Markus Kurze (CDU):
Frau Präsidentin, vielen Dank. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! 68 % der Bürger in Deutschland waren gegen die Einführung des Bürgergeldes, auch Städte, Landkreise und Handwerksverbände. Sie alle werden sich noch an die vorhin schon angerissene Debatte im alten Jahr erinnern. Heute sagen 59 % der Sachsen-Anhalter, das Bürgergeld ist zu hoch. 62 % sagen, sie sind gegen die Erhöhung. 73 % sind für härtere Sanktionen.
(Zustimmung bei der CDU)
Das haben wir uns nicht ausgedacht, meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat der MDR kürzlich im Rahmen seiner sehr großen Umfrage bei 27 000 Teilnehmern abgefragt.
Bürgergeld, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll den Menschen helfen, die wirklich Unterstützung brauchen. Der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft kann nur gesichert werden, wenn deutlich mehr Menschen im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten.
(Zurufe von der AfD: Richtig! - Jawohl!)
Warum auch nicht? Wenn ich eine Leistung bekomme, warum soll ich dann keine Gegenleistung erbringen?
(Lothar Waehler, AfD: Jawohl!
Die Frage der gemeinnützigen Arbeit steht nicht ohne Grund im Raum.
(Zustimmung bei der CDU)
Fördern und fordern mit dem Ziel, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, das ist unsere Maxime. Echte Motivationsschübe aus dem Bürgergeld, um in tägliche Arbeit zu gehen, sind derzeit kaum erkennbar,
(Lothar Waehler, AfD: Richtig!)
eine Aufwertung von täglicher Arbeit ebenso wenig.
Frau Hohmann, ich habe extra nachgeschaut. Manchmal kommt es auf das Komma an. Wir haben gesagt, wir wollen das Bürgergeld reformieren. Genau das will ich mit der Rede heute auch deutlich machen.
(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP - Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)
Herr Pott hat die Dinge bereits benannt, die gut funktionieren: die Ausbildungsanreize, die Weiterbildungsanreize. Man muss schon sagen, diesbezüglich hat sich etwas entwickelt, aber bei vielen anderen Dingen nicht. Aber dazu will ich jetzt noch im Detail kommen. Wir erleben nämlich durch die Ampelregierung im Bund eine Deindustrialisierung und eine Vernichtung
(Lothar Waehler, AfD: Jawohl!)
unseres Wohlstandes in Deutschland, wie wir das in den letzten 30 Jahren nicht zur Kenntnis nehmen konnten. Was in den letzten zwei Jahren in verschiedenen Branchen passiert ist, das kann einem schon Angst machen.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Reden Sie doch nicht das Land schlecht, Herr Kurze!)
- Nicht ohne Grund, Herr Striegel, sind mehr als 60 % der Menschen in Deutschland besorgt über die Zukunft. Wenn man jetzt - darüber haben wir heute früh schon diskutiert - auch die Geschichte wieder etwas betrachtet, dann kann man erkennen, dass uns die Situation momentan an Geschichte erinnert, und zwar an frühere Hochkulturen, z. B. das Römische Reich: Es hat irgendwann auf dem Zenit angefangen, leichtsinnig, selbstgefällig und dekadent zu werden.
(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)
Man lebte im Luxus und vernachlässigte das eine oder andere. Genau das kann man momentan erkennen. So, wie Rom unterging, gingen auch die Chinesen, die Inkas und die Griechen an ihrer eigenen Selbstgefälligkeit unter.
Guido Westerwelle -
(Olaf Meister, GRÜNE: Ja!)
ich habe das im Plenum auch schon einmal betont - hat zu Lebzeiten im Jahr 2010 nicht ohne Grund diese spätrömische Dekadenz angeprangert,
(Zustimmung von Sven Rosomkiewicz, CDU)
was am Ende übersetzt heißen sollte: Anstrengungslosen Wohlstand kann es nicht geben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Er erhielt damals von dem linksgrünen Lager harte Kritik. Man fragt sich warum. Vielleicht, weil sie sich mit dem Römischen Reich wenig auskannten. Vielleicht auch, weil sie sich mit der Lebenswirklichkeit damals und heute - wir erleben jetzt wieder dieselbe Kritik - scheinbar nicht auseinandersetzen.
(Zustimmung bei der CDU)
Das ist 13 Jahre her und aktueller denn je.
Haben wir nicht das Gefühl, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass irgendetwas nicht stimmt in unserem Land? Schauen uns einmal um: Die Infrastruktur wird maroder, die Bahn kommt kaum noch pünktlich an, im Sport klappt manches nicht mehr, seit Längerem schon sind Behörden überfordert, Planungsverfahren dauern Jahrzehnte, Gaststätten schließen, das gesellschaftliche Leben verändert sich, Fach- und Arbeitskräfte fehlen an allen Ecken und Kanten.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Unter anderem, weil ihr das mit der Migration nicht auf die Reihe bekommen habt! - Lothar Waehler, AfD: Mensch, Herr Striegel! Sie haben noch nie gearbeitet in Ihrem Leben!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht ohne Grund hat ein SPD-Landrat aus Mecklenburg-Vorpommern, der kürzlich aus der SPD ausgetreten ist, ganz klar gesagt: Der wichtigste Grund war, dass immer stärker spürbar wird, dass man diese Unzufriedenheit in der Regierung nicht sieht, dass man weiter einen gesinnungspolitischen Kurs verfolgt. Genau das ist der Fehler, dem wir alle momentan in Berlin aufsitzen. Das ist unser Problem. Deshalb verändert sich unser Land nicht unbedingt eine positive Richtung.
Wir haben vorhin von unserer Ministerin Beispiele gehört. Sie hat Dinge in einer Auflistung nebeneinandergestellt und kam am Ende zu dem Schluss, dass man einen Unterschied erkennen kann zwischen denen, die auch für Mindestlohn arbeiten gehen, und denen, die das Bürgergeld empfangen.
Die „Volksstimme“ hat am 19. Oktober eine gute Nebeneinanderstellung - ich empfehle allen, sich diese Tabelle anzuschauen - gezeigt. Die „dpa“ hat noch ein Bild hinzugefügt. Man konnte ganz klar erkennen: Wenn man die weiteren Leistungen, die eine Familie neben dem Bürgergeld für Schulbedarf, Kita-Beitrag, Bildung und Teilhabe, Mittagessen, Ausflüge und Rundfunkbeitrag bekommt, auf das Bürgergeld draufrechnet und diese Leistungen bei denjenigen Familien, die für Mindestlohn arbeiten, abzieht und vielleicht auch das Auto und den ÖPNV mit einrechnet, dann stellt man fest, dass beide Familien bei 2 000 € landen.
(Zuruf von Ministerin Petra Grimm-Benne)
Die einen bekomme sie für Arbeit, die anderen eben für das Nicht-Arbeiten.
(Zurufe von Ministerin Petra Grimm-Benne und von der AfD)
Das ist der große Unterschied. An diesen Punkt müssen wir heran, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Ministerin Petra Grimm-Benne: Nein! Das ist falsch!)
Ich kann Ihnen die Tabelle nachher zeigen. Wenn man es durchrechnet, dann kommt man genau kommt man genau zu diesem Ergebnis.
129 000 Menschen in Sachsen-Anhalt beziehen Bürgergeld. Das sind 6 % der Gesamtbevölkerung. 35 000 Menschen davon sind in unserem Land - gut 27 % - Ausländer. Die meisten Bürgergeldempfänger leben bei uns in den Städten. Im Jerichower Land sind es 4,7 %. Wenn man Halle daneben betrachtet, dann stellt man fest, dort sind es 7,9 %.
In ganz Deutschland haben wir 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger zu verzeichnen. Dazu kommen 2,6 Millionen Arbeitslose. Das ist eine Situation, meine sehr verehrten Damen und Herren, die mutige Strukturreformen erfordert. Wir haben uns in Deutschland im Klimaschutz, in der Energieversorgung und bei der Migration momentan völlig verrannt.
(Zustimmung von Nadine Koppehel, AfD - Zuruf von der AfD: Genau!)
Seit der Energiewende haben sich die Energiekosten für unsere Menschen, für unsere Firmen, unsere Handwerker wahnsinnig verteuert, alle. Sie können, wenn wir in Deutschland 2,6 Millionen Arbeitslose zu verzeichnen haben, niemandem mehr vermitteln, dass in jeder Branche ein Arbeitskräftemangel vorherrscht, und wir gleichzeitig 5,5 Millionen Menschen im Bürgergeld haben. Das geht nicht.
(Beifall bei der CDU und bei der AfD)
Wenn wir ehrlich sind - es ist so, darüber wurde heute auch schon diskutiert , dann stellen wir fest, die Migration hilft uns in dieser Schnelligkeit, wie sie stattfindet, dabei momentan nicht. Sie überfordert unser Land an der einen oder anderen Stelle. Den Kommunen fehlt nicht nur Geld. Vielmehr haben sich auch Extremismus, Antisemitismus anders entwickelt, als das früher der Fall war. Auch Homophobie und Frauenfeindlichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, zählen dazu.
Auch die ukrainischen Flüchtlinge wurden schon angesprochen. Es ist schon komisch, dass in Dänemark zwei Drittel der ukrainischen Flüchtlinge arbeiten. In Polen arbeiten so viele, dass sie mehr arbeiten, als der Staat Polen für Hilfe aufbringt. Bei uns haben wir die Zahl zu verzeichnen, dass nur ein Fünftel der Geflüchteten in Arbeit sind.
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Das macht die Menschen vor Ort auch nachdenklich, das sicherlich auch aus gutem Grund. Es ist unsere Aufgabe hier im Parlament zu hören, was die Menschen draußen sagen
(Guido Kosmehl, FDP: Dann macht doch mal was! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Lösungen anbieten ist Ihre Aufgabe, Herr Kurze! Lösungen!)
und was sie beschäftigt.
(Beifall bei der CDU und bei der AfD)
Es ist unsere Aufgabe, ehrliche Antworten zu geben.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Lösungen und nicht nur dummes Zeug reden!)
- Herr Striegel, mit Ihrem Dazwischenbrüllen disqualifizieren Sie sich jedes Mal erneut.
(Starker Beifall bei der CDU und bei der AfD)
Ihre Aggressivität im Parlament
(Sebastian Striegel, GRÜNE, lachend: Unglaublich!)
tut den Problemen nicht gut und tut dem Parlament nicht gut. So ist das.
(Beifall und Jawohl! bei der AfD)
Der bekannte Ökonom
(Guido Kosmehl, FDP, lacht)
Milton Friedman sagte einmal: „Man kann nicht gleichzeitig freie Einwanderung und einen Wohlfahrtsstaat haben.“ - Das kann man im „Cicero“ nachlesen. Ich will meine Quellen benennen.
Wenn wir uns unseren Sozialstaat anschauen, dann stellen wir fest: Wir brauchen eine geregelte und gezielte Einwanderung, die am Ende auch kontrolliert wird. Anderenfalls ruinieren wir nicht nur den Sozialstaat. Um mit Scholl-Latour zu antworten - er hat auch ein gutes Zitat gebracht : Du machst Kalkutta nicht besser, indem du Kalkutta zu dir holst. - Wir brauchen Regeln und Normen. An diese müssen sich alle halten, die in unserem Land leben.
Wir geben aus dem Bundeshaushalt 44 Milliarden € für Bürgergeld aus. Das sind 9 % der Gesamtausgaben. Die Weltbank hat uns jetzt einmal aufgeschrieben, dass in den letzten zehn Jahren von 2010 bis 2022 insgesamt 221 Milliarden US-Dollar in die Herkunftsländer überwiesen wurden.
(Zuruf von der AfD: Wahnsinn!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen eine aktivierende Sozialpolitik. Wir brauchen ein Existenzminimum, das man sichert. Aber wir arbeiten geht, der muss auch mehr übrigbehalten. Wir brauchen eine bessere Sozialpolitik. Das Geld, das wir haben, müssen wir unter anderen Bedingungen einsetzen. Denn wir wollen nicht das italienische Modell; das sage ich ganz klar. Aber ein fast sanktionsloses Bürgergeld ist die Einladung zu Nichtarbeit. Das können wir nicht mittragen.
(Zustimmung bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank.
Markus Kurze (CDU):
Ich komme zum Ende meiner Rede, Frau Präsidentin. - Das Fazit ist: Leistung wird oftmals nicht belohnt, sondern vielmehr bestraft. Momentan melden sich ganze Branchen ab. Wer es noch nicht weiß: Die Reinigungsbranche meldet sich komplett ab vom Markt, weil die Leute sich für das Bürgergeld angemeldet haben. Auch das haben wir damals im November schon kritisiert.
Wir brauchen eine Abkehr von dieser Work-Life-Balance-Kultur in unserem Land.
(Zuruf von Kerstin Eisenreich, DIE LINKE)
Leistung muss sich wieder lohnen.
(Zustimmung bei der CDU)
Wenn sich Leistung wieder lohnt, dann haben auch unser Sozialstaat und die soziale Marktwirtschaft eine Zukunft. - Vielen Dank.
(Starker Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Kurze. Es gibt drei Fragen, und zwar von Herrn Kosmehl, von Frau Pähle und von Frau Hohmann.
(Oh! bei der AfD)
Die Ministerin Frau Grimm-Benne möchte nach ihnen auch noch sprechen. Die Fragen lassen Sie zu?
Markus Kurze (CDU):
Wenn wir uns kurzfassen, dann auf alle Fälle.
(Lachen bei der CDU und bei der FDP)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Die Bedingung können Sie nicht stellen, aber wir kennen die parlamentarischen Gepflogenheiten. - Herr Kosmehl, bitte.
Guido Kosmehl (FDP):
Offensichtlich, lieber Kollege Kurze, muss sozusagen einmal in jeder Plenarsitzung ein Rundumschlag seitens der CDU gegen die Ampel erfolgen.
(Beifall bei der CDU - Zuruf von Marco Tullner, CDU)
Ich will Sie deshalb fragen, weil der Minister
(Zuruf von Marco Tullner, CDU)
- Ach, Herr Tullner, letzte Reihe.
(Lachen bei der AfD - Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Ich will nur einmal eine Frage stellen. Der Ministerpräsident ist gerade nicht im Raum. Aber ich weiß, dass Herr Kurze einen sehr guten Draht zum Ministerpräsidenten hat. Der Ministerpräsident unseres Landes, unser gemeinsamer Ministerpräsident hat die Verabschiedung der Bürgergeldreform im Bundesrat als Sternstunde der Demokratie bezeichnet, auch nach dem Vermittlungsausschuss. Das Land Sachsen-Anhalt hat zugestimmt.
Ich möchte Sie fragen, ob die Landtagsfraktion einen Dissens zum Ministerpräsidenten hat. Erste Frage. Die zweite Frage würde ich gern auch Ihnen stellen: Wie hoch sollte aus Ihrer Sicht der Satz sein? Wie sollte die Berechnung des Satzes des Bürgergeldes, das eine Weiterentwicklung des Hartz IV-Satzes ist, aus der Sicht CDU sein? Oder kann ich Ihrer Anzeige aus der Zeitung entnehmen, dass Sie eigentlich nur eine Gegenleistung wollen?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kosmehl, eine kurze Frage. - Herr Kurze, bitte.
Markus Kurze (CDU):
Lieber Herr Kosmehl, unser Ministerpräsident spricht und arbeitet für unsere gesamte Regierung und für unser gesamtes Land. Wir als CDU-Fraktion,
(Dr. Falko Grube, SPD: Nicht! - Lachen)
genau wie Sie als FDP-Fraktion, wie die SPD-Fraktion und ich könnte noch verschiedene aufzählen, arbeiten gemeinsam an verschiedenen Zielen.
(Dr. Falko Grube, SPD, Rüdiger Erben, SPD, Olaf Meister, GRÜNE, und Sebastian Striegel, GRÜNE, lachen)
Aber am Ende geht es in den Aktuellen Debatten darum - Sie als langjähriger parlamentarischer Geschäftsführer werden wissen, wozu Aktuelle Debatten da sind ,
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)
dass jede Partei aus ihrem eigenen Profil
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie müssen einmal Lösungen anbieten!)
- Herr Striegel - zeigen kann, wie sie zu dieser Problematik steht. Das ist unser Standpunkt, den wir an dieser Stelle klar und deutlich machen, der uns von anderen unterscheidet. Unser Ministerpräsident hat eine gewisse Neutralität, die er ausstrahlt. An dieser Stelle muss er natürlich so agieren, wie er agiert. Dabei liegen wir beide nicht im Dissens.
(Beifall bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Pähle, bitte.
(Rüdiger Erben, SPD: Markus, da musst du selber lachen! - Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD - Unruhe - Lachen)
Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Kollege Markus Kurze, ich habe zwei Fragen. Ich spreche erst einmal den versierten Sozialpolitiker an; denn das waren Sie über viele, viele Jahre hinweg in der CDU-Fraktion, d. h. ich gehe davon aus, dass Sie wahrscheinlich viel besser als andere genau wissen, wie die Situation im Bereich jetzt Bürgergeld früher Hartz IV und anderer staatlicher Unterstützungsangebote tatsächlich ist.
Deshalb ist meine erste Frage an Sie, ob Sie, wie ich, der Meinung sind, dass gerade im Bereich der Geringverdiener das alleinige Arbeitsentgelt selten das Haushaltseinkommen widerspiegelt; denn an vielen Stellen gibt es einen Anspruch auf Leistungen wie Wohngeld, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket. Deshalb sind Zahlen, die allein auf den Nettoverdienst abzielen, oftmals nicht zielführend, wenn man die anderen Sachen nämlich bewusst herauslässt. - Das ist die erste Frage an Sie.
(Unruhe)
Die zweite Frage, die sich daran anschließt:
(Zuruf von Felix Zietmann, AfD - Unruhe bei der AfD)
Wir haben in diesen Debatten auch von Ihnen etwas über die Entwicklung des Mindestlohns gehört. Ich möchte wissen, ob Sie die Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung Prof. Marcel Fratzscher teilen, dass durch die Anhebung des Mindestlohnes und des Bürgergeldes,
(Lothar Waehler, AfD: Das ist doch keine Frage! - Zurufe von der AfD: Wie lautet jetzt die Frage? - Die hält ja einen Vortrag! - Unruhe)
sich die Abstände zwischen beiden kaum verändert haben, sondern dass wir quasi in beiden Bereichen - sowohl beim Bürgergeld als auch beim Mindestlohn - dafür gesorgt haben, diese tatsächlich in Sicherung zu bringen und wir dabei nicht das Lohnabstandsgebot verletzt haben? - Vielen Dank.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kurze, bitte.
Markus Kurze (CDU):
Liebe Frau Dr. Pähle, es ist in der Tat so, dass der politische Wille und das, was am Ende dabei herauskommt, manchmal nicht ganz so im Einklang sind. Wenn man sich nun die Zahlen anschaut - man kann sie sich auf der einen Seite so herum legen oder anders herum legen , dann kommt man aber trotzdem darauf, dass es am Ende - es gibt sicherlich ganz viele Menschen, die diese Hilfen unbedingt brauchen , aber auch Menschen gibt, die genau an der Kante liegen. Die liegen mit 3 € darüber. Sie bekommen deswegen die verschiedensten Leistungen nicht und haben am Ende deutlich weniger für eine Vollzeitstelle, für 40 Stunden Arbeit in der Woche übrig.
(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)
Es geht darum, Anreize zu schaffen. Für uns fehlen die richtigen Anreize, um wirklich daraus zukommen. An dieser Stelle müssten vielleicht die Abstände - darin gebe ich Ihnen Recht - wieder etwas größer werden. Aber es steht im Grundgesetz: Wir wollen ein Existenzminimum sichern. Das heißt aber nicht, dass wir alle Wünsche bedienen können. Es gibt eben auch viele Menschen, die im Bürgergeld geparkt sind. Die gehen dann vielleicht auch noch - ich will keinem etwas unterstellen, aber ich hörte so etwas - schwarzarbeiten.
(Zuruf von der CDU: Nein! - Zuruf von der AfD: Nein! - Zuruf von der FDP: Nein!)
Es soll auch welche geben, die, obwohl sie es eigentlich gar nicht bräuchten, weil sie ja mit Bürgergeld finanziert werden, auch noch zur Tafel gehen.
(Zuruf von der AfD: Was!)
Das soll es wohl auch geben. Wenn man sich das alles zusammen anschaut, dann brauchen wir in Deutschland, wenn wir unseren Sozialstaat, so wie ihn unsere Gründerväter einmal aufgebaut haben, beibehalten wollen, klare Regeln und Anreize. Leistung muss sich lohnen. Dafür stehen wir ein.
(Beifall bei der CDU - Juliane Kleemann, SPD: Wir haben da Möglichkeiten!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Hohmann.
Monika Hohmann (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kurze, ich schätze Sie ja.
(Oh! bei der CDU - Lachen - Zuruf von Guido Heuer, CDU)
Ich habe es mir wirklich noch einmal extra aufgemacht: Dafür machen wir uns stark: Bürgergeld reformieren. Wir wollen Bedürftigen helfen, aber auch Leistungen einfordern.
(Zuruf: Jawohl! - Weitere Zurufe)
- Moment. Ja, ist doch alles gut. - Wir haben aber heute eine Aktuelle Debatte. Wir fassen, so wie ich es weiß, keine Beschlüsse. Ich habe Ihnen wirklich aufmerksam zugehört.
(Zuruf von der AfD: Das wollen wir hoffen!)
Jetzt will ich von Ihnen wissen, wie wollen Sie denn das Bürgergeld reformieren? Sie haben dazu nichts gesagt, was Sie ganz konkret machen wollen. Deshalb ist meine Frage: Was wollen Sie ganz konkret reformieren? Was soll an der Stelle hier passieren?
(Guido Kosmehl, FDP: Das muss dann wieder der Ministerpräsident machen! - Weitere Zurufe)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Kurze, bitte.
Markus Kurze (CDU):
Liebe Monika,
(Zustimmung - Lachen)
ich schätze das auch immer, dass wir unter den Sozialpolitikern - zum Teil ade und zum Teil noch aktiv in dem Bereich - immer wieder interessante Debatten und auch am Rande des Plenums interessante persönliche Gespräche führen, wie man Dinge vielleicht verändern kann oder eben auch nicht.
Unser Ansatz ist: Es fehlen uns die Sanktionsmöglichkeiten.
(Zuruf von Juliane Kleemann, SPD)
Es wurde zwar gesagt, es gibt Sanktionsmöglichkeiten, aber die sind begrenzt, minimal, so minimal, dass man sie am Ende auch relativ schnell hinter sich lassen kann.
Deswegen brauchen wir Sanktionsmöglichkeiten; ohne Druck, keine Leistung. Wir wissen, wie der Mensch ist. Kann er mehr nehmen? Der Kommunismus hätte ja auch nicht funktioniert. Da war ja so die Idee: Man nimmt nur das, was man braucht. Man hat ja dann in der DDR gesehen, wie die Brote für einen billigen Preis mitgenommen wurden, aber nicht um sie zu Hause zu essen, sondern am Ende landeten sie im Schweinestall. Dann wurden die Brote eben dort verfüttert.
(Unruhe)
Es funktioniert nicht. Der Mensch will immer mehr nehmen als er eigentlich muss. Deshalb: Wenn man keine Regeln und kein Gerüst schafft, dann hat man viele Möglichkeiten, um dort heraus zu schlüpfen. Deshalb wollen wir klarere Regeln - eine davon habe ich genannt , weniger Missbrauch, mehr echte Hilfe für die, die sie auch wirklich brauchen.
Diejenigen, die arbeitsfähig sind, ob schon länger hier lebend oder gerade kürzlich erst dazugekommen, müssen für ihren Lebensunterhalt arbeiten. An dieser Stelle haben wir, denke ich, genug Potenzial, das wir im Grunde genommen ansprechen können.
(Zustimmung von Nadine Koppehel, AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Das war der letzte Satz, Herr Kurze. - Frau Grimm-Benne. - Herr Kurze darf jetzt das Brett am Pult räumen.
(Lachen - Zuruf: Brett räumen!)
- Rednerpult. -