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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 31

Beratung

Zahnärztliche und kieferorthopädische Unterversorgung verhindern - Landeszahnarztquote einführen, mehr Weiterbildungsangebote entwickeln

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2805


Einbringen wird den Antrag der Abg. Herr Lange. - Herr Lange, bitte, Sie haben das Wort.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Frau Präsidentin, ich bedanke mich. - Meine Damen und Herren! Erst einmal möchte ich der Landesregierung und insbesondere der Sozialministerin meine Beachtung aussprechen -

(Ulrich Thomas, CDU, pfeift)

und das ist kein Lob. Dass Sie es geschafft haben, die Zahnärzt*innen so wütend zu machen, dass sie zu Hunderten vor dem Landtag demonstrieren, ist schon eine Leistung, aber keine gute.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Glauben Sie mir, die Zahnärztinnen und Zahnärzte hätten sich lieber um ihre Patient*innen gekümmert, anstatt zu demonstrieren.

Meine Damen und Herren! Bereits Anfang 2020 hat DIE LINKE auf das Problem der zukünftigen Unterversorgung im Land hingewiesen. Wir haben damals schon festgestellt, dass bereits Landkreise unterversorgt sind. Wir haben mehrmals die Erhöhung der Zahl der Studienplätze an der Universität in Halle gefordert. Falls Sie sich fragen, warum dieser Klassiker heute nicht im Antrag steht, kann ich antworten: Seien Sie sicher, dass das bei den Haushaltsberatungen wieder ein Thema sein wird.

Meine Damen und Herren! Wenn bis 2030 knapp die Hälfte der Vertragszahnärzt*innen und Kieferorthopäd*innen das Ruhestandsalter erreicht hat   das sind 600 Menschen  , dann droht dem Land flächendeckend eine Unterversorgung.

Nun hat ausgerechnet Herr Tullner gestern das Bild der Kassandra bemüht, wenn auch in einem anderen Zusammenhang und wohl berechtigt. Er selbst ist in verschiedenen Funktionen mitverantwortlich für den Lehrerinnen- und Lehrermangel. Ich sage immer, dass Heerscharen an Geschichtswissenschaftlern damit befasst sein werden,

(Marco Tullner, CDU: Reden wir nicht über Zahnärzte?)

wie man ein System sehenden Auges so gegen die Wand fahren konnte.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Liebe Damen und Herren von der Koalition! Liebe Landesregierung! Liebe Frau Grimm-Benne! Lieber Herr Willingmann! Lassen Sie es nicht zu, dass das gleiche Problem bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten genau so auftritt. Das ist kein Spiel; denn es geht um die Gesundheit der Menschen in unserem Bundesland.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn sich dann eine Sozialministerin hinsetzt und sagt, das sei doch der Sicherstellungsauftrag der KZV und diese solle sich doch einmal darum kümmern, dann ist das an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Deswegen gibt es erboste Briefe und Protest im Land, und zwar zu Recht, meine Damen und Herren.

Nun hatten wir eine Anhörung im Wissenschaftsausschuss, die sehr erkenntnisreich war. Wir sind auch als Fraktion in einem engen Austausch mit den Vertreter*innen, aber auch im Gespräch mit der Universität. Dabei kamen ein paar heikle Punkte und an der einen oder anderen Stelle auch leichte Differenzen zutage. Ein Vorschlag kam aber bei allen gut an, nämlich Sachsen-Anhalt durch ein gut strukturiertes Weiterbildungsprogramm attraktiv zu machen. Warum? - Studien zufolge haben die frisch ins Berufsleben entlassenen Zahnärzt*innen durchaus das Bedürfnis, sich weiterzubilden, Techniken zu verfeinern und auf dem neuesten Stand zu sein. Zudem gibt ihnen die Fallberatung mit erfahrenen Kolleginnen die Sicherheit für das, was sie dann auch tun. Darum ist die Arbeit in einem Verbund beliebt. Wir möchten mit unserem Antrag diesen Ansatz aufgreifen.

Lassen Sie uns doch unser Bundesland zu einem Land machen, in dem genau dieses Bedürfnis am besten aufgegriffen wird, und damit einen Haltefaktor schaffen. Die Uni Halle steht dafür sicherlich bereit, aber es muss politisch auf den Weg gebracht werden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In Wanzleben kann man sehen, wie erfolgreich ein medizinisches Versorgungszentrum in der Trägerschaft lokaler Zahnärzte aufgebaut wurde und wird. Das folgt genau dieser Logik, zumal das bloße Übernehmen von Praxen oder gar eine Neueröffnung für viele junge Menschen nicht attraktiv ist. Verwaltungsaufwand, Dokumentation und das hohe Risiko der Selbstständigkeit verunsichern viele junge Menschen. MVZ in kommunaler Trägerschaft oder in der Trägerschaft von Zahnärzt*innen können dafür Abhilfe schaffen. Wie wir heute aus Gardelegen gehört haben     Nein, das war nicht heute, das habe ich gestern aufgeschrieben. Es war natürlich gestern auf der Demo. Wie wir gestern aus Gardelegen gehört haben, sind die Kommunen durchaus bereit, sich auch an diesem Prozess zu beteiligen.

Meine Damen und Herren! Nicht ganz so einig ist man sich bei der mobilen Versorgung. Es gibt Stimmen, die sagen: In der Zeit, in der der Bus übers Land fährt, ist der Arzt nicht beim Patienten. Andere sehen darin durchaus die Möglichkeit, gerade ältere Menschen auf dem Land zu erreichen. Wir haben den Vorschlag aufgenommen. Lassen Sie uns darüber diskutieren.

Meine Damen und Herren! Ähnlich differenziert ist die Einstellung zur Ausbildung in Pécs. Ich fand es immer bezeichnend, dass wir nicht mehr Studienplätze an der Uni schaffen und dass sich die KZV mit einer ausländischen Universität behilft. Ich habe mich aber davon überzeugen lassen, dass damit ein großer kurzfristiger Effekt erzielt werden kann. Denn während bei uns an der Universität streng nach Numerus clausus ausgewählt wird, können in Pécs auch motivierte Landeskinder ausgebildet werden, die nicht ein Abitur von 1,0 haben, die aber trotzdem das Potenzial zu einem guten Zahnarzt oder zu einer guten Zahnärztin haben. Darum fordern wir, dass dieses Programm auch vom Land unterstützt wird.

Gleichwohl verstehe ich die Anmerkungen der Martin-Luther-Universität, dass bei uns im Studium die Wertevermittlung eine große Bedeutung hat. Das ist insbesondere mit Blick auf die älter werdende Bevölkerung wichtig. Phänomene wie Filialpraxen von Konzernen, die nur auf Gewinnmaximierung aus sind, lehnt meine Fraktion klar ab. Zum Abkassieren auf dem Rücken der Menschen sagen wir Nein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass eine Landeszahnarztquote nicht so einfach ist. Ja, drei Plätze sind nicht viel. Ich selbst gehörte nicht gerade zu den Anhängern von solchen Quoten; das habe ich hier auch öfter einmal gesagt. Gleichwohl sehen wir dort einen Effekt, wo sie praktiziert wird, nämlich bei den Landärzten. Die Not, auf die wir zusteuern, ist so groß, dass wir heute die erneute Überprüfung einer solchen Quotenregelung fordern, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch zu einem anderen Punkt in unserem Antrag hat uns die KZV natürlich schon Widerspruch signalisiert. Das war zu erwarten. Wenn aber ein Befund in der gesamten Situation ist, dass wir junge Menschen im Land ausbilden, sie dann aber dorthin gehen, wo mit privaten Leistungen mehr Geld zu verdienen ist, dann sollte dringend überprüft werden, ob die freie Niederlassung nicht durch eine Bedarfsniederlassung ersetzt werden sollte. Das ist ein heikler Punkt, ich weiß, aber die Situation ist, wie gesagt, ernst, und wir sollten alles in Betracht ziehen.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Kritikpunkt der Zahnärzteschaft ist, dass ihre Vorschläge nicht aufgenommen werden und dass sie in Entscheidungsprozesse nicht einbezogen wird. Das kann durch kluge Kommunikation und das Annehmen der politischen Aufgabe schnell verändert werden, wenn denn die Sozialministerin es so möchte. Trotziges Wegdrehen und das Zeigen mit dem Finger auf andere nutzen dabei nichts, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wie gesagt, die Lage ist ernst und bis 2023 sind es nur noch sieben Jahre     Bis 2030, Entschuldigung. Das habe ich falsch aufgeschrieben und dann auch noch doof vorgelesen.

(Holger Hövelmann, SPD: Wir passen auf!)

Also noch einmal: Wie gesagt, ist die Lage ernst, und bis 2030 sind es nur noch sieben Jahre, also eine Ausbildungsperiode. Lassen Sie uns alles dafür tun, dass so viele ausgebildete Zahnärztinnen und Zahnärzte wie möglich im Land bleiben und mehr ausgebildet werden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Lange. - Herr Lange, es gibt eine Frage, und zwar von Herrn Tullner, wenn Sie diese zulassen.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Von Herrn Tullner?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Von Herrn Tullner, genau.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Ich bin gespannt. Jetzt will er bestimmt etwas zum Lehrermangel wissen.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Tullner, bitte.


Marco Tullner (CDU):

Nein, keine Sorge. - Lieber Kollege Lange, ich will die fleißige Arbeit unserer Parlamentarischen Geschäftsführer nicht dadurch kaputt machen, dass ich in endlose Fragen verfalle. Deswegen mache ich es relativ kurz.

Sie sind dabei, Ihre Rolle zu finden. Sie sind ja jetzt Landesvorsitzender. Ich verstehe, dass man daher auch ein bisschen polemisch und sonst wie auftritt. In Ihrer, wie ich fand, nicht immer sehr nachvollziehbaren Rede kamen Sie auf den Fachkräftemangel in vielerlei Hinsicht zu sprechen. Sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass Ihre politische Organisation in Thüringen seit zehn Jahren den Beweis hätte antreten können, dass die Dinge so viel einfacher zu gestalten und besser zu machen sind? Wenn Sie entsprechende Zahlen vorlegen könnten, dann würden wir uns mit Ihren Argumenten auch ernsthafter auseinandersetzen können als mit Ihrer Polemik, die Sie hier vorgetragen haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Alexander Räuscher, CDU, lacht)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Lange.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Herr Tullner, das ist ein beliebter Move, den ich von Ihnen nicht anders gewohnt bin.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Aber gucken Sie einmal, wir sind hier in Sachsen-Anhalt. Ich bin hier seit vielen Jahren in einer Oppositionsrolle. Dabei beobachten wir genau, was die Regierungen tun und was sie nicht tun. Insbesondere das, was Sie persönlich getan und nicht getan haben, hat uns gerade mit Blick auf die Situation der Lehrerinnen und Lehrer in ein riesiges Problem gestürzt.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Herr Tullner, daran kommen Sie nicht vorbei.