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Plenarsitzung

Transkript

Andreas Silbersack (FDP): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 1989 sind Hunderttausende auf die Straßen gegangen und haben Freiheit gefordert und Freiheit bekommen. Wir waren und sind ein glückliches Deutschland darüber, dass wir diese Freiheit im Jahr 1990 erreicht haben. 

Was in den nächsten Jahrzehnten erfolgte, war ein Aufschwung. Der Begriff „blühende Landschaften“ ist sicherlich überzeichnet, wenn man ihn in der Breite betrachtet. Aber es ist extrem viel passiert. Jede Lebenswirklichkeit hat sich zum Positiven gewendet, wenn man es rein faktisch betrachtet. Insofern, Herr Korell, kann ich in keiner Weise nachvollziehen, welches Bild Sie zeichnen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von Olaf Meister, GRÜNE)

Sie reiten ein Narrativ der Perspektivlosigkeit, das mit der Lebensrealität der Menschen in diesem Land nichts zu tun hat. Das Schlimmste an dem, das Sie vorgetragen haben, ist: Sie beklagen alles, aber Sie haben nicht einen Satz dazu gesagt, was Sie konkret ändern würden. Sie haben keinen Satz gesagt zu der Frage, wie wir das Demografiethema anpacken können. Sie haben keinen Satz zu nichts gesagt. Das ist das Problem.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Sie begnügen sich damit, einfach zu sagen: Wählt die AfD, dann wird alles besser. Was denn? Was wird denn besser?

(Ulrich Siegmund, AfD, und Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Alles!)

- Es wird nichts besser. Die Menschen    

(Florian Schröder, AfD: Bessere Straßen! Alles wird besser! - Weitere Zurufe von der AfD: Alles!)

- Nein, nein! Es wird nichts besser. - Das heißt, Sie reiten Ihre Narrative des Untergangs, des Underdogs; 

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU - Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Kein Klimascheiß! Entlastung der Wirtschaft! Alles wird besser!)

jeder soll sich schlecht fühlen. Wir brauchen genau das Gegenteil. Verstehen Sie das? Sie müssen den Menschen auch einfach einmal die Realität vor Augen fühlen. 

(Zuruf von Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD)

Sie können Ihr Narrativ weiter reiten, aber wenn Sie irgendwann tatsächlich einmal etwas zu sagen hätten, dann stünden Sie mit leerer Hose da.

(Frank Otto Lizureck, AfD: Wer hat denn hier leere Hosen? 4 %! - Nadine Koppehel, AfD: So stehen Sie doch schon seit Jahren da!)

Verstehen Sie? Das ist doch Ihr Problem. Wir können doch stolz sein auf das, was wir erreicht haben: 35 Jahre lang Freiheit.

(Nadine Koppehel, AfD: Freiheit? - Das haben wir bei Corona gesehen!)

Ein Hans-Dietrich Genscher hat für alle so viel gekämpft, hat jeden Außenminister nach Halle geholt, hat den Stolz gehoben. Stolz ist doch etwas, das wir brauchen.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Aber nicht mit der FDP!)

Ich bin dankbar, wenn wir die Diskussion über das Thema Ostdeutschland dann im Ausschuss weiterführen.

(Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)

Insofern bin ich jetzt nicht für den Antrag, aber es ist wichtig, dass man sich mit dem Thema befasst. Warum ist es wichtig? - Es ist wichtig, weil wir feststellen, auch bei jungen Leuten gibt es offensichtlich eine ostdeutsche Identität.

(Ulrich Siegmund, AfD: Natürlich!)

Das hätte ich vor fünf, zehn Jahren gar nicht so gedacht. Wenn junge Leute heutzutage hier „Ostdeutschland“ stehen haben, dann heißt das nicht, dass sie der AfD hinterherrennen.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Na doch!)

- Nein, tun sie nicht.

(Rhythmischer Beifall und Zurufe von der AfD: Ost-, Ost-, Ostdeutschland! Ost-, Ost-, Ostdeutschland!)

- Sehen Sie, das ist an Primitivität nicht zu überbieten. Das ist    


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Warten Sie einmal kurz, Herr Silbersack. 

(Zuruf von der AfD) 

Wir befinden uns in einem Parlament. In einem Parlament spricht man, man singt nicht und man brüllt nicht. 

(Zuruf von der AfD)

Mein Versuch ist es, jetzt wieder zu einer vernünftigen Debatte zurückzukommen. Dafür, so glaube ich, brauchen wir ein paar Grundregeln für unser Agieren hier. Ich bitte Sie ausdrücklich, solche Grenzen einzuhalten. 

(Holger Hövelmann, SPD: Unglaublich!) 

Herr Silbersack, Sie haben das Wort. Bitte sehr. 


Andreas Silbersack (FDP): 

Obwohl mein Sohn in Bonn studiert, sagt er trotzdem, er fühle sich in Sachsen-Anhalt zu Hause und Ostdeutschland sei seine Heimat. Aber nicht, weil er eine Geschichte von 1989 hat, sondern weil er sich einfach mit dem Landstrich verbunden fühlt. So geht es vielen jungen Leuten. 

Es ist wichtig, dass wir diesen Stolz auf die Heimat, diesen Stolz auf die Region fördern und fordern. Genau dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen und fördern. Dass der Ostdeutsche, wenn man ihn so benennen möchte, natürlich sensibler ist in Bezug auf staatliche Übergriffe, wie wir es zu Coronazeiten gesehen haben, ist eine Realität. Wer vor 1989 staatliche Übergriffe erlitten hat, ist natürlich sensibler. Diese Sensibilität ist in Büchern aufgearbeitet, unter anderem bei Oschmann und bei Mau. Mit all dem müssen wir uns befassen. Deshalb ist es wichtig, dass wir darüber reden. Nicht alles, worüber wir sprechen, ist ein glatter Durchlauf. 

Wir haben die Demografie zu berücksichtigen. Nach der Wende wurde viel darüber geredet, wie viel Geld vom Westen in den Osten geflossen ist. 

(Hendrik Lange, Die Linke: Und wieder zurück!) 

Aber es wurde wenig darüber berichtet, was der Aderlass an jungen Menschen und an denjenigen, die tatkräftig waren, mit dem Landstrich Ostdeutschland gemacht hat. Wir müssen Antworten finden auf die Frage, was im ländlichen Raum Zukunft bedeutet. Wir in Sachsen-Anhalt werden älter und weniger. Wir müssen Antworten darauf finden. Aber die Antworten heißen nicht, wir müssen endlich gleichgestellt werden und alles ist schlimm. Nein, es ist wichtig, dass wir diese Herausforderungen, die wir haben, selbstbewusst angehen. 

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Selbstbewusstsein in Sachsen-Anhalt, in Ostdeutschland ist die Grundlage von Erfolg. Das sorgt auch für Klebwirkung. Dafür können wir als Politik die Rahmenbedingungen setzen. 

Ob ein Ostbeauftragter kommt oder nicht, ist für mich nicht die vorderste Aufgabe. Für mich ist die vorderste Aufgabe, inhaltlich zu klären, was wir für Sachsen-Anhalt und für die anderen Länder im Osten benötigen, damit die Rahmenbedingungen besser werden. Aus meiner Sicht ist die Demografie das größte Thema. Das Thema Demografie ist die größte Herausforderung.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Und dafür brauchen wir Migration!) 

Wir müssen die Leute hier halten. Ich bin dankbar dafür, dass wir als Liberale gemeinsam mit der Koalition versuchen, kleine Incentives zu schaffen, wie die Öffnung des Ladenöffnungszeitengesetzes. Es muss möglich sein, dass es sozusagen Spaß macht, auf dem Land und im ländlichen Raum zu leben, aber auch in den mittleren und größeren Städten. Das ist unsere Herausforderung. Das heißt, mit Mut die neuen Herausforderungen angehen. Was nicht funktioniert, ist, zu sagen, uns geht es schlecht, es wird immer schlechter und deshalb lohnt es sich eigentlich nicht, hier zu leben. 

Nein, wir wollen Klebfaktoren. Wir wollen die kleinen Pflänzchen und die Dinge, die sich entwickelt haben. Man muss auch sagen, dass die letzten 35 Jahre nicht gleichlaufend waren. Das Thema Ostdeutschland war vor zehn Jahren eigentlich schon begraben, und wir haben darüber gesprochen, dass Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern existieren. Jetzt ist es neu definiert worden. 

Dieses Narrativ zu bedienen, jetzt geht es uns schlechter, muss endlich einmal aufhören. Es ist auch die Eigenleistung der Menschen. Sie wollen hier etwas einbringen. Das ist die Herausforderung, die wir haben. Insofern ist es wichtig, dass wir die Dinge konkret anpacken. 

Zum konkreten Anpacken. Frau Dr. Pähle hat es gesagt: Carsten Schneider hat wirklich eine hervorragende Leistung erbracht, indem er sich um dieses Zukunftszentrum bemüht hat. Das ist ein Leuchtturm gewesen, der funktioniert hat. Aber es beantwortet nicht automatisch die Frage der Besetzung dieses Postens, sondern die Inhalte müssen wir klären. 

(Dr. Katja Pähle, SPD: Richtig!)

Wir müssen fragen: Warum identifizieren sich junge Leute über Ostdeutschland? Wie können wir Klebfaktoren für die ländlichen Regionen schaffen? Wie können wir natürlich auch von außen Leute in unsere Region nach Ostdeutschland bringen? Das sind die Fragen. 

(Zuruf von Lothar Waehler, AfD)

Darüber sollten wir im Ausschuss auch diskutieren. Denn es wird nicht funktionieren zu sagen, wir klären eine Position und dann wird das alles ein Selbstläufer. Das wird nicht funktionieren. Die nächsten Jahre werden herausfordernd. Aber eines steht fest: mit Larmoyanz und mit Perspektivlosigkeit, die man prophezeit und die von der AfD kommen, wird das wird nicht funktionieren. Wir brauchen Stolz, wir brauchen Heimatgefühl und Optimismus. Wir werden es bringen. - Vielen Dank. 

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Silbersack, es gibt eine Intervention von Herrn Scharfenort. - Herr Scharfenort, Sie haben das Wort. 


Jan Scharfenort (AfD): 

Herr Silbersack, Ihre unseligen Angriffe auf die AfD kann ich so nicht stehen lassen. Ihre ständige Phrasendrescherei mit durchaus guten und richtigen Inhalten - - Aber es sind Phrasen. 

(Eva von Angern, Die Linke: Das ist keine Phrase!)

Warum sind es Phrasen? - Weil Sie in Ihrer politischer Verantwortung auch im Bund gezeigt haben, dass Sie all Ihre liberalen Ideen verraten und verkauft haben, und zwar völlig unnötigerweise. 

Der Unterschied zwischen Ihnen und denen, die hier sitzen, ist: Wir sind nicht wirbellos. Wir haben Rückgrat und wir halten Widerstand aus. Wir machen nach der Wahl das, was wir vorher versprochen haben. Wir halten den Widerstand aus, den Sie nicht aushalten, bei dem Sie einknicken, weil Sie kein Rückgrat haben. 

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!) 


Andreas Silbersack (FDP): 

Herr Scharfenort, die AfD ist unfähig, konstruktive Politik zu betreiben. 

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Sie reiten den Untergang, 

(Zurufe von Jan Scharfenort, AfD) 

und zwar zulasten der Menschen hier im Land.

(Zurufe von Jan Scharfenort, AfD)

Mit uns ist das nicht machbar. Sie können es weiter so machen.

(Zurufe von Jan Scharfenort, AfD)

Aber die Menschen im Land werden erkennen, auf welcher Welle Sie reiten, und Sie werden damit scheitern.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Jan Scharfenort, AfD: Feige sind Sie! - Unruhe)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Scharfenort, auch noch einmal für Sie: Wenn Sie eine Frage an den Redner stellen, müssen Sie die Antwort aushalten. Und das bedeutet, die Antwort nicht zu überbrüllen. 

Herr Silbersack, es gibt noch eine Frage von Herrn Daniel Rausch. Wollen Sie diese beantworten? - Dann bitte, Herr Rausch, Sie können sie stellen. 


Daniel Rausch (AfD): 

Herr Silbersack, ich habe einmal gegoogelt. Herr Carsten Schneider hat bei der letzten Bundestagswahl in seinem Wahlkreis einen Stimmenanteil von 7,9 % erhalten, also noch weniger als die SPD insgesamt.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das ist mehr als die FDP!)

Halten Sie Carsten Schneider wirklich für den richtigen Mann, Ostdeutschland zu vertreten?

(Dr. Katja Pähle, SPD: Trotzdem hat er einen guten Job gemacht!) 


Andreas Silbersack (FDP):

Ich glaube nicht, dass man an Prozentangaben festmachen kann, ob jemand inhaltlich gute Arbeit leistet oder nicht. 

(Zurufe von der AfD) 

Das muss man wohl sagen. Fakt ist auch, dass ich doch nur an den Ergebnissen orientieren kann. Eines muss man sagen: Er hat sich bei dem Thema Zukunftszentrum - es stand auch häufig im Bund auf der Kippe - starkgemacht. Diese Brüche, die in den letzten Jahrzehnten stattfanden, hat er nach vorn getragen. 

(Zurufe von der AfD) 

Er hat gesagt, diese Brüche existieren und genau deshalb brauchen wir dieses Zukunftszentrum. Wer hier im Raum sagen sollte, wir brauchen dieses Zukunftszentrum nicht, der hat nicht verstanden, was wir an Umbrüchen hier in Ostdeutschland erlebt haben. Das soll sich in diesem Zukunftszentrum wiederfinden. - Vielen Dank.