Detlef Gürth (CDU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Anmerkung vorneweg: Nach diesem lauten Geschrei zu Beginn dieses Tagesordnungspunktes ist es für einen alten Menschen wie mich sehr angenehm, die sonore Stimme des Kollegen Willingmann zu hören. Vielen Dank, rein phonetisch, akustisch, dafür. Inhaltlich würde ich alles unterschreiben, was Sie hier vorgetragen haben.
Kommen wir zum Thema. Die heute in Rede stehende EU-Gebäuderichtlinie müssen wir im Kontext betrachten und in ihren Auswirkungen vor allen Dingen auf Deutschland genau bewerten. Der Hintergrund dieser Gebäuderichtlinie ist der Wille, dass Europa als eine der wirtschaftsstärksten Regionen der Welt wir sind auch weltweit drittgrößter Emittent von Treibhausgasen nach China und den USA eine besondere Verpflichtung für nachfolgende Generationen hat.
Wer wollte das bestreiten? Um dieser Verpflichtung nachzukommen, will man durch abgestimmte europaweite Maßnahmen des Klimaschutzes diesem Ziel gerecht werden. Die angesprochene EU-Richtlinie ist ein wesentlicher Bestandteil des sogenannten Green Deals und der Programme wie „Fit for 55“ und verschiedene andere mehr, die jetzt in Richtlinien und Vorschlägen der Kommission die nationalen Mitglieder, also uns EU-Mitgliedstaaten, erreichen.
Energiebedarf und Emissionen im Gebäudesektor sollen nachhaltig, ja, drastisch verringert werden, um CO2-neutral zu werden. Ich sage einmal: So weit, so löblich, was die Ziele sind. Aus der Sicht der CDU-Fraktion liegt das Problem genau in dem, was Prof. Willingmann ansprach: die konkreten Dinge, die darin stehen, die Zeiträume und die völlige Ausblendung der Realität. Das ist das Problem.
Was gehört dazu? Es ist nicht alles Blödsinn, was darin steht. Ich sage einmal, ein Ziel dieser Richtlinie ist die verbindliche Einführung einheitlicher Standards sowie Methoden zur Berechnung der Energieeffizienz von Gebäuden. Wenn Sie die Praxis in der EU von Griechenland über Lissabon bis Dänemark anschauen, sagen Sie, es ist überfällig, dass wir Gleiches nicht unterschiedlich einstufen. Das ist erst einmal ein gutes Prinzip. Die Energieeffizienzklassen sollen also harmoniert werden. Das heißt, wir sprechen dann auch in Madrid von demselben, wenn wir hier bei uns die Richtlinie umsetzen. So weit, so gut.
Die Zertifizierung von Bestandsgebäuden und Neubauten ist ein Teil, bei dem man sich fragt: Hat man sich die Lebenswirklichkeit angeschaut? Was bedeutet das? Wir haben den Energiepass schon vor Jahren eingeführt. Wenn Sie in den Wohnungsmarkt, in den Immobiliensektor schauen, sehen Sie, welchen Engpass es schon jetzt gibt, diese Pässe von zertifizierten und berechtigten, fachkundigen Personen zeitnah erstellen zu lassen. Ich wage mir gar nicht auszumalen, was geschieht, wenn das, was in der EU-Richtlinie steht, nun für alle verbindlich in dieser kurzen Frist umgesetzt werden soll. Es wird schon daran mangeln, dass es gar nicht genug Leute gibt, die in so kurzer Zeit sämtliche Bestandsgebäude einschätzen und zertifizieren können.
Neu in dieser Richtlinie und ziemlich hart formuliert ist, dass für alle EU-Mitgliedsstaaten zu den Zielen, die man sich bis 2050 gemeinsam gesetzt hat, verbindliche Schritte vorgegeben werden sollen. In der Umsetzung der Maßnahmen gibt es Spielräume, die es vorher nicht gab. Aber in Bezug auf diese Spielräume haben wir sehr große Sorgen. Wir haben aus unseren Erfahrungen immer erlebt, dass viele EU-Richtlinien, die in Kraft gesetzt wurden, bei der Umsetzung in nationales Recht durch die jeweilige deutsche Bundesregierung mit einem bürokratischen Aufwuchs so weit verschlimmbessert wurden, dass es erhebliche Kritiken und Friktionen gab. Das darf hierbei auf keinen Fall passieren.
Sanierungspflichten für Bestandsgebäude bis 2030 stehen unter anderem darin. Ich sage einmal, wir als CDU-Fraktion würden statt solcher Pflichten, die ich in diesen Zeiträumen für völlig unrealistisch halte, lieber Anreize sehen. Den Markt mit Anreizen zu ergänzen, setzt viel mehr Energie im positiven Sinne und Investitionen frei, als ständig zu verbieten und zu verpflichten.
(Beifall bei der CDU)
Wenn wir uns den Text der Richtlinie anschauen ich habe sie tatsächlich gelesen , hört sich vieles nett an, aber wenn man an die Umsetzung in der Lebenswirklichkeit geht, bekommt man Angst. Deshalb steht schon heute fest: Die Brüsseler Überlegungen, die in dem Text stehen, dürfen auf keinen Fall zu kalten Enteignungen führen. Das würden sie aber, wenn sie so bleiben und so umgesetzt würden. Die Folge wären Mietpreisexplosionen, Zwangsumzüge und soziale Härten, die man nicht verantworten könnte.
Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht sind wir gefordert, uns als Deutschland einzubringen, dass wir nicht etwas auf den Weg bringen, was zu großen Friktionen und unverantwortbaren Situationen führt. Das Mindeste, was man erwarten können muss, ist, dass wir die Realitäten anerkennen und nicht einfach so hartnäckig ausblenden, wie das in dem Text der Richtlinie zu lesen ist.
Ich warne ausdrücklich davor ich möchte Herrn Prof. Willingmann und dem Kollegen Grube und anderen, die es angesprochen haben, recht geben : Wenn wir die Klimaschutzmaßnahmen, für die wir uns einsetzen, ernst nehmen und wenn wir die Ziele, die wir uns selbst setzen, erreichen wollen, dürfen wir weder die Lebenswirklichkeit ausblenden noch die Menschen links liegen lassen und mit Verboten und Belehrungen traktieren.
(Beifall bei der CDU)
Stattdessen muss es unsere Aufgabe sein, die Menschen zu überzeugen und sie mitzunehmen. Wir dürfen die Leute auch nicht für dumm verkaufen. Sie sind alle im Internet und können nachlesen. Ich hacke jetzt nicht auf unserem weltweiten Emissionsanteil von 2 % herum, aber während wir hier so muntere Diskussionen über Dinge führen, die zu kalter Enteignung und zu einer katastrophalen Lage auf dem Wohnungsmarkt führen würden, zu einem Zusammenbruch vieler Dinge, die an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen, können die Bürger doch die zeitgleich stattfindende Entwicklung in anderen Bereichen sehen.
Während hier von einigen in der politischen Landschaft so diskutiert wird, als ob die Welt morgen sofort untergeht, wenn wir nicht die Heizung um 10 °C herunterschrauben, lesen sie am selben Tag in den verfügbaren seriösen Medien, dass China als der weltgrößte Emittent an Treibhausgasen China emittiert mehr als alle Industrienationen zusammen das Ziel hat, seine Klimaneutralität im Jahr 2060 zu erreichen. 200 neue Kohlekraftwerke sind dort im Bau. Von den in Planung befindlichen rede ich noch gar nicht. 150 neue Kohleminen werden gerade eröffnet. Bald ist Indien die bevölkerungsreichste Nation; dort werden gerade 40 neue Kohleminen eröffnet.
Selbst wenn wir sämtliche Heizungen aus unseren Häusern herausreißen und frieren würden, wäre kein messbarer Anteil an der Verbesserung des Klimas zu erwirken.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Deshalb ist es so wichtig, dass wir über solche Maßnahmen nicht weltfremd, sondern realitätsbezogen diskutieren.
Die Klassen F und G das sind die, wenn man die Energieeffizienz betrachtet, energetisch schlimmsten Klassen hätten jetzt den höchsten Sanierungszwang. Dabei reden wir über 3 Millionen Gebäude. Jetzt versuchen Sie einmal, Ihr Haus oder das Ihrer Eltern oder eine Eigentumswohnung zu sanieren, reden Sie einmal mit einem Architekten. Sie werden kaum einen finden, weil sie alle gerade für PV- und Windenergieanlagenbauer die B Pläne machen, weil dort momentan der Goldrausch ausgebrochen ist.
(Beifall bei der CDU)
Reden wir einmal über einen Dachdecker, einen Elektriker oder verschiedene andere Handwerker, die sie gar nicht mehr bekommen. Es gibt mittlerweile Wartezeiten wie zu DDR-Zeiten, weil es gar nicht genug gibt. Wenn wir uns das Bauhaupt- und das Baunebengewerbe auf dem Arbeitsmarkt anschauen, sehen wir, dass die nach Corona wir reden jetzt über einen Zeitraum von drei Jahren einen Fachkräfteschwund von 10 % ihrer Belegschaft zu verzeichnen hatten. Sie können Bestehendes nicht sanieren. Wie wollen Sie solche Pflichten in der Realität umsetzen? Welche Marsmännchen sollen dafür kommen? Oder sind sämtliche Brüsseler Bürokraten schnell umgeschult, bauen die Häuser, sanieren alles und messen alles? Darauf würde ich nicht setzen.
(Beifall bei der CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, der muss vor dem, was hier angedacht ist, warnen. Deshalb sagen wir als CDU-Fraktion: Diese EU-Gebäuderichtlinie ist positiv unterstellt vielleicht gut gemeint; sie umzusetzen wäre unverantwortlich.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP)