Dr. Falko Grube (SPD):
Vielen Dank. - Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann es den GRÜNEN nicht ganz ersparen. Denn auch mir ging das ein bisschen so, als ich die Aktuelle Debatte gesehen habe. Dabei musste ich so ein bisschen in mich hineinschmunzeln. Die GRÜNEN machen sich Sorgen um den Zustand der Straßen.
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Das hat schon einen gewissen Neuigkeitswert.
Aber zum Kern des Themas. Ja, wir haben einen Investitionsstau in allen Bereichen der Infrastruktur. Das betrifft Straße, Schiene, Radweg inklusive aller Ingenieurbauwerke, also z. B. Brücken. Aber wenn die GRÜNEN in der Begründung zur Aktuellen Debatte so tun, als würde alles immer schlechter, ist das sachlich falsch.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Jörg Bernstein, FDP)
Seit 2017 ist der Zustand der Landesstraßen in etwa gleich, bei den ganz schlechten Noten leicht verbessert. Die Ministerin hat es schon gesagt: Es ist insgesamt ein schlechter Zustand, kein guter Zustand. Aber dieses Schreckszenario, dass alles immer schlimmer und schlechter wird und hier irgendwann alles einstürzt, stimmt eben nicht.
Dass der Zustand so ist, das hat Gründe. Diese Koalition hat bei dem Thema eine klare Priorität gesetzt. Im Koalitionsvertrag haben wir uns zu dem Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ verpflichtet. Das ist auch die letzten drei Jahre passiert. Dabei gibt es übrigens eine Ausnahme, und die betrifft die Radwege. Ja, dafür müssen wir neu bauen, weil es dabei große Lücken in der Infrastruktur gibt. Zu einer guten und sicheren Straße gehört auch ein Radweg und dafür brechen wir mit dieser Priorität. Dafür brechen wir mit diesem Grundsatz; Radwege werden selbstverständlich neu gebaut.
In unserer direkten Verantwortung als Land liegen ca. 425 km Landesstraßen. Zum Zustand der Straßen hat die Ministerin ausgeführt; die Zahlen spare ich mir. Für die Landesstraßen sind Erhaltungsmittel in Höhe von ungefähr 60 Millionen € pro Jahr nötig, um die Netzqualität zu erhalten. Im Jahr 2023 sind es die 60 Millionen € gewesen, im Jahr 2024 waren es 85 Millionen €. Das heißt, es ist auch ein bisschen in die Verbesserung geflossen. Von systematischer Vernachlässigung kann also keine Rede sein.
Und nun ist im ersten Satz zur Begründung der aktuellen Debatte von Straßen die Rede. Wir haben jetzt ganz viel über Landesstraßen geredet, aber dazu zählen auch die Straßen in den Gemeinden. Ich will einmal den Blick auf fünf Beispiele lenken, die Sie alle kennen, die eben auch schon erwähnt wurden. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen mich schon auf die Tempo-30-Beschilderung auf den beiden Magdeburger Ringbrücken angesprochen haben
(Zuruf: Viele!)
- in der Regel mit der Frage: Wie lange bleibt denn das so? - Die Antwort ist: Weiß ich nicht, kann ich noch nicht sagen.
(Olaf Meister, GRÜNE, lacht)
Jetzt muss ich es ein bisschen technisch machen, das ist bei dem Thema aber nicht so schlimm. Die Brücken sind untersucht worden, turnusmäßige Revision, und die Schadensbilder sind so, dass die Straßen nur noch einspurig mit Tempo 30 befahrbar sind. Es geht insgesamt um fünf Ringbrücken und um einen Fußgängertunnel, die Brücken sind: Ringbrücke über die Wiener Straße, Rückbau Magdeburg Fußgängertunnel Bereich Buckauer Straße, Ringbrücke über Lemsdorfer Weg/Fermersleber Weg, Ringbrücke über die Liebknechtstraße, Ringbrücke über Brenneckestraße, Ringbrücke über Klinke im Bereich Ackerstraße.
Der Stadtrat hat auf Vorlage der Verwaltung bereits beschlossen, Abhilfe zu schaffen. Abhilfe heißt in dem Fall für alle Brücken ausnahmslos: Abriss und Neubau. Solange das so ist, stehen da Tempo-30-Schilder.
(Zuruf von der AFD)
Die Planungsphase 3, die Entwurfsplanung soll in drei Jahren bis Ende 2027 abgeschlossen sein.
(Guido Heuer, CDU: Oh nein!)
Die Entwurfsplanung kostet 4,4 Millionen €. Phase 4 kostet noch einmal 2,4 Millionen €. Der Bau ist im Moment als Kostenschätzung mit 49,3 Millionen € veranschlagt.
(Zuruf von Guido Heuer, CDU)
Ich nehme Wetten an: Wer wettet, dass das so bleibt … Ich setze darauf keinen Cent; ich denke, dass wir am Ende sicherlich dreistellig werden.
Wer jetzt sagt: „Moment, das ist ja eine Bundesstraße und keine Gemeindestraße“, der hat recht. Das stimmt, aber die kreisfreien Städte tragen die Kosten für die Bundesstraßen selbst; Dessau bald nicht mehr.
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Es gibt auch ein bisschen Geld vom Bund, jährlich um die 3 Millionen € aus der Maut. Aber, meine Damen und Herren, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Für alle diejenigen, die bei FAG-Debatten immer finden, dass die kreisfreien Städte zu gut wegkommen, die können bei dem, was ich gerade aufgezählt habe, noch einmal nachrechnen. Und das, meine Damen und Herren, sind nur die Brücken, und nicht der Rest, die Bundesstraßen, und es sind auch nicht alle Brücken. Die nächste Revision ist nächstes Jahr, dann unterhalten wir uns hier noch einmal. Mal gucken, was dann dabei herauskommt.
(Zuruf von Guido Heuer, CDU)
Jetzt zu den Schadensbildern: Die wesentlichen strukturellen Schäden begründen sich aus den zur damaligen Zeit eingesetzten Baustoffen, einmal durch die Verwendung von spannungsrisskorrosionsgefährdetem Spannstahl. Die Fertigteile BT-70 wurden mit spannungsrisskorrosionsbehaftetem Spannstahl gefertigt. Die Fertigteile weisen unter Ansatz heutiger normativer Grundlagen erhebliche statische Defizite hinsichtlich Querkraftaufnahme und Querkraftbewehrung auf. Den Rest lasse ich jetzt einmal weg.
Was haben wir noch in den Brücken? - Man könnte sagen: Betonkrebs. Richtig heißt das: Alkali-Kieselsäure-Reaktion, AKR - das gibt besonders schöne Rissschäden und Schadensbilder. Dann haben wir noch ein Aufschwemmen von Hohlkörpern und eine ganze Reihe von anderen Sachen, mit denen ich Sie nicht langweilen will.
Aber, meine Damen und Herren, das steht hier nur pars pro toto. Das, was wir hier an den Magdeburger Brücken haben, finden Sie auch überall sonst im Land. Das, was die Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung Magdeburg uns als Stadtrat aufgeschrieben haben, ist wahrscheinlich ungefähr das Gleiche, was die LSBB der Ministerin für ihre Brücken aufschreibt; das ist wahrscheinlich austauschbar. Also, da kommt in den nächsten Jahren tatsächlich noch ein bisschen was auf uns zu.
Was machen wir jetzt? - Zwei Dinge: Wir brauchen mehr Geld. Damit es besser wird, brauchen wir mehr Geld. Im Übrigen haben wir uns als Koalition auch nicht auf den Grundsatz Erhalt vor Neubau verständigt, nicht, weil wir nicht mehr neu bauen wollen, sondern weil wir um die Lage des Landeshaushalts wissen. Wir haben im letzten AID die Mittel freigegeben - nein, wir haben den Finanzausschuss vorgeschlagen, die Mittel freizugeben, aber ich hoffe, die sind so weise, uns zu folgen , um zu betrachten, wo wir auf der Elbe noch ein paar Brücken gebrauchen können, wo es wirtschaftlich ist, Brücken hinzustellen. Ich weiß, Sie haben ganz viele Fähren, das Thema hatten wir auch schon oft. Aber bei den Niedrigwasserständen, die wir haben, ist es irgendwie doof, wenn gar keine Fähre fährt. Möglicherweise ist es dann sinnvoll, eine Brücke zu bauen.
Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass das wirtschaftlicher wäre, dann können wir die Straßenbautitel in der Pfeife rauchen, weil dann reicht das alles vorn und hinten nicht. Nur für die Sachen, die noch vor uns liegen, brauchen wir mehr Geld.
Wir brauchen auch eine Planungsbeschleunigung. Sicher verbessern können wir den Planungsablauf und den Abbau bürokratischer Hindernisse. Das Landesstraßengesetz wird im Moment deshalb novelliert. Bei der Inventarisierung, Überwachung und Sanierungsplanung wird die LSBB vermehrt mit Building Information Modeling, kurz BIM, arbeiten. Das ist ein wichtiger Schritt zur Straffung der Abläufe, aber ob das substanzielle Zeitersparnisse bringt, dahinter mache ich einmal ein Fragezeichen.
Jetzt zum Geld: Da ist mir das Schmunzeln über die Aktuelle Debatte ein bisschen vergangen. Die Grünen beklagen den Investitionsstau, aber in ihrer Regierungsverantwortung hier im Land haben sie keinen Handschlag dafür getan, das zu beheben.
(Guido Heuer, CDU: Aber Öko-Landbau!)
Der Zustand der Landesstraßen ist seit 2017 gleich, die Untätigkeit der GRÜNEN auch. Nun haben ihre beiden Koalitionspartner nicht mehr Geld gefunden, auch nicht in Kenia, auch nicht in der Deutschland-Koalition, das ist so. Aber bei uns ist das kein fehlender Wille, bei uns ist das tatsächlich fehlende Kohle.
Nun werden Sie sagen, es sei die Höhe, den GRÜNEN hier zu unterstellen, sie hätten nicht den Willen, den Zustand der Straßen zu verbessern. Aber es ist nicht die Höhe; denn es gibt auch in den letzten drei Haushalten dieser Wahlperiode keine Regung, da etwas zu unternehmen: kein Antrag für mehr Geld für mehr Straßen, und als Opposition wäre das doch so easy - 40 Millionen € mehr, kommt aus dem Gesamthaushalt, machen Sie bei anderen Sachen ja auch - aber nicht einmal das. Deswegen finde ich es schon ein bisschen schräg, dass wir heute das große Klagelied hören.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und bei der FDP)
Eine letzte Sache noch zu Geld und Infrastruktur: Da wir heute den Polemik-Preis ausgeben, mache ich auch einmal ein bisschen mit. Die GRÜNEN haben kräftig und laut Hurra geschrien, als der BUND die A 14 teuer beklagt hat.
(Zustimmung von Guido Heuer, CDU - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Zuruf: Das stimmt!)
Im Jahr 2004 sollte die jetzige Variante 700 Millionen € kosten, jetzt sind wir bei 2,3 Milliarden €. Ich wette, im Jahr 2030 - bei den Baukostensteigerungen - werden es am Ende 3 Milliarden € sein. Deshalb ist aus heutiger Sicht sonnenklar: Ohne das Theater wäre die A 14 längst fertig, hätten wir 2,3 Milliarden € mehr für unsere Straßen.
(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)
Stellen Sie sich vor, wie gut das heute wäre, und deshalb kann ich den Titel zur Aktuellen Debatte nur zurückgeben: Risse, Schlaglöcher, bröckelnde Brücken - danke dafür.