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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 19

Erste Beratung

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes

Gesetzentwurf Fraktion AfD - Drs. 8/1841


Einbringer für die Fraktion der AfD ist der Abg. Herr Scharfenort. Bitte sehr.


Jan Scharfenort (AfD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Heute liegt Ihnen ein konkreter Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Änderung des § 137 Abs. 1 des Kommunalverfassungsgesetzes (KVG) vor. Damit möchten wir erreichen, dass der Landesrechnungshof Kommunen mit weniger als 25 000 Einwohnern proaktiv prüfen darf. Warum? Hören Sie zu! Es wird spannend.

Sehr geehrte Abgeordnete! Der Landesrechnungshof ist „das finanzielle Gewissen des Landes und zählt damit zu den tragenden Säulen unserer Demokratie“ - Wolfgang Böhmer. Oberstes Ziel des Landesrechnungshofs ist die Vermeidung von Steuergeldverschwendung. Er arbeitet damit im Interesse der Bürger, und die Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die von ihnen hart erarbeiteten Steuergelder sparsam und sachgerecht eingesetzt werden. Zur Prüfung, wie staatliche Stellen diese Steuergelder verschwenden, Pardon: verwenden, ist der Landesrechnungshof berufen. Die Regierungsfraktionen haben das erkannt und bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. In der Zeile 4 078 heißt es: „Die Prüfungszuständigkeiten im KVG (§ 137 Abs. 1) haben sich bewährt und sind ausreichend.“

Wenn Sie sich an die Schule erinnern, „ausreichend“ entspricht der Note 4. Hinsichtlich der bürgerfeindlich hohen Steuern ist „ausreichend“ nicht akzeptabel und hinnehmbar. Die Bürger haben etwas Besseres verdient. Wer schon eine der höchsten Steuern in der Welt zahlt, der hat mindestens einen Anspruch darauf, dass der Umgang mit diesem Steuergeld akribisch geprüft wird.

Das Problem ist, der Rechnungshof darf in den meisten Fällen erst gar nicht prüfen, nämlich Kommunen mit weniger als 25 000 Einwohnern, und das sind 89 % aller Kommunen in Sachsen-Anhalt.

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

Sie werden jetzt sicherlich sagen, die Rechnungsprüfungsämter prüfen doch. - Richtig. Allerdings tun sie das nicht unabhängig. Warum? - Schauen wir einmal in das Gesetz. In § 139 KVG - Rechtsstellung des Rechnungsprüfungsamtes - Abs. 1 Satz 1 heißt es: „Das Rechnungsprüfungsamt ist bei der Erfüllung der ihm zugewiesenen Prüfungsaufgaben unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.“ - So weit, so gut.

In Satz 2 heißt es: „Es untersteht im Übrigen dem Hauptverwaltungsbeamten unmittelbar.“ - In der Regel dem Landrat. Also doch nicht so unabhängig,

(Rüdiger Erben, SPD: Aber der ist doch gewählt!)

auf jeden Fall nicht wie der Landesrechnungshof, nicht wahr?

(Zurufe von der SPD)

Aber wenn die Regierungsfraktionen diese Problematik erkannt haben und ausgerechnet das in der Koalitionsvereinbarung vom September 2021 aufführen, dann war man offensichtlich der Ansicht, dass sich an der Zuständigkeit auf keinen Fall etwas ändern sollte. Es fragt sich, wieso.

(Rüdiger Erben, SPD: Lesen bildet!)

- Bitte?

(Rüdiger Erben, SPD: Lesen bildet!)

- Eben. Dann hören Sie einmal gut zu! - Die Frage beantwortet sich von selbst, wenn man sich die Berichte des Landesrechnungshofes aus den Jahren 2021 oder 2020 vor Augen führt. Schauen wir uns deshalb einmal den Jahresbericht des Landesrechnungshofs von 2021 an. Die grundlegende Lage beschreibt sich am besten mit diesem Zitat: Der Landesrechnungshof stellt - wie schon im Kommunalbericht 2020 - fest, dass es dem Land nicht gelungen ist, mithilfe seiner Kommunalaufsicht und der ihr zur Verfügung stehenden aufsichtsrechtlichen Mittel notwendige und nachhaltige Veränderungen in den Kommunen zu unterstützen und durchzusetzen. - Das klingt schon einmal sehr problematisch.

Aber schauen wir genauer hin und nehmen einige Beispiele unter die Lupe: Die Stadt Halle schaffte es in drei Jahren jeweils nur über eine Nettokreditaufnahme, ihre laufenden Verwaltungsausgaben zu decken. Das ist so, als würde ein Privathaushalt seine laufenden Kosten, z. B. Miete, über einen Kredit finanzieren.

(Rüdiger Erben, SPD: Aber die werden doch geprüft!)

Aber es kommt noch schlimmer. Schon die Überschrift     

(Rüdiger Erben, SPD: Keine Ahnung!)

- Ganz ruhig bleiben. Sie können gern etwas dazu sagen.

(Rüdiger Erben, SPD: Nein, ganz sicher nicht! - Zurufe von der SPD)

- Sie werden Ihre Gründe haben. - Ich fahre fort: Schon die Überschrift „Sülzetal - Kommunale Selbstverwaltung an ihren Grenzen“ - fasst das Folgende gut zusammen. Zitat: Bei der erstmaligen Prüfung - hier war es dem Landrat wohl zu heiß - einer Gemeinde mit weniger als 25 000 Einwohnern durch den Landesrechnungshof wurden schwerwiegende Mängel festgestellt. Und weiter heißt es: Bei den geprüften Vergabevorgängen waren die Dokumentation der Vorgänge in den Akten und die Aktenhaltung sowie Schriftgutverwaltung mangelhaft. In vielen Fällen waren Akten oder Teile davon im Archiv nicht mehr auffindbar. - Das muss man sich einmal vorstellen. Das sind Zustände wie in einem Entwicklungsland.

Aber es wird noch schlimmer: Des Weiteren stellte der Landesrechnungshof hinsichtlich der Abwicklung des PPP-Vertrages zur Gesamtschule Sülzetal fest, dass es die Gemeinde seit mehr als zehn Jahren versäumt hat, rechtssicher zu klären, wer ihr Vertragspartner für die Betreibung der Gesamtschule ist. - Unglaublich! Der Landesrechnungshof kam zu Aussagen wie: Die Gemeinde hat im Prüfungszeitraum den Grundsatz des Haushaltsausgleichs in allen Haushaltsjahren verletzt.

Glauben Sie bitte nicht, dass wir am Tiefpunkt sind. Da geht noch was: Von den 64 geprüften Tarifbeschäftigten waren 55 Personalfälle - 86 % - zu beanstanden. Die Gemeinde zahlte zwei Beschäftigten Entgelt ohne ausreichende haushaltsrechtliche Ermächtigung. Die im Stellenplan ausgewiesenen Stellen wiesen nicht die Entgeltgruppen aus, nach denen die Bezahlung erfolgte. Die Gemeinde Sülzetal veranlasste jährlich 1,25 Millionen € Personalausgaben, ohne über die für ihre Zahlung erforderlichen Unterlagen zu verfügen. Das ist kriminell, meine Damen und Herren. Wie kann das Land solche Umstände dulden?

Im Hinblick auf diese Mängel, die in vielen anderen Kommunen ebenso zu erwarten sind, ist eines klar: Man ist an der Prüfung dieser - aus welchen Gründen auch immer - nicht interessiert. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag lautet: Die Prüfungszuständigkeiten im KVG haben sich bewährt und sind ausreichend. - Wie bitte? Das ist angesichts der vom Landesrechnungshof beschriebenen Zustände allein in der Gemeinde Sülzetal grotesk und ein schlechter Witz. Ich frage mich: Steckt Absicht dahinter, etwa die Parteigenossen in den Kommunen nicht zu beschädigen? Wir alle wissen, dass es für die Erweiterung der Prüfrechte eine deutliche Mehrheit in diesem Haus und auch in der Koalition gibt. Wir wissen auch, es liegt allein an der SPD.

Sie alle sind Abgeordnete der Bürger Sachsen-Anhalts. Sie dürfen die vom Landesrechnungshof ermittelten Zustände nicht weiter mittragen. Eine Beseitigung dieser ist nur möglich, wenn die Prüfungskompetenz des Landesrechnungshofs ausgeweitet wird.

Sehr geehrte Abgeordnete! Es besteht im vorliegenden Fall eine dringende Pflicht zum Handeln. Dabei gibt es keine zufriedenstellende Alternative zu unserem Antrag. Mit unserem Gesetzentwurf erinnern wir die Kommunen an den verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Hilfsweise beantragen wir die Überweisung zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Finanzausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)