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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 1

Befragung der Landesregierung nach § 45a GO.LT


Wir fangen heute mit der Fraktion der SPD an. - Frau Pähle, bitte.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben mit dem Bundeskanzler in dieser Woche eine Reihe von wichtigen Vorhaben auf den Weg gebracht. Es geht um Planungsbeschleunigungen, um Probleme der Fluchtmigration und um die zukünftige Finanzierung des Deutschlandtickets. All diese Dinge sind beraten und es sind Beschlüsse gefasst worden. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse? Und welcher Handlungsbedarf ergibt sich daraus für Landtag und Landesregierung?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Der Herr Ministerpräsident weiß, dass das heute, in dieser Stunde, sein großer Auftritt ist. Danach spricht er sowieso noch einmal.


Dr. Reiner Haseloff (Ministerpräsident): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung war sehr umfänglich. - Frau Pähle, Sie haben das schon mit den wichtigsten Stichworten gerade auch zum Ausdruck gebracht. - Ich will in Ergänzung zur doch relativ umfangreichen Presseberichterstattung, die schon stattgefunden hat und die auch jeder dem jeweiligen Pressespiegel entnehmen konnte, vielleicht auf zwei, drei Schwerpunkte Bezug nehmen. 

Die Planungsbeschleunigung ist ein altes Thema. Ich denke, dass wir vor dem Hintergrund der laufenden Energiewende noch deutlicher als sonst gemerkt haben, an welchen Stellen wir verfahrenstechnisch zu langsam sind und nicht weiterkommen. Das hat dazu geführt, dass auch in der jetzigen sogenannten Ampelregierung, einschließlich der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, doch die Erkenntnis gewachsen ist, dass wir an bestimmten Stellen einfach einen, ich sage es einmal so, Freischlag brauchen, damit wir das, was wir auch an CO2-Einsparungen, an Einhaltung der Klimaziele zugesagt haben, auch einhalten können. Man könnte jetzt noch versuchen, das im Detail auszuführen. Aber die Protokolle sind ja öffentlich und auch nachlesbar. 

Ich halte es zumindest für ein wichtiges Signal. Wir merken ja bei einigen Projekten, nicht nur bei der Diskussion um die Aufstellung der Windräder, sondern auch bei Ansiedlungsprojekten wie den Planungen für Intel oder an anderer Stelle, in Halberstadt, in Bernburg, in Leuna, dass an vielen, vielen Stellen, bis in die BImSchG-Verfahren hinein, einfach eine andere Geschwindigkeit vorgelegt werden muss, damit wir auf der einen Seite wieder Wirtschaftswachstum haben - momentan haben wir in Sachsen-Anhalt und in Deutschland keines  , aber auf der anderen Seite eben auch die zeitlichen Schienen entsprechend unterfüttern und untersetzen können.

Das Zweite, das Sie nannten, war eigentlich das Hauptthema, in das die meiste Zeit investiert wurde. Um das gleich mit abzuräumen: Zum Thema Deutschlandticket haben wir, glaube ich, eine vernünftige Lösung gefunden, die für das Jahr 2023 erst einmal Klarheit darüber bringt, was ggf. mit auflaufenden Defiziten haushalterisch gemacht wird. Dazu ist eine hälftige Übernahme durch den Bund und die jeweiligen Länder festgeschrieben, übrigens für das Jahr 2024 mit, sodass wir als Grundvolumen 3 Milliarden € zur Verfügung haben, woraus sich dann jeweils 1,5 Milliarden € für den Bund und 1,5 Milliarden € für die Länder ergeben. 

Wie gesagt, für den Fall, dass dieses Geld nicht ausreicht und die Leistungserbringer dann in der Spitzabrechnung die entsprechenden Zahlen präsentieren, werden wir diese Beträge decken. 

Die jetzigen Prognosen sind so, dass das, haushalterisch gesehen, sagen wir einmal, kalkulierbare Risiken sind, für die wir entsprechende Vorkehrungen getroffen haben. In unserem Haushaltsplanentwurf finden wir an zwei Stellen entsprechende Möglichkeiten, die Frau Dr. Hüskens schon vorgesehen hat, sodass dieses Ticket nicht nur weiterhin finanziert ist, sondern auch Planungssicherheit für die Leistungserbringer bzw. für die Auftraggeber damit verbunden ist, wenn es sich z. B. um Kommunen handelt, die im Rahmen z. B. des Schülerverkehrs als Vertragspartner sicher sein müssen, dass sie nicht auf ihren Rechnungen und den Defiziten sitzen bleiben. Das wird nicht der Fall sein. 

Ich glaube - das ist auch die Botschaft  , zur Energiewende und zur Klimapolitik Deutschlands gehört auch eine Mobilitätswende, die als eine Komponente eben aufweist, mehr Transporte über den öffentlichen Personennahverkehr zu erbringen. Das ist, denke ich, aus dieser Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler ein wesentlicher Ertrag. 

Jetzt zur Problematik der Migrationsbewältigung. Wir kennen die Zahlen. Wir haben allein im Monat Oktober 2023 bis zum Stichtag 31. Oktober bundesweit 33 500 Asylanträge zu verzeichnen. Das ist der höchste Wert seit dem Jahr 2016 für diesen Monat. Das ist nur ein Monat. Wir können das dann saldieren. 

Das heißt, wir haben derzeit eine Situation, die, sagen wir einmal, mindestens von der quantitativen Herausforderung her mit den Spitzenwerten 2015/2016 vergleichbar ist, aber mit dem Unterschied, dass sich ein Großteil der damals angekommenen Personen nach wie vor in Deutschland befindet, dass wir, was die Unterbringungskapazitäten anbelangt, in Sachsen-Anhalt schlicht und einfach bei dem, was wir für sozial akzeptabel und menschenwürdig erachten, ausgelastet sind. Es werden - ich habe mit den Landräten zusammengesessen - kaum noch Möglichkeiten gesehen, zusätzliche adäquate Unterbringungsmöglichkeiten zu finden und dann auch zu nutzen. 

Dass wir da gemeinsam - der Bund und die Länder - in der Verantwortung stehen, ist klar. Das ist dieses Mal unbestritten, einschließlich auch der Überlegung, welche Effekte dazu beitragen, dass es nach wie vor diese hohen Migrationsbewegungen gibt. 

Wir kennen alle Konflikte, die gegenüber den Jahren 2018, 2019 und 2020 zusätzlich dazu beitragen. Aber wir sehen eben auch die sehr geringe Anzahl derjenigen, die zu uns kommen, die wirklich nach Artikel 16 des Grundgesetzes und entsprechenden gesetzlichen Untersetzungen Asylrecht eingeräumt bekommen und damit also auch Bestätigung erfahren. Alles andere läuft entweder über die Genfer Flüchtlingskonvention bzw. ist eine Duldung, die dann endet, wenn die Bedingungen aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland und des Auswärtigen Amtes so sind, dass eine Rückführung möglich ist. 

Das ist, wie gesagt, auch die Grundlage dafür gewesen, dass wir in gewisser Weise den Instrumentenkatalog, den wir als Staat zur Verfügung haben, noch einmal sehr stark durchgearbeitet haben und entsprechende Überlegungen angestellt haben, wie wir dieses Thema bewältigen. 

Das Erste ist - das können wir auch in Richtung der Kommunen kommunizieren  : Der Haushaltsansatz, der für 2024 ursprünglich mit 1,25 Milliarden € als Unterstützung durch den Bund geplant war, ist deutlich, auf insgesamt 3,5 Milliarden €, erhöht worden, und zwar nicht durch Wegnahme an anderer Stelle im Bundeshaushalt - der befindet sich gegenwärtig ebenfalls in der parlamentarischen Behandlung; darauf kann nicht beliebig zugegriffen werden  , sondern weil wir dieses Geld durch eine Verschiebung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die bisher existiert haben, verändert sehen wollen, und zwar gemeinsam. Das heißt, wir nehmen dieses Geld aus dem System durch Veränderung der Rahmenbedingungen, etwa Fristen, die bisher bestanden, und Leistungsgewährungen, die damit einhergingen. 

Ich mache das an einem Beispiel fest: Bisher ist - unabhängig davon, wie weit das Feststellungsverfahren beim BAMF ist - der Übergang aus dem Asylbewerberleistungsgesetz normalerweise nach 18 Monaten vollzogen worden. Damit waren dann ein anderer Leistungsbezug und auch andere Sozialleistungen und Krankenkassenleistungen verbunden. Das hat über die Jahre hinweg viele Milliarden Euro gekostet. Dieser Zeitraum ist in unserem Protokoll einvernehmlich auf 36 Monate festgelegt worden, wohl wissend, dass dazu, auch mit anderen Dingen verbunden, gesetzgeberische Aktivitäten durch die Bundesregierung erfolgen müssen. Das heißt, wir müssen also, wenn wir von 18 auf 36 Monate verlängern, an das Asylbewerberleistungsgesetz herangehen. 

Wir als Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen konnten als Kollegium, wenn man so will, nur zusagen, dass das den Bundesrat durchlaufen wird. Das war eine Sache, die, wie auch die anderen Dinge, mit 16 : 0 vereinbart worden ist, also parteiübergreifend. Wir haben innerhalb unserer Kollegenschaft fünf unterschiedliche Parteifarben; demzufolge ist das einvernehmlich so bestätigt worden.

Damit wird, wie gesagt, an dieser Stelle Geld frei für die Kommunen. Der Verteilschlüssel und alles, was damit einhergeht, muss jetzt besprochen werden; denn die Mittel in Höhe von 1 Milliarde €, die schon vor Monaten für das Jahr 2023 zusätzlich zugesagt waren, sind noch immer nicht angekommen. Dazu haben wir aber die klare Zusage des Bundesfinanzministers, dass das Geld im Dezember ankommt. Das bewegt sich bei uns dann in der Größenordnung von 26 Millionen €, 27 Millionen €. Wir müssen sehen, was dann in der Spitzabrechnung nach dem Königsteiner Schlüssel bei uns zu Buche schlägt. Aber es geht, wie gesagt, um das Jahr 2024. Wir haben jetzt also mit ungefähr 3,5 Milliarden € die Verfügungsmasse für die Kommunen deutlich erhöhen können. Ich denke, das ist auch gut so. 

Was ebenfalls mit 16 : 0 festgestellt wurde - das muss man immer wieder sagen; darüber gibt es inzwischen keinen Dissens mehr , war die Wirkung bestimmter - ich sage es bewusst mit diesem Begriff - Pullfaktoren. Die Bargeldzahlung ist ein eigenes Thema, nicht nur politisch, sondern auch real finanztechnisch. Das ist über viele Jahre hinweg beobachtet worden. 

Wenn man Entwicklungshilfe machen will, dann muss man das über den direkten Weg tun. Dafür haben wir ein eigenes Entwicklungsministerium auf der Bundesebene. Die entsprechenden Mittel müssen in den Haushalt eingestellt werden. Aber dies unter Nutzung von Sozialleistungen, sozusagen mittelbar, zu tun, das ist, denke ich, der falsche Weg, und das hilft auch nicht in den eigentlichen Problembereichen, die in den Entwicklungsländern unterstützt werden müssten. 

Wir haben uns daher darauf verständigt, dass eine Arbeitsgruppe sofort die Arbeit aufnimmt, an der der Bund sich, abweichend von der bisherigen Artikulation, beteiligen wird, damit wir zu einem einheitlichen Verfahren kommen. Wir werden das auch nicht besonders komplex machen. Das war die Thematik, an der schon der Deutsche Sparkassenverband gearbeitet hat: Welche Leistungen sind darin? Welche Waren und Produkte kann man kaufen? Was muss herausgenommen werden und was machen im Prinzip die Anbieter in den Verkaufseinrichtungen und Ketten mit solchen komplexen Herausforderungen?

Bargeldzahlung wird im Prinzip nicht mehr vorgenommen werden, sondern es wird mit Karte bezahlt, ohne Produkteingrenzung. Auch das notwendige und gerichtlich festgestellte Taschengeld kann dann mit dieser Karte - so die technische Vorstellung, die wir haben - abgehoben werden, sodass wir diesen Pullfaktor, zumindest diese eine Komponente, in den Griff bekommen. Wer alles darauf kapriziert, der ist sicherlich fachlich falsch unterwegs. Aber das ist eine wesentliche Komponente, die wir auch aus der politischen Situation heraus, die wir im Blick behalten müssen, anders gestalten sollten. Das haben wir uns mit 16 : 0 auch vorgenommen. 

Was Frau Faeser - damit will ich enden - 

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Drei Minuten!)

klar zugesagt hat, ist Folgendes     

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Wir haben eine Geschäftsordnung und darin steht: drei Minuten! - Minister Sven Schulze: Aber das ist wichtig!)

- Dann muss ich sagen, ich arbeite Ihnen das schriftlich zu. 

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Es ist so! Drei Minuten!)

- Okay. - Herr Präsident, ich würde das dann beenden. Wenn noch etwas ist, kann man sich an mich persönlich wenden.