standards produziert wird, denken wir an Indien oder China. All diese richtigen Punkte führen Sie zu der Erkenntnis, dass wir unbedingt grünen Wasserstoff für unsere Stahlproduktion einsetzen müssen.
Die Frage von Friedrich Merz, woher der Wasserstoff denn kommen soll, ist doch richtig und logisch. Wir haben zurzeit kein Wasserstoffnetz. Wir brauchten große Investitionen in die Herstellung von Wasserstoff und in die Errichtung eines Wasserstoffnetzes. Für die Herstellung von Wasserstoff benötigen wir Wasser und Strom. Abgesehen davon, dass wir in Sachsen- Anhalt häufig über Trockenheit und Wassermangel diskutieren, benötigen wir weitere große Kraftwerkskapazitäten, für grünen Wasserstoff natürlich Windräder, die den Strom produzieren, Windräder, bei denen wir jetzt schon Schwierigkeiten damit haben, Akzeptanz dafür zu finden.
Parallel zu diesem Wasserstoffausbau soll das Erdgasnetz zurückgebaut werden. So plant es zumindest der demnächst ausscheidende Wirtschaftsminister. Die Gedanken, eine milliardenschwere, durchdachte und gewachsene Infrastruktur zu zerstören, grenzen an Sabotage.
(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von der AfD: Ja!)
Es ist Infrastruktur, die auch dazu genutzt werden könnte, Wasserstoff zu transportieren. Ich empfehle den Besuch des Wasserstoffdorfes in Bitterfeld.
Man könnte z. B. geringe Mengen Wasserstoff und später größere Mengen Wasserstoff dem Erdgas beimischen und so das vorhandene Erdgasnetz und Erdgasheizungen weiter nutzen. Dies ermöglichte einen kostengünstigeren Umbau des Netzes und sukzessive einen kontinuierlichen Wasserstoffhochlauf.
Sich aber gleich als ersten Schritt eine der energieintensivsten Branchen wie die Stahlindustrie als d a s Wasserstoffziel auszusuchen - über die Sinnhaftigkeit dessen sollte man auf alle Fälle diskutieren dürfen. Und so verstehe ich auch die Frage unseres Kanzlerkandidaten.
Sie gehen davon aus, dass grüner Stahl einen Wettbewerbsvorteil in der Welt hätte. Ich bin der Meinung, einen Wettbewerbsvorteil hat man immer dann, wenn man entweder ein gleiches Produkt günstiger produzieren kann oder das Produkt bessere Eigenschaften hat als die Konkurrenzprodukte.
(Zustimmung bei der CDU, von Jörg Bernstein, FDP, und von Jan Scharfenort, AfD - Tobias Rausch, AfD: Jawohl!)
Dass wir in Deutschland bei unseren Standards im Arbeits- und Umweltschutz all das wollen wir preiswerter produzieren könnten als z. B. Indien, China oder sonst jemand auf der Welt, ist schwer vorstellbar und nicht möglich. Bleibt also ein Alleinstellungsmerkmal in Qualität oder Eigenschaften des Stahls. Hierbei muss man allerdings erkennen, dass die physikalischen Eigenschaften des grünen Stahls sich nicht von denen des grauen Stahls unterscheiden. Der Vertriebsmitarbeiter des grünen Stahls kann seinem Kunden also nur sagen, dass er ein Zertifikat dazubekommt, welches zeigt, dass der Stahl CO2-arm oder CO2-frei produziert wurde. Die Eigenschaften und der Nutzen für den Kunden unterscheiden sich aber nicht.
(Zustimmung von Jörg Bernstein, FDP)
Da der Stahl als Grundstoff für viele weitere Produkte gilt, ist hierbei ein hohes Preisbewusstsein der internationalen Kunden vorhanden. Es ist kaum vorzustellen, dass z. B. gerade ein amerikanischer Kunde bereit ist, nur wegen eines grünen Stempels aus Deutschland mehr zu zahlen.
Auch deutsche oder europäische Kunden müssten die höheren Preise dann in ihre Endprodukte einkalkulieren. Endprodukte wie Autos und Maschinen, die wiederum auf dem Weltmarkt in Konkurrenz stehen. In Autos, welche sich wegen der deutschen Kostensituation und ideologischer Technikverbote schon jetzt immer schwerer verkaufen.
Man könnte diese hohen Stahlpreise mit staatlichen Subventionen günstiger gestalten. Das lehnt die CDU allerdings ab. Wir hätten dann ein Wasserstoffnetz mit Förderung aufgebaut; wir hätten Windräder, die über ein EEG stark gefördert sind; und am Ende hätten wir dann noch die zu teuren Produkte für die Kunden billiger gemacht.
(Jan Scharfenort, AfD: Ja!)
Das wäre eine Subventionierung von Anfang bis Ende in einem gigantischen Ausmaß.
Subventionen sind Steuergeld unserer Bürger. Angesichts dessen ist doch die Frage mehr als berechtigt, ob all das so sinnvoll ist, ob all das nachhaltig ist und ob wir all das in letzter Konsequenz überhaupt wollen. Diesen Punkt hat Friedrich Merz gesetzt.
Es ist richtig, die Stahlproduktion ist energieintensiv. Diese ganzen Subventionen könnten wir uns aber sparen, wenn wir günstige Strompreise anbieten. Natürlich ist auch eine sinnvolle Nutzung der Erneuerbaren richtig, z. B. durch Energieparks in der Nähe von Stahlwerken. Aber genauso wichtig ist eine sichere und preisgünstige Grundversorgung. Hierfür braucht die Industrie einen grundlastfähigen Kraftwerkspark.
Wir müssen über die Netzentgelte in Deutschland nachdenken und über die Entschlackung des EEG. Das sind echte Hausaufgaben für eine neue Bundesregierung. Das sind die Hebel, um den Strompreis nachhaltig in den Griff zu bekommen. Das hilft der Industrie mehr als eine Wette auf eine Wasserstoffindustrie, die im Jahr 2037 funktionieren soll.
Die CDU steht zu den Wasserstoffprojekten in Wissenschaft und Forschung und zu einem daraus folgenden sinnvollen Markthochlauf, aber immer so weit, wie wir es uns leisten können und wie es die Märkte akzeptieren - weg von der Ideologie, wieder hin zu Technologieoffenheit.
Friedrich Merz hat recht, wenn er Augenmaß in der Umsetzung einfordert. Daher sage ich zum Schluss dann doch: Vielen Dank für die von Ihnen beantragte Debatte, in der wir das noch einmal klarstellen konnten.
(Zustimmung bei der CDU und von Jan Scharfenort, AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Scheffler.