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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich arbeite mich einmal durch die Anträge und beginne mit dem Antrag der AfD. Wir haben in der vorangegangenen und auch in dieser Debatte erklärt bekommen, was der relativ kurze Antragstext bedeutet, nämlich die Unterwerfung unter den Mächtigeren, das Ringen dabei, selbst mächtig zu sein im Aufeinanderprallen der staatlichen Interessen: Deutschland zuerst, Frankreich zuerst, Portugal zuerst, Russland zuerst.

(Zurufe von der AfD)

Herr Moldenhauer hat sich erdreistet, bei der Gelegenheit auch den schwarz-braunen Götterhimmel der Edelnazis wieder salonfähig zu machen,

(Jan Scharfenort, AfD: Schwachsinn!)

indem er hier hat einfließen lassen die Namen Karl Schmidt, Friedrich Georg Jünger,

(Zurufe von der AfD)

Thor von Waldstein - er lebt, glaube ich sogar noch. Also, die Jungs   Mädels sind nicht dabei  , vor denen Sie sich in Ihrem Tempel in Schnellroda auf den Boden werfen und Ihre verschwörungstheoretischen Formeln aufsagen, vermutlich in einem lustigen Singsang. Ich stelle mir das irgendwie interessant vor.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Rüdiger Erben, SPD - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Weg, den Leute wie Karl Schmidt vorzeichnen, die Sicht auf Politik, auf Staaten und ihre Funktion - dies führt   das muss jeder wissen   in den Bombenkeller.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN - Hannes Loth, AfD: Nur Blödsinn kommt da!)

Und wenn man aus dem Bombenkeller wieder herauskommt, liegt die Bäckerei in Trümmern. Das haben wir in Deutschland bereits erlebt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulrich Siegmund, AfD, lacht - Unruhe)

- Dass Sie darüber lachen, kennzeichnet eindeutig, in wessen Interesse Sie unterwegs sind. Das ist nicht das Interesse des deutschen Volkes.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der AfD - Unruhe)

- Damit ist, glaube ich, alles gesagt, was zu diesem Antrag zu sagen ist.

(Zurufe von der AfD - Unruhe)

Zu den Anträgen der LINKEN und der GRÜNEN. Herr Prof. Willingmann hat bereits darauf hingewiesen, dass sich die Anträge der LINKEN und der GRÜNEN weitgehend erledigt haben. Die Intention der LINKEN, so wie sie Frau von Angern hier vorgetragen hat, natürlich nicht. Die große Revolution der Unternehmensbesteuerung und des Sozialwesens ist im dritten Entlastungspaket tatsächlich nicht enthalten, wohl aber eine Lösung für das Thema Übergewinnsteuer, die, glaube ich, jetzt nicht mehr gezogen werden wird aufgrund des Strompreisdeckels und der Abschöpfung über die Erlösobergrenze. Ich stelle mir vor, dass das nicht weniger kompliziert ist als eine Übergewinnsteuer. Ich habe es noch nicht ganz durchdrungen, wie sie das wettbewerbsrechtlich in Brüssel oder in Berlin umsetzen wollen.

Das erlöst uns übrigens nicht von der Frage   das sage ich einmal in Ihre Richtung; Herr Thomas ist nicht mehr anwesend  , darüber zu diskutieren, wie wir in diesem Land Kapitalerträge besteuern. Die Diskussion über eine Übergewinnsteuer ist total berechtigt, wenn man sagt: Es werden Profite mitgenommen, wenn dasselbe Volumen, derselbe Umsatz stattfindet und nur der Gewinn aufgrund einer besonderen Marktlage höher ist. Der Druck auf diese Diskussion wäre viel geringer, wenn wir eine anständige Körperschaftsteuer und eine anständige Kapitalertragsteuer hätten.

(Guido Heuer, CDU: Haben wir doch!)

Denn es ist selbstverständlich nicht einzusehen, dass der Staat die Preiserhöhungen zu einem erheblichen Teil für die nicht so Einkommensstarken wegträgt, während auf der Kapitalseite die Mittel, die dafür vorhanden sind, nicht entsprechend besteuert.

Übrigens, Herr Rausch, der Staat wird sich nicht die Taschen vollmachen. Er wird möglicherweise versuchen, sie sich zu füllen. Sie werden aber hinterher leerer sein, als sie es vorher waren;

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

denn geschätzte Jahreskosten von 65 Milliarden €, um dafür zu sorgen, dass niemand in diesem Land untergeht, dass niemand in eine Situation getrieben wird   das hat die Bundesregierung ganz eindeutig vor  , in der er seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, sind keine Kleinigkeit bei einem Bundeshaushalt von 477 Milliarden € in diesem Jahr.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU - Guido Heuer, CDU: Habeck wird’s schon machen!)

Das ist ein sehr ordentlicher Betrag und er muss irgendwo herkommen. Der Staat ist übrigens   Herr Rausch, das übrigens zu Ihrer gepflegten Information   nicht steuerpflichtig.

(Zuruf von der AfD: Im Schuldenmachen seid ihr doch die Größten! - Weiterer Zuruf)

Die Erlösobergrenze löst übrigens den Begriff soziale Marktwirtschaft in beiden Seiten ein, indem sie sagt   gerade im Bereich der Daseinsvorsorge ist es wichtig, dass wir das tun  , wir lassen nicht zu, dass über eine Marktpreissonderlage eine Situation eintritt, in der die Daseinsvorsorge für den Einzelnen nicht mehr gewährleistet ist, weil der Markt nicht funktioniert. Dasselbe muss auch für Gas gelten. Prof. Willingmann hat darauf hingewiesen, wir brauchen ein solches System auch für den Gaspreis. Das ist wettbewerbsrechtlich möglicherweise noch komplizierter. Zudem brauchen wir eine Möglichkeit   das ist in der Tat eine offene Flanke des dritten Entlastungspaktes  , um den Mittelstand über Wasser zu halten.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Das ist bis jetzt nicht berücksichtigt worden. Diese beiden Dinge sind Forderungen der sozialdemokratischen Landtagsfraktion in Richtung Berlin. Über all das werden wir in einer Reihe von Ausschüssen, wie ich mir gerade erlesen habe, beraten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Dr. Schmidt. Es gibt zwei Interventionen, und zwar von Herrn Dr. Tillschneider und von Herrn Loth. - Bitte, Herr Dr. Tillschneider.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Wer Menschenrechte sagt, der will betrügen. Was man in Schnellroda lernt, ist ein kühler und nüchterner Blick auf die realen Machtverhältnisse in der Politik und in der Welt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre ganze verlogene Moralrhetorik einmal beiseiteschieben würden, wir uns einmal so über diese Sache unterhalten und Sie einmal sagen würden: Wir sind dafür, uns an die Seite des US-Hegemons zu stellen, weil wir denken, er hat mehr Power, und deshalb wollen wir mit den USA gegen Russland     Das wäre eine ehrliche Aussage und dann könnte man darüber diskutieren. Aber wissen Sie, was das Problem ist? Ihnen würden die Argumente für diese Meinung ausgehen.


Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Herr Tillschneider, als sich am 23. Mai 1863 in Leipzig in einem inzwischen abgerissenen Haus zwölf Leute getroffen haben, um den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zu gründen, haben sie sich zum Programm gemacht, eine Gesellschaft zu errichten, und zwar nicht nur in Deutschland, das es damals noch nicht gab, in der nicht die Regel gilt, der Schwächere beugt seinen Nacken vor dem Stärkeren und darf dann entrechtet, ausgebeutet, versklavt, gedemütigt werden. Das haben sie vor beinahe 160 Jahren so beschlossen.

(Zuruf)

Die deutschen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen seit beinahe 160 Jahren auf diesem Punkt.

(Beifall bei der SPD - Frank Otto Lizureck, AfD: Das war sie einmal! - Thomas Korell, AfD: Schon lange nicht mehr! - Weitere Zurufe von der AfD)

Ich kann es Ihnen auch anders sagen, und zwar so, wie es Ernst Reuter auf dem Platz vor dem Schöneberger Rathaus 1948 gesagt hat: Wir wählen die Freiheit. Ihre Wahl kann eine andere sein. Wir wählen die Freiheit, so wie es die Menschen 1989 auf den Plätzen in Ostdeutschland auch getan haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt spricht Herr Loth.


Hannes Loth (AfD):

Ich möchte mich zu der Dystopie, die Sie angemalt haben, nämlich dass wir erst zufrieden sind, wenn die Politik der AfD die Deutschen dazu gezwungen hat, sich in den Bombenkellern zu verkriechen, äußern. Ich möchte Ihnen ganz eindeutig sagen, dass es SPD und GRÜNE waren, die in Regierungsverantwortung waren und dafür gesorgt haben, das Bomben auf Länder fielen, die völkerrechtswidrig überfallen wurden. Das waren Sie, Sie als Partei, Sie als Fraktion. Sie als die den Bundeskanzler stellende Partei haben dafür gesorgt, dass Leute in Bombenkellern sitzen müssen und bedroht werden, und das mithilfe von deutschem Geld und von deutschen Bomben.

(Beifall bei der AfD)


Dr. Andreas Schmidt (SPD):

Herr Loth, ich weiß nicht - vielleicht wissen Sie es auch nicht -, worauf Sie genau abheben. Wenn Sie den Krieg im Irak meinen, dann hat Deutschland daran nicht teilgenommen, weil eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung gesagt hat, wir nehmen daran nicht teil.

Wenn Sie die Kriege im Balkan in den 90er-Jahren meinen,

(Zuruf von der AfD: Daran seid ihr unschuldig!)

dann haben Europa und auch Deutschland eine Politik eingeschlagen, die gesagt hat, die Brüder im Geiste Ihrer AfD, die Faschisten in Belgrad um Milošević

(Zuruf von der AfD: Leute, ist das nicht zu primitiv! Das ist doch bescheuert! - Weitere Zurufe von der AfD - Unruhe)

müssen in Europa gestoppt werden. Das ist viel zu spät gelungen und dafür sind Hunderttausend Leute gestorben.

(Zuruf von der AfD: Jetzt reicht es aber! - Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Das sind doch Propagandamärchen! Billige Propaganda! - Zuruf von der AfD: Ich habe einen Geschäftsordnungsantrag! - Weitere Zurufe von der AfD - Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Wie bitte? - Ich verstehe kein Wort. Herr Dr. Schmidt hat auf eine Intervention von Herrn Loth reagiert. Herr Loth möchte dazu jetzt noch einmal Stellung nehmen.

(Zuruf von der AfD: Er hat uns beleidigt; er hat nicht reagiert! Was soll denn das? Er hat uns als Faschisten beleidigt, wo sind wir denn hier! - Tobias Rausch, AfD: Wir haben die Faxen dicke und beantragen jetzt eine Sitzung des Ältestenrates! - Zurufe von der AfD: Eine Frechheit war das! - Faschisten im Geiste! - Zuruf: Ich habe ein Arbeitsleben hinter mir!)

- Herr Loth hat eine Frage gestellt, Herr Dr. Schmidt hat darauf geantwortet. Er hat auf den Krieg im Balkan in den 90er-Jahren Bezug genommen. Jetzt hat Herr Loth eine Frage.

(Tobias Rausch, AfD: Ein Geschäftsordnungsantrag auf Einberufung des Ältestenrates ist vorher zu behandeln!)

  Wozu denn?

(Zuruf: Zu der Aussage von Herrn Schmidt! - Tobias Rausch, AfD: Zu der Sitzungsleitung! Wir wollen jetzt eine Aussprache! - Lachen bei den GRÜNEN - Weitere Zurufe)

- Ich stelle den Antrag zur Geschäftsordnung, den Ältestenrat einzuberufen, zur Abstimmung, und zwar erstens zur Sitzungsleitung und zweitens zu den Aussagen von Herrn Dr. Schmidt auf die Intervention von Herrn Loth. Wer diesem Geschäftsordnungsantrag auf Einberufung des Ältestenrates zustimmt, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen? - Das ist die Fraktion der AfD.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Wer ist dagegen? - Das ist das übrige Haus. Es gibt keine Enthaltung. Somit ist der Geschäftsordnungsantrag abgelehnt worden.

Jetzt hat Herr Loth darauf reagieren wollen. - Das hat er jetzt aber aufgegeben.

(Hannes Loth, AfD: Das hat bei dem Herrn Schmidt keinen Sinn!)

Damit ist der Beitrag von Herrn Dr. Schmidt beendet. - Vielen Dank, Herr Dr. Schmidt. - Als letzte Debattenrednerin spricht Frau von Angern.

(Daniel Rausch, AfD: Das darf doch wohl nicht wahr sein! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)