Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Meine Kollegin Eva Feußner hat extra als Abgeordnete Platz genommen, um mir zu lauschen, wie wir gemeinsam für die frühzeitige Sprachkompetenz in Kitas und Grundschulen sorgen.
(Zustimmung bei der CDU - Ah! von der Linken)
Der vorliegende Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN weist zu Recht auf die hohe Bedeutung des Erwerbs einer frühzeitigen Sprachkompetenz für das Lernen und für den weiteren Bildungsweg hin. Ich will Ihnen kurz skizzieren, welche Möglichkeiten wir im Land bereits ergriffen haben, um diese Kompetenz tatsächlich sehr frühzeitig zu fördern.
Sie wissen, wir haben unser Bildungsprogramm gerade fortgeschrieben. Dort ist alltagsintegrierte sprachliche Bildung noch intensiver aufgegriffen und mit vielen konkreten Beispielen hinterlegt worden. Wir haben insbesondere das Fachwissen von verschiedensten Fachkräften genutzt, um zu gucken, wie wir das gestalten können.
Mit Ihrer Hilfe haben wir das Kinderförderungsgesetz im letzten Jahr beschlossen. Darin ist noch einmal Wert auf die Förderung durch Sprach-Kitas und insbesondere Sprachfachberatungen gelegt worden, die bis zum 31. Juli 2025 unter Landesägide gefördert werden. Ab dem 1. August 2025 besteht die Möglichkeit, dass Sprach-Kitas als Kitas mit besonderen Bedarfen weiterarbeiten können und dass pro Landkreis und kreisfreier Stadt eine zusätzliche Fachberatung eingestellt wird, die insbesondere zum Thema Sprachbildung berät. Das ist möglicherweise so etwas wie ein Sprachbildungszentrum, wie Sie es aus anderen Bundesländern kennen. Wir nennen es nur nicht so, aber wir schaffen dort ein Angebot für Eltern und Erzieherinnen insbesondere bei der Beratung zur Sprachbildung.
Ich habe schon mehrfach vorgetragen: Wir haben das ESF-Plus-Programm „Empowerment für Eltern“, um mit insgesamt 200 zusätzlichen Stellen auch die Eltern zu ertüchtigen und in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken durch Sprachförderung in der Familie durch Sprechen und Vorlesen. Wir haben gestern Abend darüber diskutiert - ein wichtiges Thema.
Aber ja, die Ergebnisse verschiedener Erhebungen und Studien zeigen rückläufige Sprachkompetenzen bei Kindergarten- und Schulkindern, und zwar bundesweit. Und ja, wir müssen auch in unserem Bundesland prüfen, wie wir gemeinsam diesem negativen Trend mit den gegebenen Möglichkeiten entgegenwirken können.
Ich erinnere daran das haben Sie, Frau Kollegin Sziborra-Seidlitz auch gesagt : Wir hatten von 2009 bis 2013 eine verpflichtende Sprachstandsfeststellung mit dem Screening „Delfin 4“ mit bedarfsorientierter und anschließender Sprachförderung. Wir hatten im Schulgesetz fstgelegt, dass wir das auch für die Kinder, die nicht die Kita besuchen, verpflichtend machen.
Das ist eingestellt worden, nicht nur auf Antrag des Landtages im Jahr 2013, sondern weil die Erzieherinnen und Erzieher gesagt haben, das ist ein Verfahren, eine Sprachstandsfeststellung, die viel zu spät kommt, die möglicherweise falsche Ergebnisse produziert und weil sie keine Förderung mehr vornehmen können.
Ich möchte damit aufräumen, dass es zwischen Bildungsministerium und uns immer so eine Konkurrenz gibt. Wir haben eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet, um zu schauen, wie wir die Kinder so fit machen können, dass sie tatsächlich auch einen guten Übergang von der Kita in die Grundschule haben.
Ich will, weil meine Zeit gleich abläuft, nur noch kurz erwähnen: Wir sind nicht schlecht, auch wenn wir in Thüringen und in Sachsen-Anhalt noch keine Sprachstandserhebung haben. Das ergeben die PISA-Studie usw. Aber ich gebe Ihnen recht, wir brauchen so etwas.
Aber: Wir hatten es schon viel besser. Wir haben schon eine Sprachstandserhebung über unsere Gesundheitsämter fest etabliert. Wir haben das sogar digitalisiert. Wir haben insbesondere sehr viel Wert darauf gelegt, zu gucken, was können wir noch fördern.
Durch die Pandemie und dadurch, dass die Gesundheitsämter so überlastet waren, ist in den letzten zwei Jahren diese Schuleingangsuntersuchung immer näher an den Schuleintritt herangerückt. Deswegen konnten wir das nicht mehr machen. Mein Ziel wäre sogar, nicht erst im Alter von viereinhalb Jahren, sondern schon im Alter von vier Jahren schaut, wie es ist.
Wir sind im Moment dabei zu schauen, welche Sprachstandserhebung man in den Kitas machen kann, damit wir möglicherweise schnell eingreifen können und damit es nicht noch einmal wahnsinnig viel zusätzliches Geld kostet. Wenn wir das nämlich wieder verpflichtend einführen, dann wäre ein ziemlich großer Betrag erforderlich. Wir sind dabei, das zu tun. Und ich arbeite gemeinsam mit Eva Feußner in dieser Arbeitsgruppe. Ich glaube, die tagt auch, jedenfalls hat mir die zuständige Mitarbeiterin gesagt, dass man beides macht, um wirklich zu schauen, wie wir unsere Kinder sprachlich besser unterstützen können.
Das Bildungsprogramm wird das auch noch einmal zeigen. Wir haben uns vorgenommen, zu schauen, wie wir schon im Jahr 2026 versuchen können, dem einen Schub zu geben; allerdings dann nur über die Kitas, um zu gucken, wie wir den Übergang in die Grundschule besser machen können.
Auch wenn eine halbe Minute weg ist, möchte ich noch sagen: Wir müssen auch genauer in den Blick nehmen, ob der auf freiwilliger Basis stattfindende Übergang der Unterlagen aus der Kita in die Grundschule klappt. Der Datenschutz ist dabei nach wie vor ein echter Hemmschuh. Man muss sich das genauer anschauen. Wenn das auf freiwilliger Basis gemeinsam mit den jeweiligen Eingangstests gemacht wird, dann klappt das. Dann kann man die Kinder so weiter fördern, wie es in der Kita war. Andernfalls gibt es immer wieder einen Bruch.
Ich kann mich daran erinnern, dass wir das an anderer Stelle später auch haben, wenn die Sekundarschulabschlüsse gemacht worden sind und Schüler in der Vorbereitung sind, um dann in die Arbeitsmarktförderung aufgenommen zu werden. Auch an dieser Stelle gibt es so einen Bruch. Es ist tatsächlich nicht so, dass das aus einem Guss passiert. Also, wir sind bei diesem Thema nicht weit auseinander. Ich wünsche mir auch, dass wir noch mal einen Schub in diesem Land bekommen.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Hohmann, Sie haben eine Frage? - Bitte.
Monika Hohmann (Die Linke):
Frau Ministerin, recht schönen Dank für Ihre Ausführungen. Ich bin erstaunt darüber, dass es in Ihrem Hause jetzt einen Wandel gegeben hat. Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, dass im Jahr 2013, als wir das KiFöG geändert haben, die Sprachstandsfeststellung abgeschafft wurde, ohne eine Evaluation durchzuführen, die eigentlich vorher im Gesetz stand.
Wir haben daraufhin in der sechsten und auch in der siebten Legislaturperiode aufgrund der Befunde immer wieder gefordert, dass wir neben der Eingangsuntersuchung eine Sprachstandsfeststellung machen müssten. Also, die Befunde, von denen Sie jetzt sagen, dass sie ausschlaggebend dafür waren, dass Sie jetzt umdenken, die gab es vorher auch schon. Deshalb ist meine Frage: Was waren die Gründe, dass es jetzt zu einem Umdenken in Ihrem Haus gekommen ist?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Bitte sehr, Sie können antworten.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Ich glaube nicht, dass ein Umdenken passiert ist, weil wir nach wie vor die Entwicklungsbögen haben, auch nach dem Bildungsprogramm „Bildung: elementar“, in denen sehr detailliert aufgeführt ist, wie die sprachliche Entwicklung der Kinder ist.
Wir haben seit ewigen Zeiten auch über das Landesamt für Verbraucherschutz exakte Daten über die sprachliche Entwicklung der Kinder, die bei den Schuleingangsuntersuchungen erhoben werden. Das kennen Sie. Das ist sogar im Haushalt verankert. Sie wissen, dass wir das sogar digitalisiert haben, damit die Ergebnisse für alle zugänglich sind, insbesondere für das Landesschulamt. Das haben wir eigentlich immer gehabt.
Dieses Verfahren ist ein bisschen ins Rutschen gekommen, weil die Gesundheitsämter die Schuleingangsuntersuchungen nicht mehr im Alter von vier oder viereinhalb Jahren durchführen, sodass man eigentlich kaum noch etwas machen kann. Und Sie geben mir doch recht, wenn ich sage: Daten erheben ist das eine dann kann man zwar sagen, wie der Entwicklungsstand ist , aber das andere, das einzige, was trägt, ist, dass wir die Möglichkeit haben, die Kinder ein Jahr lang so zu fördern, dass sie eingeschult werden können, dass sie dann auch mithalten können.
Ich muss auch sagen: An dem Verfahren „Delfin 4“ gab es nicht nur Kritik aus unserem Land. Es gab einen Erhebungsbogen, der ganz komische Ergebnisse produziert hat. Ich wüsste nicht, weshalb wir das noch einmal hätten evaluieren sollen. Alle Fachleute haben gesagt, dass das ein unsinniges Verfahren war, das auch keine Förderung vorgesehen hat.
Wir fördern im Moment in der Kita sehr viel über das Bildungsprogramm „Bildung: elementar“. Ich möchte mich dem Vorschlag nicht verschließen, noch mal bestimmte Kinder gesondert anzuschauen und das in einem Verfahren noch einmal zu dokumentieren. Ich bin sehr angetan von dem, was in Hamburg gemacht wird. Das könnten wir erforderlichenfalls nachholen.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich denke, wir sind am Ende der Debatte angelangt.
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Aber es muss eine Förderung danach geben.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Ministerin, ich glaube, das war ausführlich.
(Beifall bei der SPD)
Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):
Ja. Sie haben es ja selbst gesagt.