Tagesordnungspunkt 27
Bürgerinnen und Bürger entlasten - Energie- und Wärmewende voranbringen
Antrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1300
Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1312
Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1329
Einbringen wird den Antrag Frau Hietel-Heuer. - Bitte, Frau Hietel-Heuer.
Sandra Hietel-Heuer (CDU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor rund einem Jahr wurde der Landtag von Sachsen-Anhalt neu gewählt und die Deutschland-Koalition hat einen ehrgeizigen Koalitionsvertrag erarbeitet. Vor rund einem Jahr hätten wir alle hier im Parlament aber nicht gedacht, dass wir noch ehrgeiziger werden müssen, was die Energie- und Wärmewende betrifft.
Wir erleben einen Krieg in Europa, und der russische Aggressor Putin dreht uns Stück für Stück den Gashahn zu. Wir sind dadurch zum Erfolg verurteilt und müssen den Ausbau der erneuerbaren Energien noch stärker vorantreiben. Wir müssen unabhängig werden, sowohl von den fossilen Energieträgern als auch von anderen Staaten.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer Zeitenwende; denn wer hätte vor einem Jahr damit gerechnet, dass der grüne Wirtschaftsminister Habeck auf die Kohleverstromung setzt, um beim Gas einzusparen. Klar ist: Verbraucher und Wirtschaft brauchen stabile Energiepreise. Die jetzige Entwicklung muss uns Sorgen bereiten, da ein Ende der Preisspirale nicht in Sicht ist und hohe Strom- und Mobilitätskosten die Inflation weiter vorantreiben.
Die Bundesregierung ist daher aufgefordert zu handeln. Wir brauchen eine ideologiefreie Diskussion über die Zukunft der deutschen Energieversorgung. Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist ein vorzeitiger Kohleausstieg eine Illusion; denn die Kohle sichert einen Hauptteil der Grundlast ab. Wir brauchen einen neuen Spirit in der Forschung und in der Entwicklung unserer Energiesysteme, vor allem für die Speicher-, aber auch für die Wasserstofftechnologie. Vielerorts habe ich diesen Spirit bereits bei handfesten Projekten und Anlagen erlebt.
(Zuruf von der AfD: Echt?)
Wir müssen diesem Spirit weiter Auftrieb geben.
(Zuruf von der AfD: Vielleicht gelingt es! - Lachen bei der AfD)
Bei allem positiven Geist, liebe Kollegen der Fraktion der AfD, wenn Sie es nicht so mit dem Englischen haben, muss die Versorgungssicherheit mit Öl und Gas aber insbesondere für den Standort Ostdeutschland abgesichert werden. Es kann nicht sein, dass in den östlichen Bundesländern die Kosten der Russland-Sanktionen auflaufen. Diese Sanktionen haben eine europäische Dimension und sind gemeinsam in Ost und West zu schultern.
Sachsen-Anhalt ist seit Jahren Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien. Nicht umsonst wird sich der Chip-Riese Intel in Magdeburg und in der Börde ansiedeln. Heute Morgen haben die Kollegen des Umweltausschusses des Magdeburger Stadtrates eine sehr transparente und gute Gesprächsatmosphäre mit den Kollegen des Unternehmens Intel gehabt. Denn die Konzernphilosophie bei Intel ist Sustainability, also Nachhaltigkeit.
Um weiter vorn dabei sein zu können und um unseren Energie- und Klimaschutzzielen gerecht werden zu können, werden wir, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, bis zum Jahr 2026 5,65 Millionen t CO2-Äquivalente reduzieren und die Energiewende vorantreiben.
(Zuruf von der AfD: So ein Quatsch!)
Bei dem im Juli beginnenden Zukunfts- und Klimakongress müssen wir dann die Frage klären, wo wir weiter und wie wir schneller ausbauen. Dies kann aber nur gelingen, wenn wir das gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern machen.
Nach dem Motto „viele Wege führen zu Energie“ müssen wir auf Technologieoffenheit setzen. Neben der Windenergie gibt es noch weitere Lieferanten für regenerative Energien. Ich denke hierbei an die Solarenergie, an die Wasserkraft, an die Biomasse, an die Erdwärme sowie an den Wasserstoff.
Um den Ausbau weiter erfolgreich fortführen zu können, müssen aber auch die Genehmigungsprozesse für die Errichtung neuer Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, insbesondere für Wind- und PV-Anlagen, verschlankt und beschleunigt werden.
(Marco Tullner, CDU: Sehr gut!)
Angesichts des dann weiter wachsenden Anteils der fluktuierenden erneuerbaren Energien muss dazu das Stromsystem flexibler werden. Eine Möglichkeit zur Gewährleistung der System- und der Versorgungssicherheit sind insbesondere die Energiespeicher. Mit Blick auf die Endverbraucher stellen insbesondere diese Eigenverbrauchsspeicher ein lohnendes Ziel der Optimierung dar. Darüber hinaus müssen wir die Forschung und Entwicklung zur Nutzung der regenerativen Energien vorantreiben. Wir setzten hier, wie ich es bereits erwähnt habe, auf technologieoffene Verfahren.
(Zustimmung von Marco Tullner, CDU)
Wichtig bei allem ist aber, dass die regenerativen Energien Bürgerenergien werden. Vor Ort erzeugter Strom muss für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort kostengünstiger zur Verfügung stehen. Nur so können wir die Akzeptanz erhöhen. Wir müssen Anreize schaffen und die Bürgerinnen und Bürger bei der Energiewende entlasten.
Diese Anreize zur Entlastung beinhaltet der heutige Antrag der Koalitionsfraktionen. Auf der Grundlage einer Initiative der CDU machen wir einen weiteren Schritt hin zur Bürgerenergiewende.
(Zustimmung von Marco Tullner, CDU)
In Sachsen-Anhalt wurde das Speicherförderprogramm des Landes in den vergangenen Jahren so gut angenommen, dass es schnell überzeichnet war. Nun steht es also an, dieses Programm fortzuführen und es flexibler sowie so unbürokratisch wie möglich auszugestalten. Schritt für Schritt wollen wir die Energiewende hin zu 100 % erneuerbarer Energien schaffen.
Im Bereich der Fotovoltaik hat Sachsen-Anhalt noch ganz viel Potenzial, und das liegt nicht nur auf den Dachflächen. Haus- und Wohnungsbesitzer sollen beispielsweise bei der dezentralen Energieerzeugung und Energiespeicherung unterstützt werden. So soll die Beschaffung und Errichtung eines Stromspeichers in Verbindung mit einer PV-Anlage für Dächer gefördert werden. Auch die Umstellung der Wärmeversorgung in Wohngebäuden soll mit in die Förderung integriert werden.
Darüber hinaus sollen umfangreiche Forschungsansätze in den Bereichen Energie- und Wärmewende im Gebäudesektor, an den Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen im Land berücksichtigt und umgesetzt werden. Selbstverständlich sind hierbei insbesondere das heimische Handwerk und die heimische Wirtschaft einzubeziehen.
Auch der Bund fördert die Energiewende. Mit dem Landesprogramm satteln wir also auf. Wir müssen daher auf eine Verzahnung mit den Förderprogrammen des Bundes achten, um etwa den geförderten Einbau der Ladeinfrastruktur in Privathäuser zur Nutzung eigenerzeugten Stroms für Elektrofahrzeuge möglichst unproblematisch zu gestalten. Die Wärme- und Energiewende gelingt nur, wenn wir hin zu einer Bürgerenergiewende kommen.
Die Möglichkeit, praktisch an jedem Ort der Erde Strom unmittelbar von der Sonne zu ernten, ist ein Geschenk wissenschaftlicher Erkenntnis. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger decken ihren Strombedarf bspw. mit der eigenen PV-Anlage auf dem Dach bereits selbst und investieren in neue Verfahren. Mit immer besser und günstiger werdenden Batteriespeichern können sie dies sogar zunehmend auch in sonnen- und windarmen Zeiten tun.
Auch neuartige Energie- und Heizsysteme mit Wasserstoffspeichern oder sogenannten Eisspeichern sind auf dem Vormarsch. Die Unabhängigkeit von klassischen Stromerzeugern wächst dadurch stetig weiter. Strom aus Sonnenenergie hatte in Sachsen-Anhalt im Jahr 2020 einen Anteil von mehr als 18 % an den erneuerbaren Energien. Mit einer Stromerzeugung von 2,8 Milliarden kWh liegt sie auf Platz 3 der Stromerzeuger aus erneuerbaren Energien, nach der Windenergie und der Biomasse. Die installierte Leistung der PV-Anlagen in Sachsen-Anhalt lag Ende des Jahres 2021 bei insgesamt 3 406,7 MW. Allein der Nettozubau im vergangenen Jahr belief sich auf insgesamt 5 418 PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 304 MW. Ich habe bereits erwähnt, dass auf unseren Dachflächen noch viel Potenzial liegt.
Apropos Potenzial: Natürlich könnte man das Speicherförderprogramm finanziell noch weiter untersetzen. Aber im Vergleich zum vergangenen Haushaltsjahr haben wir es mit 1,4 Millionen € schon fast verdreifacht.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN: Ihr Änderungsantrag wäre im Sport quasi die Pflichtübung. Ich habe damit gerechnet und kann an dieser Stelle nur sagen, wir haben nicht nur Verantwortung für künftige Generationen in Sachen Energiewende, sondern auch für eine solide Haushaltslage.
(Zustimmung bei der CDU - Zuruf. Ja!)
Ich bitte um Zustimmung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen und freue mich natürlich auch über jede zustimmende Hand bei der Opposition. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Jetzt sehe ich noch Herrn Lizureck. - Es gibt jetzt zwei Nachfragen bei der AfD-Fraktion. Es ist eine Dreiminutendebatte.
Sandra Hietel-Heuer (CDU):
Da verzichte ich gerne
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Sie verzichten gerne. Das ist eine Antwort.
Sandra Hietel-Heuer (CDU):
auf die Beantwortung der Frage.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Dann gibt es eine Zwischenintervention von Herrn Lizureck. Aber insgesamt noch einmal zu Dreiminutendebatten - ich habe ich es vorhin schon erwähnt : Ich werde auch in Zukunft zusehen, dass wir wirklich nur eine Nachfrage pro Fraktion überhaupt ermöglichen. Ansonsten müsste man von vornherein eine Fünfminutendebatte verabreden. - Herr Lizureck, bitte.
Frank Otto Lizureck (AfD):
Ich vermisse hier irgendwie, dass mal Tatsachen zur Sprache kommen. Wir haben die teuerste Energie auf der ganzen Welt. Diese ganze Geschichte ist ein Deindustriealisierungsprogramm, weil diese Kosten dann irgendwann mal bei der Preisfindung für unsere Produkte Niederschlag finden. Das ist die eine Geschichte.
Die andere Geschichte ist, dass diese Energie nicht grundlastfähig ist. Das wissen wir alle. Wir stellen hier mittels Wind und Sonne zwischen 2 GW und 128 GW am Tag her. Wir brauchen aber regelmäßig rein und raus um die 72 bis 75 GW. Das kann man mit diesen Energieträgern einfach nicht gewährleisten. Wann begreift das hier endlich mal jemand?
Letztlich ist es doch so, dass man bei diesen ganzen Zufallsenergieträgern eine grundlastfähige Energieerzeugung braucht. Die kommt immer noch aus Atomkraftwerken, die sich jenseits unserer Grenzen befinden. Bei der Energie, die wir herstellen, müssen wir teilweise noch Geld dafür bezahlen, dass wir sie in andere Netze einspeisen dürfen. Also Leute, echt.
(Zustimmung bei der AfD)