Dr. Falko Grube (SPD):
Herr Präsident! Hohes Haus! In der heutigen Aktuellen Debatte geht es um die Frage, wie weit sind wir mit der Digitalisierung in Sachsen-Anhalt. Heute liegt der Fokus auf der Digitalisierung der Verwaltung.
In der Begründung spricht die FDP-Fraktion davon, dass sich Sachsen-Anhalt kürzlich im bundesweiten Ranking des OZG-Dashboards von Platz 16 auf Platz 9 verbessert habe. Wir haben dabei auch größere Bundesländer wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen überholt. Das, meine Damen und Herren, hat mich ehrlich gefreut. Ich bin dann auf das Dashboard gegangen, um das mit eigenen Augen zu sehen.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht - Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)
Dann war ich nicht mehr so erfreut,
(Zuruf von Kristin Heiß, Die Linke)
weil es mir wie der Kollegin Heiß ging. Ich habe es nämlich nicht gefunden.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht - Kristin Heiß, Die Linke: Sehr schlecht!)
Nun können Sie sagen, der Grube muss seine Digitalkompetenz mal ein bisschen ausbauen, lebenslanges Lernen usw. - geschenkt. Aber ich erzähle Ihnen das, weil es einem nicht selten so geht auf öffentlichen Webseiten.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Man weiß, wonach man sucht, und trotzdem findet man das nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass das alles am Nutzer oder an der Nutzerin liegt, ist nicht so hoch.
Hier muss im Bereich der Benutzbarkeit und der Bedienerfreundlichkeit einiges getan werden; denn das ist auch Digitalisierung. Wenn wir wollen, dass auch Oma Erna und Onkel Klaus die digitale Verwaltung nutzen, dann darf es nicht so sein, dass sie erst noch ein Informatikstudium machen müssen. Wer eine digitale Verwaltung will, muss den Bürgerinnen und Bürgern eine leichte und intuitive Oberfläche anbieten.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Also Apple statt Windows 95 - dann klappt es auch mit der Digitalisierung.
(Zurufe von der Linken)
Aber zurück zum Ranking: Ich habe mich gefragt, ob das eine zufällige Jubel-Meldung ist, über die wir heute hier debattieren. Mir ging es wie dem Kollegen Tullner. Wir kennen ja den Mechanismus. Die Digitalministerin ist von der FDP. Es gibt ein neues Ranking. Die Fraktion beantragt eine Aktuelle Debatte, um das abzufeiern. Das ist kein Vorwurf; das machen wir auch so. Deshalb habe mich gefragt, ob dieses Ranking verifizierbar ist, oder ob wir uns auf die Selbsteinstufung der Beteiligten verlassen müssen?
(Kristin Heiß, Die Linke: Ja! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Ja!)
Ich bin dann auf das Bitkom-Ranking gestoßen. Da liegt Sachsen-Anhalt im Ländervergleich - Herr Pott hat das auch schon angeführt - auf Platz 15. Aber in dem Bereich, der uns heute interessiert, nämlich im Bereich der Verwaltung, liegen wir auf Platz 8. Und das, meine Damen und Herren, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass etwas passiert bei der Digitalisierung, dass hier eine Koalition an Werke ist,
(Beifall bei der FDP)
die die Digitalisierung nicht nur in Koalitionsverträge schreibt, die nicht nur Millionen oder fast Milliarden Euro in Haushaltspläne, sondern die das auch auf die Straße bringt, in diesem Fall auf die Datenautobahn. Das zeigt: Wir bauen an der Zukunft, und diese Zukunft ist digital.
Warum ist die Digitalisierung so wichtig? Dazu will ich drei Punkte nennen. Erstens. Die Digitalisierung erhöht den Service für die Bürgerinnen und Bürger. Wir sind nicht mehr im preußischen Obrigkeitsstaat, sondern wir leben im 21. Jahrhundert.
(Zuruf von der Linken: Ja!)
Mein Anspruch an den Staat ist, dass er zum Wohle des Gemeinwesens arbeitet. Damit ist er ein Servicedienstleister. Das ist eigentlich auch in der Amtsbezeichnung der Damen und Herren auf der Regierungsbank angelegt. Es heißt: Minister oder Ministra. Das ist ein Lehnwort aus dem Lateinischem und heißt Diener oder Dienerin. Und genau das ist es, was wir auch mit der Digitalisierung wollen. Wir wollen den Menschen mehr dienen können.
Im realen Leben würde das dann so aussehen: Stellen Sie sich vor, sie kochen sich einen Kaffee und setzen sich am Wochenende oder nach Feierabend auf das heimische Sofa, schnappen sich ihr Tablet, Notebook oder Handy und können ihr Auto bequem von zu Hause aus an- oder ummelden, einen Bauantrag stellen oder einen Personalausweis beantragen, ohne jemals ein Amt aufsuchen zu müssen.
In Magdeburg - die Kritik teile ich - wäre das im Moment auch fast die einzige Möglichkeit, um an diese Dinge zu kommen; denn die Termine beim Bürgerbüro sind für alle Sachen, die man haben möchte, so wertvoll wie Goldstaub.
(Kristin Heiß, Die Linke: Ja!)
Aber wenigstens bekommt die Absage digital. Man kann dann online einfach keinen Termin buchen.
Zu diesem Service des Staates gehört übrigens auch, dass wir dem Ziel gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land näherkommen. Wenn das Bürgerbüro digital auf dem heimischen Sofa geöffnet ist, dann ist es völlig egal, wo das analoge Bürgerbüro steht, Mausklick ist Mausklick.
Zweitens. Digitalisierung spart Verwaltungsaufwand. Wenn Beraterinnen und Berater keine manuellen Daten mehr eingeben oder Formulare prüfen müssen und stattdessen die Anträge automatisiert verarbeitet werden, kann sich das Personal auf komplexere Aufgaben konzentrieren. Viele verbinden damit die Hoffnung, dass sich damit auch eine digitale Rendite bei den Personalausgaben einsparen lässt. Ich teile diese Hoffnung, bin aber gespannt, inwieweit sie tatsächlich eintritt.
(Kristin Heiß, Die Linke: Wann!)
Als wir mit dem Ausschuss in der letzten Wahlperiode in Tallinn waren - ich bin auch einer von denen, Frau Ministerin , haben wir gefragt: Wie viel Personal habt ihr eingespart? - Die Antwort war: eigentlich nichts. Wir können für die, die automatisiert verarbeitbar waren, schnellere Serviceleistungen anbieten, aber die, die da waren, konnten sich mit den komplexen Aufgaben beschäftigen. Das ist sechs Jahre her. Wir haben mittlerweile KI, mal schauen, was am Ende dabei herauskommt.
Drittens. Digitalisierung schafft Transparenz. Wenn wir irgendwann einmal einen echten digitalen Zwilling von Sachsen-Anhalt haben, dann kann man die Prozesse nicht nur besser steuern oder für alle schneller erledigen, man kann sie auch an jedem beliebigen Punkt darstellen. Das ist auch gut so. Ein demokratischer Staat ist ein gläserner Staat. Mehr Digitalisierung wagen, heißt deshalb auch, mehr Demokratie wagen.
Wir sind auf dem Weg. Immer mehr OZG-Leistungen sind verfügbar. Jetzt gilt es, diese auch einzusetzen. Auf kommunaler Ebene stehen wir dabei immer noch vor großen Herausforderungen: zum Teil veraltete IT-Infrastruktur, unterschiedliche Standards, fehlendes Personal. Manchmal fehlt nicht nur das Personal, sondern auch der Wille. Das alles bremst die digitale Transformation aus. Besonders in kleineren Kommunen fehlt es an den Ressourcen, um die notwendigen Maßnahmen zur Digitalisierung flächendeckend umzusetzen. Da müssen wir Unterstützung leisten, und das werden wir mindestens mit den Digitallotsen auch tun.
Was ist für die nächsten Schritte wichtig? - Ich will mir nur ein paar Punkte herausgreifen, sonst müsste ich die Digitale Agenda vorlesen. Die haben Sie alle selbst zur Lektüre gehabt. Punkt 1: Open Data. Ich sagte schon, der Staat muss gläsern sein. Die Leute zahlen für den Staat, also zahlen sie auch für die Daten. Deshalb sollen sie die auch haben. Bei dem Thema sind wir noch nicht so gut. In den Rankings belegen wir regelmäßig die letzten Plätze, aber man muss auch noch Luft nach oben haben.
Zweitens: Datensicherheit. Grundlage für die Digitalisierung ist Vertrauen. Den Super-GAU im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, bei dem ein IT-Ausfall die Verwaltung für Wochen lahmlegte, kennen Sie. Das muss eine Dauerpriorität sein: Was immer digitalisiert wird, muss sicher sein.
Drittens: Kompatibilität und funktionierende Schnittstellen. Wir haben nach dem EfA-Prinzip Arbeitsteilung zwischen den Bundesländern vereinbart. Einer erstellt die OZG-Leistungen, alle können sie nutzen. Unser Ziel muss es sein, dass wir dann tatsächlich alle nutzen. Das heißt auch, dass alle Verfahren kompatibel sind. Es kann nicht sein, dass wir einzelne Verfahren nicht nutzen oder nutzen können, weil sie z. B. mit dem Beteiligungsportal des Landes nicht kompatibel sind. Das darf nicht passieren. Das muss oberstes Prinzip sein.
(Beifall bei der SPD)
Viertens: Umsetzung des Once-Only-Prinzips. Übersetzt heißt das „Nur-einmal-Prinzip“, und es bedeutet, der Staat darf jedes Datum nur einmal abfragen. Das funktioniert in Estland seit vielen Jahren und bei uns muss das auch funktionieren.
Warum das Sinn macht, zeigt ein Beispiel, bei dem ich nach wie vor Puls bekomme: die Grundsteuererklärung. Viele von Ihnen haben das durch. Die Daten lagen beim Staat alle vor, aber anstatt eine Mail zu schreiben und die zusammengefassten Daten verifizieren zu lassen, bekommen Sie einen Brief, in dem steht: Lieber Bürger, wir brauchen von dir deine Daten für den Steuerbescheid. Wir haben die auch schon. Bitte frage uns nach ihnen und schreibe sie in ein Formular. Wir überprüfen, ob du richtig abgeschrieben hast, und dann bekommst du den Steuerbescheid. Das, meine Damen und Herren, ist eines Hochindustrielandes nicht würdig. Dafür würden sich sogar die Schildbürger schämen. Das sollte schleunigst der Vergangenheit angehören.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU)
Letzter Punkt, und der hat gar nicht so viel unmittelbar mit der Digitalisierung zu tun, aber mittelbar sehr viel. Er betrifft die Frage: Wie viel von unserem Landesgeld, das wir für die Digitalisierung ausgeben, bleibt hier? Die Antwort ist: erbärmlich wenig im einstelligen Prozentbereich. Alle Kolleginnen und Kollegen meines Ausschusses kennen das. Die Tendenz ist übrigens gleichbleibend. Viele der Dinge erledigt für uns Dataport, okay. Wir sind dort Träger, aber im Moment zahlen wir viel Geld. Dafür bekommen wir Leistungen, das ist auch okay. Aber die Steuern aus der Wertschöpfung für diese Leistungen landen nicht in Sachsen-Anhalt. Das liegt am Agieren von Dataport bei den Ausschreibungen.
Wenn man das bei den Dataportvertretern anspricht, bekommt man im Ausschuss - ich sage es einmal nett - ein Achselzucken. Ich brauche keinen digitalen Zwilling, um transparent zu sehen, dass da ein Fehler im System liegt. Ich kann die Vertreter der Landesregierung im Verwaltungsrat nur ermuntern, auf den Tisch zu hauen. So kann es jedenfalls nicht weitergehen.
(Zustimmung bei der CDU)
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch auf eine Herausforderung bei der Verwaltungsdigitalisierung eingehen, die in der Praxis zu den größeren gehören dürfte, nämlich die Aufgaben- und Prozesskritik. Bevor man Prozesse digitalisiert, muss man sich anschauen, ob die Prozesse vernünftig sind.
(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)
Ich verbinde mit der Digitalisierung die Hoffnung, dass die Bürokratie oder wenigstens der Zeitaufwand, den wir für Bürokratie aufbringen müssen, weniger wird. Mir hat einmal jemand gesagt, mach dir keine Hoffnung, wenn das Formular Murks ist, ist es wurst, ob du das auf dem Papier oder dem Bildschirm hast.
(Angela Gorr, CDU: Genau!)
Oder um es mit dem früheren Vorstandschef von Telefónica Deutschland, Thorsten Dirks, zu formulieren: Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, haben Sie einen scheiß digitalen Prozess. Ich möchte gern gute digitale Prozesse. Ich will, dass Sachsen-Anhalt auf die Höhe der Zeit kommt. Diese Koalition arbeitet daran. Verlassen Sie sich darauf. - Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Nichtsdestotrotz, Herr Grube, bemühen wir uns alle inständig, bestimmte Begriffe zu vermeiden. Es gelingt nicht immer allen, gelingt auch mir nicht immer, aber wir bemühen uns gemeinsam.