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Plenarsitzung

Transkript

Juliane Kleemann (SPD): 

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sachsen-Anhalt ist Industrieland und Sachsen-Anhalt soll Industrieland bleiben.

(Zustimmung von Holger Hövelmann, SPD)

Produzierendes Gewerbe wie die chemische oder die Lebensmittel verarbeitende Industrie sorgt in unserem Bundesland für viele Tausend Arbeitsplätze. Viele Unternehmen garantieren mit Tarifverträgen gute Löhne. Wir bekennen uns als Sozialdemokratie deutlich zu diesem Industriestandort, zu unserem Heimatland Sachsen-Anhalt. Dabei ist aber die Energiewende für mich und für meine Partei ohne Alternative.

Stichwort „Energiesicherheit“: Wir machen uns unabhängiger von autoritären Ländern in der Welt. 

Stichwort „Wirtschaftsförderung“: Vor Ort, in den Dörfern und Kleinstädten, entsteht Wertschöpfung. Wir haben gestern über ein Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz schon in Anklängen geredet. Erneuerbare Energien bringen neues Geld in die klammen kommunalen Kassen und sind ein Standortvorteil bei Ansiedlungen. Auch darüber haben wir hier in diesem Parlament schon häufiger geredet.

Stichwort „Umweltschutz“: Für PV-Anlagen und für Windräder brauchen wir kein Endlager, das wir über Jahrzehnte hinweg suchen müssen, brauchen wir keine Beteiligungsprozesse, brauchen wir keine breite Debatte über: „Wo soll es denn hin? Hauptsache, nicht bei mir!“ Unsere Nachfahren werden uns nicht für die Produktion von sauberer Energie verfluchen.

Diese gewaltige gesellschaftliche und wirtschaftliche Pfadänderung benötigt aber auch gewaltige Ressourcen und einen klaren politischen Willen. Die Ausweisung von neuen Energieanlagen, der Netzausbau, der Bau von Speicheranlagen und Forschung kosten Geld. 

Wir haben, als wir als Umweltausschuss vor wenigen Wochen in Portugal gewesen sind, deutlich gehört, die Portugiesen haben vor 20 Jahren in einem großen gesellschaftlichen Konsens beschlossen, in erneuerbare Energien zu investieren. Darauf ist ganz viel ausgelegt. Dieser Konsens steht in Portugal nicht infrage. Ich finde, man kann sich daran ein Beispiel nehmen. Das muss keine Angst lostreten, sondern man kann miteinander und voneinander lernen.

(Zustimmung bei der SPD und von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf einen souveränen Staat, die Ukraine, hat aber auch dazu geführt, dass die Energiepreise stark gestiegen sind. Die Konsequenz: Wir haben es schon mehrmals gehört, dass die Strompreise die Unternehmen, auch in meiner altmärkischen Heimat, zunehmend unter Druck setzen, das Zellstoff- oder Papierunternehmen in Arneburg, die Glas- und Kunststoffproduktion in Gardelegen oder die Milch verarbeitenden Firmen in Stendal und Bismark. Sie brauchen alle Planungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiepreise.

Die Anlagen zur Erzeugung erneuerbare Energien produzieren bereits heute sehr günstig, insbesondere in der Altmark, aber wir haben davon noch nicht so viel. Das muss sich deutlich ändern. Das derzeitige Strommarktdesign und die Zusammensetzung des Strompreises geben diesen Vorteil leider nicht ausreichend den Verbrauchern weiter. 

Wir brauchen fair zusammengesetzte Strompreise für Verbraucher, die lokal produzierten Strom nutzen, und müssen die Netzentgelte senken. Das ist auch für die ländlichen Regionen, die den Strom produzieren, ein wichtiger Standortvorteil. Das haben wir anderen Regionen voraus.

Der derzeitige Vorschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium, einen Brückenstromtarif für energieintensive Unternehmen zu erzeugen, klingt charmant. Der Empfängerkreis ist begrenzt. Die Unternehmen verpflichten sich dazu, ihre Produktion bis zum Jahr 2045 klimaneutral umzustellen. Sie müssen dann dafür eine Standortgarantie abgeben und sich tariftreu verhalten. Dafür soll übergangsweise bis zum Jahr 2030 ein Brückenstromtarif in Höhe von 6 Cent, vielleicht auch 8 Cent garantiert werden. Dafür haben die Energieministerkonferenz vor zwei Wochen in Wernigerode und der Bundesrat in der letzten Sitzung ebenfalls votiert. Sie haben die Einführung des Industriestrompreises deutlich eingefordert. Unser Landesminister Armin Willingmann hat darauf hingewiesen und nicht zum ersten Mal von der Einführung eines Industriestrompreises vs. eines Brückenstrompreises gesprochen. Das ist also auch seitens unseres Ministeriums und unseres Ministers keine ganz neue Idee.

Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Kosten für den Stromnetzausbau. Dass der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller angekündigt hat, diesen Vorschlag noch bis Ende des Jahres vorzulegen, ist erst einmal ein gutes Signal. Es bleibt ungerecht   auch ich will es an dieser Stelle noch einmal sagen  , dass wir hier in Sachsen-Anhalt, die wir einen großen Teil der erneuerbaren Energien produzieren, besonders hohe Netzentgelte haben. Das muss weg und sozusagen umgebaut werden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE) 

Wir hören aber auch deutliche Kritik an der Idee eines Industriestrompreises, insbesondere aus dem Mittelstand. Auch das war hier schon Thema: Wie ist es mit den Bäckereien und Fleischerei, die auch unter hohen Strompreisen leiden? Wenn wir also einen Brückenstrompreis kreieren, wenn er aufgesetzt wird, dann darf diese Befürchtung des Mittelstands nicht aufgehen und darf nicht zur Realität werden. Also, wir müssen einen Brückenstrompreis haben und auch unsere mittelständischen Unternehmen, die besonders hohe Stromverbräuche haben, damit bedenken.

(Beifall bei der SPD)

Deutlich sein muss auch - ich glaube, dabei ist die Industrie nicht so blind und blauäugig, wie wir es vielleicht manchmal auch hier unterstellen mögen  , wenn man sich umschaut, dann weiß man, dass viele Industrieunternehmen mittlerweile schon von selbst auf grüne Energien umsteigen. Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die Angst, dass Anreize verloren gehen, wenn wir die Stromsteuer senken; eher trifft das Gegenteil zu. So viele Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht und wagen sich Stück für Stück an grüne Energien heran, um ihren eigenen Energiebedarf mit grüner Energie zu sättigen, dass mir diese Angst, ehrlich gesagt, nicht Realität zu sein scheint.

Wir haben heute auch schon wieder den Vorschlag gehört - klar; täglich grüßt das Murmeltier  : Atomenergie. 

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja!)

Die Finnen haben von 2005 bis April dieses Jahres gebraucht, um einen neuen Atommeiler zu bauen. Die Bauzeit also: 18 Jahre. Die Kosten für diesen Meiler haben sich vervierfacht. Es kann mir doch keiner erklären, dass Atomenergie wirklich kurzfristig und preiswert die Frage nach unserem Stromhunger beantworten könnte.

(Zuruf von der AfD: Na klar! - Jan Scharfenort, AfD: Genau! Sie schalten die abgeschriebenen schon einmal ab! Es zeigt sich ja gerade, wie unsinnig das war!)

Wenn man dann die Frage stellt, wohin mit dem Atommüll, dann kann man ja sagen, das wird sich schon irgendwie finden. Die Schweden haben in diesem Jahr ihr Atommüllendlager nun endlich gefunden und es wird eröffnet. Sie haben seit dem Jahr 1972 danach gesucht, in einem sehr umfänglichen und ausführlichen Prozess. Das hat richtig viel Geld gekostet. 

Ich will es an dieser Stelle noch einmal sagen: Je mehr Atommüll wir produzieren, umso mehr Atommüllendlager werden wir brauchen. Diese müssen wir dann in unserem eigenen Land aufbauen. Viel Spaß bei der Suche im eigenen Wahlkreis nach einem Atommüll-Endlagerplatz. Ich will ihn in der Altmark, ehrlich gesagt, nicht haben.

Also, wir brauchen für die laufende Energiewende in der aktuellen Situation einen Brückenstrompreis, der gerecht ist, der klare Bedingungen setzt, der niemanden, der energieintensiv unterwegs ist, auf der Strecke bleiben lässt. Ich setze dabei auf eine weitere konstruktive Diskussion und bin zuversichtlich, dass die Energieminister der Länder und das Bundeswirtschaftsministerium eine Lösung finden werden, die für diejenigen in der Industrie, die davon abhängig sind, gut sein wird. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)