Holger Hövelmann (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag komme, möchte ich etwas richtigstellen. Herr Kollege Rausch, Sie haben von unserem Aufenthalt in Albanien gesprochen und haben als Fazit die einvernehmliche Feststellung behauptet, wir wären der Auffassung, Albanien gehöre nicht in die Europäische Union. Dieser Auffassung bin ich nicht.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Dr. Katja Pähle, SPD)
Das will ich hier ausdrücklich erklären, damit das im Protokoll auch festgehalten wird.
Aber nun zum eigentlichen Thema. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor ziemlich genau zehn Jahren ereignete sich in der Ukraine ein politisches Beben. Die ukrainische Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Asarow und dem Präsidenten Janukowitsch hatte überraschend angekündigt, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht unterzeichnen zu wollen. Als die ukrainische Polizei unverhältnismäßig hart Proteste von Studenten dagegen auflöste, gingen zunächst Tausende, dann Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer auf die Straße.
Es folgte die Absetzung der ukrainischen Regierung und der immer noch laufende Versuch, ein neues, besseres politisches System in der Ukraine aufzubauen. Es folgte aber auch die russische Besetzung der Krim, die Abspaltung der östlichen Landesteile und ein zunächst verdeckter, seit letztem Jahr offener Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann den geschichtlichen Abriss nur kurz machen, aber ich hoffe, es ist deutlich: Die Kaskade an Ereignissen, die wir seit 2022 auch in Deutschland deutlich spüren, begann mit dem Wunsch der ukrainischen Bevölkerung nach Demokratie, nach Teilhabe in Europa und einer engeren Bindung an die Europäische Union.
Der Antrag der AfD will nun feststellen lassen, dass der Beitrittsprozess der Ukraine und auch anderer Staaten zur Europäischen Union grundsätzlich überdacht werden sollte. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre ein Schlag ins Gesicht für die ukrainische Bevölkerung.
(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Guido Kosmehl, FDP)
Der nach dem Jahr 2013, nach vielen Toten und Verletzten in Gang gesetzte Reformprozess würde dadurch versanden. Für die Ukraine gäbe es keine Perspektive außerhalb der Bedrängung durch Russland.
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Und klar: Der letzte Bericht der Europäischen Kommission zu möglichen Beitrittsprozessen zeigt deutlich auf, dass es einen erheblichen Reformbedarf in der Ukraine gibt. Aber geben wir doch der Ukraine die Chance, diese Reformen auch durchzuführen.
(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Beitrittsprozess zu stoppen hieße, die ukrainische Zivilgesellschaft und ihre in zehn Jahren erlangten Erfolge beiseitezuwischen. Das ist nicht der Anspruch, den wir als Koalition an eine demokratische Außenpolitik erheben. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. - Herzlichen Dank.
(Zustimmung bei der LINKEN, bei den GRÜNEN, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Guido Heuer, CDU)