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Plenarsitzung

Transkript

Wulf Gallert (Die Linke): 

Jawohl. - Guten Morgen! Ich beziehe mich auf eine Äußerung des Direktors des Verbandes der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt Jens Zillmann vor einigen Tagen. Er beklagt darin die Insolvenz bzw. die Liquidierung des inzwischen vierten kommunalen Wirtschaftsunternehmens, übrigens alle im Salzlandkreis gelegen. Dazu die Information aus der Presse: 

„Berliner Unternehmen kauft zu. Mehr als 3 000 kommunale Wohnungen im ländlichen Raum seien für eine soziale Wohnraumversorgung verloren und dem privaten Markt zugeführt. Es sei bedenklich, dass die Landespolitik keine Unterstützung geleistet habe. Der Verband fürchtet, dass durch Privatisierung soziale Aspekte des Wohnens nicht mehr berücksichtigt würden.“

Ich frage erstens: Teilt die Landesregierung die Befürchtungen des Direktors des Verbandes der Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt? 

Zweitens. Hat die Landesregierung vor, der zunehmenden Insolvenz von kommunalen Wohnungsgesellschaften etwas entgegenzusetzen bzw. Unterstützung zu liefern?


Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales): 

Herr Gallert, auch die Landesregierung sieht natürlich, dass wir in Sachsen-Anhalt einige Wohnungsbauunternehmen haben - ob als Genossenschaft, als Gesellschaft oder privat  , die angesichts eines Überangebots an Wohnungen in einigen Regionen Schwierigkeiten haben. Wir haben z. B. Wohnungsbaugenossenschaften, die in 36 % ihrer Wohnungen einen Leerstand verzeichnen. Das ist wirtschaftlich natürlich kaum darzustellen. Das heißt, sie fahren jedes Jahr ein entsprechendes Defizit ein, und zwar vor allen Dingen, weil der Mietermarkt in Sachsen-Anhalt nicht von einem Mangel geprägt ist. Dadurch, dass wir vor allem in Mittelstädten mehr Wohnungen im Angebot haben, als nachgefragt werden, können Mieten natürlich auch nicht beliebig nach oben angepasst werden. In diesen Mittelstädten können Sie nicht wie in großen Städten wie in Berlin oder in - mein Lieblingsbeispiel - Nürnberg-Erlangen einfach die Miete nach oben ziehen und damit für einen ordentlichen wirtschaftlichen Ertrag sorgen und andere Dinge kompensieren. 

Diese Situation wird sich wahrscheinlich auch auf das eine oder andere Unternehmen in Zukunft auswirken, aber es wird sich tatsächlich um einzelne Unternehmen handeln. Ja, es ist völlig richtig und durchaus interessant, dass ausgerechnet im Bereich der kommunalen Unternehmen an der einen oder anderen Stelle der Gesellschafter sagt: Hier lasse ich den wirtschaftlichen Prozess fortschreiten und finanziere das Defizit nicht weiter. Das ist das, was meistens dahintersteckt. Auch wenn das von Ihrer Fraktion immer wieder so intoniert wird, bin ich davon überzeugt, dass dies keine negativen Auswirkungen auf den Mietermarkt haben wird, also auf das Angebot an Wohnungen und auch auf die Frage, wie sich die Mietentwicklungen darstellen. 

Die Landesregierung, das Ministerium für Infrastruktur und Digitales ist aktuell dabei, die neuesten Daten aus diesem Bereich zusammenzustellen. Wir machen das alle paar Jahre, coronainduziert jetzt ein bisschen später als normalerweise. Wir versuchen dadurch, einen genauen, also nicht nur einen überflugsmäßigen, Blick darüber zu bekommen, wie sich die Preise in den Bereichen auch für die unterschiedlichen Mietangebote entwickelt haben, um dann an der einen oder anderen Stelle nachsteuern zu können. 

Die aktuellen Zahlen zeigen, dass wir nicht einmal in den größten Städten Halle und Magdeburg - das sind die Städte mit dem geringsten Wohnungsleerstand - einen Mietmarkt haben, der uns sorgen lassen müsste, dass wir nicht genügend Wohnungen haben. 

Wir wissen aber - darin bin ich mit Herrn Zillmann einer Meinung  , dass wir, was die Sanierungen betrifft, durchaus eine erhebliche Aufgabe vor uns haben. Das betrifft z. B. die sich ändernden Anforderungen an Wohnungen infolge des demografischen Wandels. Das bezieht sich an der einen oder anderen Stelle auf die Sanierungen von Wohnraum, die auch entsprechende Kosten bei den Wohnungsbauunternehmen produzieren. An der Stelle wünschen wir uns - das kommunizieren wir auch seit drei Jahren - natürlich eine andere Aufstellung und ein anderes Design der Wohnraumförderung. Dabei geht es explizit um den sozialen Wohnraum. Das ist vom Bund aber bisher schlicht und ergreifend abgelehnt worden. Das kann ich zum Teil nachvollziehen, auch wenn es nicht meinem Kompass entspricht. Aus Sicht des Bundes geht es zunächst darum, in den Regionen mit einem angespannten Mietermarkt für Lösungen zu sorgen. Aus dessen Blickwinkel ist Sachsen-Anhalt - in Anführungszeichen - eine heile Welt. 


Wulf Gallert (Die Linke):

Ich habe eine Nachfrage bzw. eine Konkretisierung. Das Problem, das Herr Zillmann beschreibt, ist, dass sich die kommunalen Wohnungsunternehmen ihre Kunden primär nicht aussuchen können. Private Wohnungsunternehmen können das, Gesellschaften und Genossenschaften können das, aber kommunale Wohnungsunternehmen haben eine soziale Verantwortung in der Kommune und müssen die Mieter nehmen, die die anderen nicht nehmen. 


Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales): 

Na ja. 


Wulf Gallert (Die Linke): 

Das ist die Situation. Daraus resultiert ihre Schieflage, die sich natürlich in allererster Linie bei ihnen erst einmal fundamentiert. Ich frage noch einmal: Teilen Sie als Landesregierung die Einschätzung, dass die Privatisierung soziale Aspekte des Wohnens nicht mehr berücksichtigt, oder teilen Sie sie nicht? 


Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales): 

Herr Gallert, ich teile die Grundvoraussetzung, die Sie postuliert haben, dass kommunale Wohnungsgesellschaften diejenigen sind, die quasi alle Mieter zwangsweise versorgen müssen, sie eben auch mit dem Defizit versorgen müssen, die bei anderen Unternehmen - so haben Sie es, glaube ich, gesagt; ich sage es in Anführungszeichen - nicht genommen werden. 

Ich kenne nicht die Mietspiegel aller Wohnungsbaugenossenschaften oder Gesellschaften, die sich in kommunaler Hand befinden. Wenn ich mir aber den qualifizierten Mietspiegel Magdeburgs anschaue und auch sehe, welche Anbieter in welchen Regionen in der Stadt unterwegs sind - in Magdeburg gibt es z. B. die Wohnungsbaugesellschaft Wobau  , dann stelle ich fest, dass es eine Reihe an Angeboten gibt, die deutlich über dem liegen, was Sie sich als soziale Miete vorstellen. 

Das Problem ist tatsächlich die Nachfrage. In einem Ort, aus dem Menschen fortziehen, in dem es früher deutlich mehr Menschen gab, in dem ein Mietangebot im Hinblick auf die Quantität deutlich über dem Bedarf liegt, kann ein Unternehmen nicht wirtschaftlich arbeiten. Dabei ist es völlig egal, wer der Eigentümer ist und wie sich die Eigentümerstruktur darstellt. Das ist unser Ansatz. Im Übrigen ist das auch der Grund, weshalb die Landesregierung - ich weiß, dass das bei dem einen oder anderen Kollegen immer wieder zu Irritationen führt - nach wie vor auch den Abriss fördert. Denn wir haben Überangebote und müssen an der einen oder anderen Stelle auch nachjustieren. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP)