Tagesordnungspunkt 9
Ausgleich von Mehrarbeit: Einführung eines freiwilligen und flexiblen Arbeitszeitkontos für Lehrkräfte
Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1857
Einbringen wird diesen Antrag für die Koalitionsfraktionen Herr Bernstein. - Herr Bernstein, bitte.
Jörg Bernstein (FDP):
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Bei dem Antrag, der Ihnen heute vorliegt, kann man wirklich das Sprichwort „Was lange währt, wird gut“ anführen. Dass es lange gewährt hat, das zeigt die Zeit, die schon recht fortgeschritten ist. Wir als Regierungsfraktionen setzen hiermit einen weiteren Punkt aus unserem Koalitionsvertrag um. Wir haben uns dort vorgenommen, flexiblere Lösungen zur Arbeitszeit von Lehrkräften an unseren Schulen, an den öffentlichen Schulen zu finden.
Die Beratungen in den Koalitionsfraktionen waren umfänglich. Das kann man durchaus sagen. Und auch die Abstimmungen mit den betroffenen Ministerien, also mit dem Bildungsministerium und mit dem Finanzministerium, waren gut und ergebnisreich, sodass man, um beim Sprichwort zu bleiben, auch von einem guten Ergebnis reden kann.
Im Hinblick auf die Ausgestaltung dieser neuen Arbeitszeitregelungen spreche ich jetzt einmal als Lehrer ein paar Punkte an, die mir in meiner Praxis auf der Seele gebrannt haben. Wer nicht unmittelbar vom Fach ist, der ist vielleicht ein wenig irritiert oder fragt sich, was das grundsätzlich Neue daran sein soll. Das Aktuelle sieht so aus, dass ich als Lehrer pro Schuljahr 80 Plusstunden und 40 Minusstunden, also unterhalb der Regelstundenzeit, aufbauen darf. Am Jahresende muss ich entscheiden, ob diese Stunden in das neue Schuljahr übertragen werden sollen oder ob ich mir diese Stunden auszahlen lasse. Es gibt noch andere Möglichkeiten, z. B. freiwillige Mehrarbeitszeit, die auch entsprechend vergolten wird.
Aber zurück zu den Mehrarbeitszeiten, die aufgrund von unterrichtsorganisatorischen Aspekten angefallen sind. Bei der Auszahlung gab es immer das Problem - das habe ich zumindest in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen festgestellt , dass der Anreiz, mehr Arbeit für mehr Geld zu leisten, nicht unbedingt sehr groß ist. Dabei greift z. B. die Steuerprogression. Das, was oben draufkommt, wird im Regelfall nach dem Grenzsteuersatz besteuert. Das ist deshalb finanziell nicht sonderlich attraktiv.
Attraktiv wäre die Möglichkeit, geleistete Mehrarbeit über einen längeren Zeitraum hinweg anzusparen. Diese Möglichkeit soll mit dem vorliegenden Antrag geschaffen werden. Die weiteren Ausgestaltungen sehen dann so aus: Ich habe die Möglichkeit einer entsprechenden Anwartschaftszeit. Das muss von dem zuständigen Ministerium noch ausgearbeitet werden. Diese Zeit soll dann für Freizeitausgleich in Form eines Sabbatjahres, eines früheren Eintritts in den Altersruhestand oder auch für eine Altersermäßigung, wenn man dann in einem fortgeschritten Alter ist, eingesetzt werden können.
Wir sind uns an dieser Stelle natürlich dessen bewusst, dass dieses Arbeitszeitkonto nur ein kleiner Baustein sein kann in einem - mein Kollege Silbersack spricht immer so schön bildhaft von einem Blumenstrauß; ich nehme dieses Wort jetzt einmal, weil es ganz gut passt - Blumenstrauß von Maßnahmen, um die Problematik der Lehrkräftesituation und die Problematik der Unterrichtsversorgung anzugehen. Also wir sind uns durchaus der Tatsache bewusst, dass dieses Arbeitszeitkonto nur ein Schritt sein kann, ein Angebot an die Lehrkräfte, um freiwillig Mehrarbeitszeit aufzubauen. Aber wir denken, dass es ein durchaus angemessenes Mittel sein kann. Gerade deshalb haben wir Freien Demokraten uns in den Prozess verstärkt eingebracht und sind mit dem Ergebnis, das uns heute vorliegt, letztlich sehr zufrieden.
(Zustimmung bei der FDP)
Ich habe gesagt, dass das nur ein kleiner Bestandteil unter vielen Maßnahmen sein kann, die kurzfristig zur Entlastung in unseren Schulen führen können. Das ist uns, wie gesagt, durchaus bewusst. Aber wir haben auch schon einige andere Maßnahmen angestoßen: Es sind Stellen für Digitalassistenten ausgeschrieben worden; es sind Stellen für Schulverwaltungsassistenten ausgeschrieben worden. All das sind Maßnahmen, die den Fokus darauf lenken, unsere Lehrkräfte in den Schulen von administrativen und von bürokratischen Arbeiten zu entlasten. Das sind Maßnahmen, die den Fokus ganz klar auf die ureigene Tätigkeit der Lehrer richten, nämlich vor der Klasse zu stehen.
Diesen Punkt würde ich hier ganz gern besonders betonen. Es muss darum gehen, den Fokus darauf zu legen, dass die Entlastungen, die bei der Arbeitszeit geschaffen werden, die dann z. B. im Rahmen der Unterrichtsorganisation oder der Schulorganisation durch die sogenannten Anrechnungsstunden nach der Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte dazu geführt haben, dass auch Minderstunden beim Unterrichtseinsatz anfielen, natürlich dafür einzusetzen sind, dass die vor der Klasse landen - um das einmal bildlich zu sagen.
Auf weitere Maßnahmen, die dazu führen, kann man sicherlich im Weiteren noch eingehen. Grundsätzlich würde ich Sie an dieser Stelle um Zustimmung zu diesem Arbeitszeitkonto bitten. Ich als ehemaliger Lehrer bin wirklich davon überzeugt, dass hiermit ein guter Schritt getan wird, um die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen zu verbessern. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Bernstein. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Roi, wenn Sie die zulassen?
Jörg Bernstein (FDP):
Herr Roi, gern.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Roi, bitte schön.
Daniel Roi (AfD):
Vielen Dank. Ich mache es ganz kurz. - Sie haben die Freiwilligkeit angesprochen, die dann für die Mehrarbeit der Lehrkräfte besteht. Meine Frage zielt darauf ab: Die Ministerin - sie wird noch sprechen - hat in den Medien bereits angekündigt, dass sie eine Verpflichtung nicht ausschließt. Darum geht es heute nicht; das ist in dem Antrag nicht enthalten. Aber wie ist Ihre Position dazu? Wie werden Sie als Freie Demokraten sich dazu positionieren? Sie selbst waren einmal Lehrer. Sehen Sie es als ein sinnvolles Instrument an, das vielleicht in einem zweiten Schritt verpflichtend zu machen? Oder wäre das kontraproduktiv?
Jörg Bernstein (FDP):
Eine verpflichtende Lösung in dieser Form würde ich als nicht produktiv - um Ihre Formulierung aufzunehmen - bewerten wollen. Und das steht heute, wie gesagt, auch nicht zur Debatte.