Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank. - Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr Zuwanderung braucht unser Land. Ohne qualifizierte Fachkräfte und Erwerbstätige aus anderen Teilen der Welt wird unser Sachsen-Anhalt schlichtweg nicht zukunftsfähig sein.
(Ulrich Siegmund, AfD: Ja, warum nicht?)
Kulturell ärmer und eintöniger wäre es ohnehin. Kulturelle, ethnische und religiöse Homogenität finde nicht nur ich auf Dauer trist. Ich weiß, für manche ist es die politische Verheißung schlechthin, nur vermeintlich Gleiche unter Gleichen zu treffen. Für mich ist es ein Albtraum: nur noch Kartoffeln; weder Nudeln noch Reis und Naan-Brot.
Unter 16 Jahren CDU-Kanzlerinnenschaft gab es in Deutschland tatsächlich eher eine Nicht-Einwanderungspolitik bis hin zur Äußerung eines Horst Seehofer, der es smart fand, auf einer CSU-Tagung im September 2018 festzustellen, Migration sei die Mutter aller politischen Probleme. Spoiler: Das ist Quatsch. Das Gegenteil ist der Fall. Migration ist so alt wie die Menschheit selbst. Unsere soziokulturelle Entwicklung ist ohne Wanderbewegungen von Menschen und ohne einen Austausch über Grenzen hinweg überhaupt nicht denkbar. Die Vorstellung, die Menschheit würde sich auf national umfasste Container verteilen und am besten würden alle in den festen und engen Rahmen bleiben, in die sie zufällig hineingeboren worden sind, spottet jeder historischen Erfahrung und ist letztlich ein faschistoider Traum der Ordnung und Überschaubarkeit. Er wird meist gehegt von Kleingeistern, denen etwas Unübersichtlichkeit, etwas Vielfalt oder etwas Mehrdeutigkeit schnell zu viel werden.
(Jörg Bernstein, FDP: Oh! - Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)
Mit dieser Engstirnigkeit in Sachen Zuwanderung machte erst die Ampelregierung Schluss. Ihr gelang der Aufbruch hin zu einem modernen, echten Einwanderungsrecht.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Mit dem Wahlprogramm zur Bundestagswahl droht zwar wieder eine Einwanderungsverhinderungspolitik, etwa mit einer Zwei-Klassen-Staatsbürgerschaft nach Friedrich Merz, aber selbst diesbezüglich vermute ich am Ende mehr Vernunft als Populismus.
Im Moment stellen sich andere Aufgaben, nämlich das bundesgesetzlich bestehende Einwanderungsrecht in Sachsen-Anhalt umzusetzen und auch auf die hiesigen Regeln zur Berufsanerkennung anzuwenden. Immer wieder hört man Geschichten von Fachkräften, die in unserem Land einfach zu lange auf ihre Berufsanerkennung warten mussten und dann doch in andere Bundesländer weitergezogen sind und dort zu Fachkräften wurden und nicht bei uns. In unserem ureigensten Interesse als Land Sachsen-Anhalt darf das nicht passieren. Das scheint der vorliegende Gesetzentwurf zu leisten.
Ein in der Gesetzesbegründung formuliertes Ziel der Gesetzesänderungen ist etwa, den Antragstellenden einzelfallbezogen entgegenzukommen. Das wurde mehrfach formuliert. Diese Änderungen sollen den zuständigen Stellen mehr Rechtssicherheit bieten und eine einheitliche Rechtsanwendung fördern; samt der Zusicherung, dass in den Verwaltungsverfahren zur Berufsanerkennung grundsätzlich eine schnellstmögliche Bearbeitung angestrebt wird. Diese Ziele unterstützt meine Fraktion ausdrücklich.
Nach einer ersten Einschätzung werden die angedachten Änderungen auch im Sinne dieser Ziele wirken. Im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf werden wir dazu sicherlich noch den ein oder anderen verbesserungswürdigen Aspekt herausfinden und diskutieren. Ich setze auf eine zügige Beratung des Gesetzentwurfes. Denn eine einzelfallgerechte, rechtssichere und zügige Bearbeitung von Anerkennungsanträgen wäre schon gestern gut gewesen. Tun wir das Unsrige, damit wir zumindest morgen in Sachsen-Anhalt endlich so weit sind. Das ist wichtig für uns. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Dr. Heide Richter-Airijoki, SPD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Frau Sziborra-Seidlitz. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Zietmann.
(Felix Zietmann, AfD: Nein, ich habe eine Intervention!)
- Sie saßen aber.
(Felix Zietmann, AfD: Ich war flott unterwegs!)
- Sie saßen, als ich gesehen habe, wie sich gemeldet haben.
(Felix Zietmann, AfD: Ja, gut!)
Lassen Sie, Frau Sziborra-Seidlitz, die Nachfrage zu?
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Ja.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Ja. - Jetzt werden Sie hoffentlich eine Frage formulieren können.
Felix Zietmann (AfD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielen Dank an Frau Sziborra-Seidlitz. Wie formuliere ich das jetzt? - Ich möchte etwas fragen. Sie haben gesagt, dass in den letzten 16 Jahren CDU-Regierung dieses Land eher kein Einwanderungsland war. Ich habe es nachgeschaut: Seit 2005 gab es kaum ein Jahr, in dem weniger als 1 Million Personen hierher eingewandert sind. Wie viele Leute dürfen denn hierher einwandern, damit Deutschland kein Einwanderungsland ist? Das ist die Frage, die ich Ihnen stelle.
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Das kann ich Ihnen gern beantworten. In den meisten Ländern - in Deutschland bislang nicht - gibt es einen Weg für Arbeitsmigration. Es gibt es einen Weg, in die Länder mit dem Ziel zu kommen, dort zu arbeiten. Es gab in Deutschland bislang keinen solchen Weg. Deswegen sind nicht weniger Menschen hierhergekommen. Wir reden an dieser Stelle über Flucht und Migration. Das ist von der Frage der Fachkräftezuwanderung komplett unberührt. Das war tatsächlich lange Zeit der einzige Weg, nach Deutschland zu kommen. Er ist - das will ich an dieser Stelle überhaupt nicht bestreiten , weil es eben der einzige Weg ist, auch von vielen genutzt worden, die eigentlich Arbeitsmigrantinnen und -migranten waren. Wir brauchen die hier. Deswegen brauchen wir einen guten, sortierten und legalen Weg, dass diese Menschen als Arbeitsmigranten zu uns kommen können.