Cornelia Lüddemann (GRÜNE):
Danke, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin stolz, dass Dessau durch das Weltkulturerbe Bauhaus weltweit positiv angesehen ist. Sonst bliebe aus dieser Zeit Anfang des letzten Jahrhunderts aus Dessau vielleicht nur die Erinnerung an das todbringende Zyklon B.
Das Bauhaus ist identitätsstiftend und Tourismusmagnet. Das Bauhaus hat enorme historische kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung. Das in den Jahren von 1925 bis 1926 von Walter Gropius entworfene Bauhausgebäude in Dessau war der Beginn einer neuen Architektursprache der Zwischenkriegsmoderne und ist eines der bekanntesten Beispiele moderner Architektur.
Mit dem Bauhaus wurde Dessau zu dem Zentrum der künstlerischen und gestalterischen Avantgarde. Bis heute trägt diese gesellschaftliche Vision: Erneuerung durch Gestaltung, die Form folgt der Funktion. Das war und ist revolutionär.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Das Bauhaus war weit mehr als eine Kunstschule, es war Ausdruck einer umfassenden Vision der Moderne, die Kunst, Gestaltung und Gesellschaft grundlegend verändern wollte und bis heute nachwirkt. Mit dem Bauhausdesign sollten gute und erschwingliche Wohnungen für alle Bevölkerungsschichten geschaffen werden. Das Bauhaus steht für Egalität und globale Solidarität in einer Zeit zunehmender Individualisierung. Es sollten Kunst, Kunsthandwerk und Malerei zusammengeführt werden, um neue Synergien zu schaffen.
Mit dem Bauhaus ist ein Freiheitsgedanke verbunden. Es wurden Freiräume und Schaffensräume im wahrsten Sinne des Wortes entwickelt. Das Bauhaus steht aber auch für Freiheit und Offenheit im Geiste.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Natürlich ist das Bauhaus deswegen ein Dorn im Auge der AfD-Fraktion. Alles, wofür freie Kunst und das Bauhaus stehen, wird von Ihnen bekämpft.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Unbemäntelt zeigt Ihr Antrag: Sie wollen Geschichte wiederholen. Bei den Landtagswahlen am 24. April 1932 wurde die NSDAP stärkste Fraktion im Freistaat Anhalt. Dessau wurde damit Sitz der ersten NSDAP-Landesregierung in Deutschland. Die allererste Amtshandlung war die Schließung des Bauhauses zum 1. Oktober 1932; denn die Nationalsozialisten sahen die moderne Kunsthochschule als Symbol für alles, was sie ablehnen.
Ganz im Stil ihrer geistigen Vordenker will die AfD-Fraktion genau dort weitermachen, wo die Nazis Gott sei Dank aufhören mussten.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Der wirkliche Irrweg der Moderne sind die rechtsextremistischen Mitglieder dieses Landtages, die hier ganz rechts sitzen. Eigentlich sind sie auch kein Irrweg der Moderne, sondern ein Irrweg der Vergangenheit, der versucht, wieder aufzustehen.
Der Antrag hat keineswegs den Zweck, sich kritisch und konstruktiv mit dem Bauhausjubiläum auseinanderzusetzen; denn die Stiftung verfolgt seit jeher den Anspruch, das Bauhaus nicht zu glorifizieren. Dieser Anspruch wird sich auch bei der Ausgestaltung des Bauhausjubiläums wiederfinden.
Der einzige Zweck dieses Antrages ist der Angriff auf eine moderne, progressive und weltoffene Gesellschaft; denn genau dafür steht das Bauhaus: Kultur und Kulturen, die weltoffen gemeinsam Neues schaffen.
Diesen beschämenden Antrag werden wir selbstverständlich ablehnen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Lüddemann, es gibt eine Intervention von Frau Dr. Richter-Airijoki. - Frau Dr. Richter-Airijoki, bitte.
Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):
Frau Lüddemann, danke für das Zitat „Form folgt Funktion“. Das ist wohl das bekannteste Zitat im Zusammenhang mit dem Bauhaus. Ich möchte das auch deshalb noch einmal würdigen, weil es in weiteren Zusammenhängen viel gebraucht wird: in der Planung. Mir ist das erstmals begegnet in der internationalen Zusammenarbeit, bei der es um eine gemeinsame Planung ging, um z. B. das Gesundheitssystem in einem Partnerland zu unterstützen. Die Frage war, wie wir das gemeinsam machen.
Dann hörte man öfter das Motto „Form folgt Funktion“, und zwar noch nicht einmal von deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sondern z. B. von Teilnehmern aus den USA oder Vertretern der Weltbank. Es ist einfach ein international bekanntes Prinzip für eine zielorientierte Planung. Das ist etwas, worauf ich auch stolz bin, wenn ich irgendwo unterwegs bin und sage, dass ich aus Sachsen-Anhalt komme. - Danke.
(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Lüddemann, wollen Sie darauf noch kurz reagieren?
Cornelia Lüddemann (GRÜNE):
Ja. - Vielen Dank für diese Perspektive. Wir haben darüber schon häufiger unterhalten. Ich habe eine Schwester, die auch in internationalen Zusammenhängen arbeitet. Ich war immer genauso stolz, wie Sie das berichten. Wenn ich in Äthiopien oder in Indonesien oder in wirklich fernen, fremden Ländern unterwegs war und darüber gesprochen habe, dann war Dessau bekannt. Am Bekanntheitsgrad von Sachsen-Anhalt müssen wir noch ein wenig arbeiten. Aber Dessau und das Bauhaus waren bekannt.
Man trifft in der ganzen Welt Siedlungen, die sich auf dieses Prinzip beziehen, bei dem man sich überlegt: Was brauchen unsere Menschen und wie kann ich ihnen das möglichst kostengünstig zur Verfügung stellen? Ob das jetzt das Geschirr ist, ob das Wohnungen oder andere Dinge sind. Das beruht alles auf diesem Prinzip „Form follows function“. Ich kann das nachvollziehen. Wir sollten alle daran arbeiten, dass das der Geist ist, den das Jubiläum im nächsten Jahr ausstrahlt.