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Plenarsitzung

Transkript

Henriette Quade (DIE LINKE): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Es ist nicht anders erwartbar: Natürlich greifen rechtsextreme die Vorlagen auf, die ihnen geliefert werden -

(Felix Zietmann, AfD, lacht)

so nun einmal wieder das Thema Sachleistungen für Geflüchtete. Diese Forderung hat ihren Ursprung in Ideologie und nicht in Evidenz. Migrationsforschende weisen seit geraumer Zeit darauf hin, dass nicht Pull-Faktoren, sondern Push-Faktoren diejenigen sind, die Migrationsbewegungen steuern. Hunger, Naturkatastrophen, Wegfall von Lebensgrundlagen - sei es durch Klimawandel oder Ausbeutung im ökonomischen Bereich  , Krieg, Terror, Verfolgung: Das sind die Gründe, die Menschen in Schlauchboote steigen lassen.

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE, und von Monika Hohmann, DIE LINKE)

Dass Rechtsextreme nicht für Fakten zu haben sind, ist klar. Dass diese Forderung nach Sachleistungen nun die Forderung der Ministerpräsidenten war - zumindest einiger; auch des sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten  , das ist das eigentliche Problem. Die Übernahme der Erzählung schwächt nicht die Rechte, es macht sie stärker. Wir sehen das mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor einigen Tagen hat sich die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ intensiv mit dem Thema Sachleistung beschäftigt und nicht nur festgestellt, dass niemand, der Sachleistungen fordert, auch nur einen einzigen Beleg für den Zusammenhang zwischen Sozialleistung und Fluchtbewegung nennen konnte. Sie hat auch den Ökonomen Herbert Brücker von der Humboldt-Universität zu Berlin zitiert und schrieb, weniger Leistungen hätten nach Brücker also vermutlich keine oder nur geringe Auswirkungen darauf, wie viele Menschen nach Deutschland kommen. Wenn Menschen gefragt würden, was ihnen wichtig ist in einem Zielland, nennen sie zuallererst Rechtsstaatlichkeit und Humanität, dann das Bildungssystem und das Gefühl, willkommen zu sein. Das soziale Sicherungssystem komme danach, spiele im Vergleich also eine eher untergeordnete Rolle. Das sagt der Ökonom Brücker.

Hinzu kommt, dass die Möglichkeit, Sachleistungen statt Geldleistungen zu gewähren, längst besteht, auch angewandt wurde und wird. Wer auf die Einschätzung der Kommunen in Sachsen-Anhalt schaut und der „dpa“-Umfrage aus dieser Woche folgt, der liest, der Wittenberger CDU-Landrat stellt fest - ich zitiere  : 

„Außerdem gibt es keine Modelle, wie solch ein Bezug von Sachleistungen in der Praxis abgebildet werden könnte, ohne wesentliche Mehrarbeit entweder bei uns oder bei z. B. kooperierenden Einzelhändlern zu erzeugen.“

Die „dpa“ schreibt weiter:

„Mehr Kosten und mehr Arbeit für die Verwaltungen führen auch andere Kommunen als Gründe an, die gegen eine Umstellung auf Sachleistungen sprechen. Sachleistungen seien viel aufwendiger als Barzahlungen, teilte etwa die Landeshauptstadt Magdeburg mit.“

Mehr muss man eigentlich nicht wissen. Umso absurder, dass der Ministerpräsident auch auf dieses Pferd setzt, das niemandem nützt, aber vielen schadet. Bereits im Jahr 2012 musste das Bundesverfassungsgericht klarstellen: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist bezeichnend und besorgniserregend, dass auch der Ministerpräsident daran erinnert werden muss.

(Beifall bei der LINKEN - Eva von Angern, DIE LINKE: Ja!)