Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Abg. Siegmund, Sie haben auf einen Abschiebeflug nach Niger Bezug genommen und Sie haben, wie so häufig, nur die halbe Geschichte erzählt.
(Guido Kosmehl, FDP: Ja! Na klar! - Olaf Meister, GRÜNE: Das war nicht anders zu erwarten!)
Ich habe hier an dieser Stelle häufig das Thema angesprochen, dass wir mit unkooperativen Herkunftsstaaten zu tun haben, die nicht bereit dazu sind, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen. In diesem Fall war es so, dass der Staat Niger gesagt hat, wir sind bereit, einen Flug an einem Tag zu akzeptieren. Der Flug und der Tag waren festgelegt. Hätten wir jetzt eine ganz normale Flugmaschine in Anspruch genommen, die womöglich verspätet gewesen und am nächsten Tag erschienen wäre, hätte Niger den Staatsangehörigen nicht zurückgenommen.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Sie haben sich erpressen lassen!)
Um dieses Risiko nicht einzugehen, haben wir uns entschieden, ein eigenes Flugzeug zu chartern. Wir haben dabei sehr wohl wirtschaftlich abgewogen, ob das die bessere Variante ist. Die Frage wäre gewesen: Begleiten wir ihn lebenslang 24/7 mit Polizeikräften oder zahlen wir einen Abschiebeflug? Wir haben uns für den Abschiebeflug entschieden.
(Zustimmung bei der CDU)
Nun zum Thema der Einreise- und Aufenthaltsverbote. Sie ergehen schon heute. Sie ergehen entweder in Reaktion auf aufenthaltsrechtliche Verstöße oder auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Selbstverständlich ist es so, dass Einreise- und Aufenthaltsverbote sowohl im Ausländerzentralregister als auch im Schengener Informationssystem gespeichert werden. Unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbote können schon heute ausgesprochen werden, wenn gegen einen Ausländer eine Abschiebungsanordnung erlassen wurde.
Eine solche Abschiebungsanordnung der Abg. Erben hat den Fall heute schon genannt hatte das Ministerium für Inneres und Sport zur Abwehr einer terroristischen Gefahr bspw. im Dezember 2023 gegen einen irakischen Staatsangehörigen ausgesprochen, der in Sachsen-Anhalt wohnhaft war und in Niedersachsen arbeitete und direkt aus dem polizeilichen Gewahrsam in Niedersachsen in sein Herkunftsland abgeschoben wurde. Mit der Abschiebung ist zugleich ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgesprochen worden.
Über die zeitliche Dauer von Einreise- und Aufenthaltsverboten ist in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu entscheiden. Schließlich ist die missbräuchliche Inanspruchnahme des Asylverfahrens anders zu bewerten als die Vorbereitung einer terroristischen Straftat. Gleichwohl sollte überprüft werden, ob die gegenwärtigen bundesgesetzlichen Regelungen, die in § 11 des Aufenthaltsgesetzes zeitliche Abstufungen von fünf, zehn und 20 Jahren bis hin zu unbefristeten Verboten vorsehen, und auch die jeweilige Zuordnung von strafrechtlichen Verurteilungen modifiziert werden müssten. - Vielen Dank.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Frau Dr. Zieschang. - Es gibt eine Nachfrage aus der AfD-Fraktion. Frau Koppehel hat zugunsten von Herrn Scharfenort verzichtet. Richtig? Ja?
(Jan Scharfenort, AfD: Jawohl!)
- Herr Scharfenort, bitte.
Jan Scharfenort (AfD):
Sie argumentieren juristisch. Das ist auch Ihr gutes Recht als Juristin. Ich habe einfach eine Frage. Der „Focus“ hat letztens berichtet, und zwar über Zahlen vom BAMF.
Wir haben das Problem, dass das europäische Asylsystem nicht funktioniert. Aber selbst dort, wo es halbwegs funktioniert, funktioniert es aus deutscher Sicht nicht. Ein Beispiel: Der „Focus“ berichtete, dass Italien im vergangenen Jahr in 10 402 Fällen Übernahmeersuchen Deutschlands zugestimmt hat. Die würden also praktisch 10 402 Migranten aus Deutschland übernehmen. Deutschland hat es aber gerade einmal geschafft, drei Migranten tatsächlich zurückzuschicken.
Jetzt frage ich Sie: Wie kann das sein? Ich habe einfach nur ein großes Fragezeichen.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Dr. Zieschang, bitte.
Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Auch dieses Thema habe ich hier mehrfach kritisch angesprochen. Dabei geht es um die Frage der Dublin-Überstellungen. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass Dublin-Überstellungen nach Italien faktisch nicht möglich sind, weil eben bspw. auch Italien zeitweilig Zeitfenster vorgegeben hat, etwa in dem Sinne, dass zwischen 15 Uhr und 15:15 Uhr Einflüge möglich sind. Wenn dann kein Flieger da war, haben sie an diesem Tag eben überhaupt niemanden genommen.
Aber Italien hat, glaube ich, vor anderthalb Jahren offiziell erklärt, dass es aus dem Dublin-System keine Überstellungen mehr entgegennimmt. Seitdem ist überhaupt nichts mehr passiert. Das haben die Innenminister gegenüber dem Bundesinnenministerium auch kritisch angemerkt; denn die Funktionsfähigkeit des Dublin-Verfahrens wird auf europäischer Ebene entschieden, und nicht durch einzelne Landesinnenminister. Die Problematik, die damit verbunden ist, habe ich hier mehrfach sehr, sehr kritisch angemerkt.
(Jan Scharfenort, AfD: Darf ich noch nachfragen?)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ja, aber denken Sie daran, es ist eine Dreiminutendebatte.
Jan Scharfenort (AfD):
Ja, das Problem ist erkannt. Aber das zeigt doch nur, dass es nicht funktioniert. Die Konsequenz kann für Deutschland doch nur sein: Es ist an der Zeit, aus diesem System auszusteigen. Was sagen Sie dazu?
Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Erst einmal haben wir jetzt ein neues, ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem, mit dem eigentlich das Dublin-Verfahren wieder mit Leben erfüllt werden soll, spätestens dann, wenn an den EU-Außengrenzen Asylverfahren stattfinden. Und weil es bis dahin noch ein Stück weit des Weges ist, habe ich mich das wissen Sie auch für Zurückweisungen an deutschen Grenzen ausgesprochen, wenn jemand kommt, der vorher in einem anderen EU-Mitgliedstaat hätte um Asyl nachsuchen können.