Dr. Katja Pähle (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Woran liegt es, dass wir das Thema „Rentengerechtigkeit zwischen Ost und West“ hier immer wieder aufgreifen müssen? Nun, die Situation ist anhaltend unbefriedigend. Genau daran liegt es. Einerseits ist das natürlich so, weil das Thema Rente zwischen der Regierung von Helmut Kohl und der Regierung von Lothar de Maizière nicht auf Augenhöhe verhandelt wurde. Die Rentnerinnen und Rentner der DDR sind, um es so salopp wie zugespitzt zu sagen, im Einigungsvertrag unter den Bus geraten.
(Zuruf)
Dabei spielt neben vorangegangenen Einkommensunterschieden und dem auf Jahrzehnte hinaus unterschiedlichen Berechnungssystem ein Vorurteil eine wesentliche Rolle. Bei verschiedenen Berufszweigen wurde automatisch unterstellt, dass diese staatsnah sind, und deshalb wurden, unter Verwendung des Begriffs „besondere Staatsnähe“, die angesparten Zusatzrenten nicht überführt.
Ein ebenfalls vorhandener Grund war, dass das Rentensystem der DDR, übrigens genauso wie beim Einkommen, auf Gleichmachung ausgerichtet war, weshalb es zum Aufbau von Zusatzrenten kam. Das westdeutsche System kennt das nicht. Unterschiedliche Löhne bei unterschiedlichen Qualifikationen, auf unterschiedlichen Ebenen, das System der DDR kannte das nicht. All das wurde im Einigungsvertrag nicht bedacht.
Ein zweiter, aber wesentlicher Grund, warum wir die Frage bisher kaum zufriedenstellend beantworten konnten, ist ganz offenkundig: Die Lobby dafür, diesen Webfehler des Einigungsvertrages rückgängig zu machen, war zu schwach, und zwar nicht erst jetzt, sondern in den gesamten letzten Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik. Damit meine ich selbstverständlich nicht die Betroffenen, die sich z. B. am „Runden Tisch Rentengerechtigkeit“ seit Jahrzehnten mit Vorschlägen und Petitionen für ihre Ansprüche abstrampeln und vielfach auch vor Gericht gezogen sind. Vor ihrem unendlich hohen Einsatz habe ich den allergrößten Respekt. Ihr Kampf ist auch die treibende Kraft hinter unseren Plenardebatten zu diesem Thema.
Wir müssen aber feststellen, dass es nicht gelungen ist, das Thema DDR-Zusatzrenten zum Teil eines bundesweiten Einsatzes für ein gerechtes Rentensystem zu machen und dafür Verbündete zu gewinnen - im Vergleich zu anderen Themen, bei denen es wichtige Fortschritte gegeben hat. Ich nenne nur: Mindestrente, Mütterrente, Rente mit 64 Jahren. Wir müssen feststellen, dass im Vergleich zu diesen Punkten die Rentengerechtigkeit zwischen Ost und West bei dem Thema DDR-Zusatzrenten in der bundesweiten Aufmerksamkeit nur ein Schattendasein führt.
Drittens bleibt festzuhalten: Die Landesregierung - dabei blicke ich auch in Richtung der Staatskanzlei und des Ministerpräsidenten - hat es nicht vermocht, die wiederholten politischen Positionierungen aus unserem Land in bundespolitisch wirksame Initiativen umzusetzen. Weder die Forderung nach einem Gerechtigkeitsfonds in unserem Koalitionsvertrag in Sachsen-Anhalt noch die wiederholten Ankündigungen vor den Konferenzen der ostdeutschen Ministerpräsidenten und den allgemeinen Ministerpräsidentenkonferenzen noch der Beschluss dieses Landtages aus dem Jahr 2022, wenigstens den Beitritt des Landes zum Härtefallfonds zu prüfen, haben zu ernsthaften Konsequenzen geführt.
Dabei rechne ich Ihnen, Herr Haseloff - auch wenn er gerade nicht da ist ,
(Zuruf: Er ist nie da!)
hoch an, dass Sie das Thema immer wieder aufgerufen haben und ebenfalls mit deutlicher Kritik an der Ausgestaltung des Härtefallfonds zu hören waren. Andere in Ostdeutschland haben deutlich weniger getan. Aber zu einem politischen Durchbruch, etwa zu einer Bundesratsinitiative, hat es bislang nicht gereicht.
Ich denke, es lohnt sich auch jetzt noch, diesen Schritt zu wagen. Wenn wir den Antrag heute überweisen, sollten wir, wenn wir uns an eine Beschlussempfehlung machen, auch über diese Frage weiterdiskutieren.
Blicken wir nach vorn. Wenn wir für gleichwertige Lebensverhältnisse streiten wollen, bleibt auch die Rente ein Thema. Für die Stärkung des künftigen Rentenniveaus im Osten und für die Verhinderung von Altersarmut ist das, was unter Punkt 3 aufgeführt ist, nicht ausreichend. Vielmehr geht es darum, Menschen die Möglichkeit zu geben, durch ein angehobenes Lohnniveau, durch gute Arbeit in Sachsen-Anhalt auch im Alter über die Rente aus eigener Kraft genug Geld zur Verfügung zu haben.
Deshalb ist eine weitere deutliche Anhebung des Mindestlohns so wichtig. Die letzten Anhebungen haben gezeigt, dass das insbesondere in Ostdeutschland umgesetzt wurde und zu einer Anhebung des Realeinkommens geführt hat. Aus Billiglöhnen werden keine guten Renten. Das ist eine Binsenweisheit. Oberhalb des Mindestlohnbereichs braucht es viele qualifizierte, gut bezahlte und tarifgebundene Arbeitsplätze.
Vor Jahren erschien das noch als politischer Wunschtraum, jetzt rückt mit Intel, zahlreichen weiteren Neuansiedlungen und einem gelingenden Transformationsprozess dieses Ziel für viele Regionen in greifbare Nähe. Wichtig ist, dass möglichst viele davon profitieren. Das ist Respekt vor Lebensleistung, das ist Respekt vor der Arbeit auch in Ostdeutschland, und das brauchen wir 34 Jahre nach der Wiedervereinigung. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Ich sehe, auch hierzu gibt es keine Fragen. Deswegen kann Frau von Angern zum Ende der Debatte noch einmal das Wort ergreifen, wenn sie es denn möchte.
Monika Hohmann (Die Linke):
Sehr geehrter Herr Präsident, wir ergreifen das Wort nicht mehr, weil der Antrag an die Ausschüsse überwiesen wird. Auf die Diskussion dort freuen wir uns.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Dann freuen wir uns alle zusammen, wenn die Ausschussüberweisung funktioniert.
(Zuruf von der Linken: Na, das wird sie doch wohl!)