Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Präsident, ich bin dankbar für diese Form parlamentarischer Gleichbehandlung. Wir hatten das Thema an anderer Stelle.
Meine Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Herr Pott, niemand, keine Bürgerin, kein Bürger, hat auf diese Debatte gewartet; denn Selbstbespiegelung zum Fortschritt der Digitalisierung im Land braucht es nun wirklich nicht. Die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts warten auf den Bus auf dem Land, aber auch im digitalen Raum. Gewartet wird analog auf einen gut ausgebauten Nahverkehr und digital auf den digitalen Bürger- und Unternehmensservice Sachsen-Anhalt, den BUS. Nun kommt dieser BUS bei der Verwaltung meist noch nicht an den Start, dabei ist er der unmittelbare Praxistest zum Stand der Verwaltungsdigitalisierung im Land; denn lesen wir einmal dort auf der Website nach - ich zitiere : „Mit dem BUS LSA erledigen Sie viele Verwaltungsangelegenheiten online“ - wenn Sie denn das wirklich verwirrende Landesportal gemeistert haben.
Ich empfehle Ihnen, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, suchen Sie dort einmal etwas, und ich meine keinen Flyer, der als PDF eingestellt ist. Wenn Sie zum BUS LSA gekommen sind, dann können Sie nach der Eingabe Ihrer Heimatkommune und Ihrer Postleitzahl Ihr Anliegen eingeben. Sie erhalten dann zuallermeist eine Seite mit hilfreichen Hinweisen - das meine ich ernst - und der Adresse des zuständigen Amtes. Das ist nett, ohne Frage. Aber schon bei den zugehörigen Öffnungszeiten hapert es, und von elektronischer Antragstellung ist fast gar nichts zu sehen. Eigentlich sollten schon seit zwei Jahren Hunderte Verwaltungsdienstleistungen digital verfügbar sein. Tatsächlich sind aktuell bundesweit 159 OZG-Dienstleistungen komplett online nutzbar. Im Land kommen 38 landesweit nutzbare hinzu, das sind insgesamt 197 Digitaldienste - von 575 OZG-Leistungen. Ein Bruchteil.
Mit dem Gesetz zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des IT-Staatsvertrages haben CDU, SPD und FDP vor ein paar Wochen das bereits verstrichene Ziel von fast 600 digitalen Verwaltungsvorgängen bis Ende 2022 für Bund und Länder kassiert. Immerhin ist damit die mangelnde Realitätsverweigerung zum mangelnden Fortschritt bei der Verwaltungsdigitalisierung beendet.
Ich hatte in diesem Zusammenhang Meilensteine bzw. klar überprüfbare Zielsetzungen zum Upload unserer Verwaltungsdienstleistungen in Sachsen-Anhalt angemahnt. Eine Liste aller fast 600 Leistungen mit einer rot-gelb-grün Ampel zum Status und ein zeitlicher Zielhorizont zur Onlineverfügbarkeit je Verwaltungsdienstleistung - das wäre die Aufgabe. Bürgerinnen und Bürger interessieren sich nicht für Staatsverträge. Sie wollen wissen, wann sie endlich vom Schreibtisch, Smartphone oder Tablet aus ihre Behördengänge erledigen können.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)
Eine solche Ampel würde Transparenz ermöglichen und auch die Überprüfung des behaupteten Fortschritts. Ja, dabei sind Landeszuständigkeiten und kommunale Angelegenheiten gekoppelt. Das aber ist für den Nutzer und die Nutzerin egal. Bürger*innen wollen staatliche Dienstleistungen nutzen. Zuständigkeitsfragen sind komplett uninteressant.
Hinzu kommt, dass der BUS verspricht - ich zitiere erneut - „das Serviceangebot für die unmittelbare und mittelbare Landesverwaltung“ zu sein, wobei die mittelbare Verwaltung bekanntlich die Kommunen sind. Eine Betrachtung des insgesamt verfügbaren Angebots aus den einzelnen Kommunen mit 66 OZG-Leistungen, die zumindest in einer Kommune im Land verfügbar sind, zeigt uns die nächste Dimension der großen Aufgabe zur Verwaltungsdigitalisierung. Für den Erfolg der digitalen Verwaltung braucht es deren umfassendes Angebot überall, bis in die Orte der letzten Milchkanne. Der Einstieg des Landes in die KITU, die IT-Genossenschaft unserer kommunalen Familie im Land, war ein wichtiger Schritt zur Partnerschaft mit den Kommunen genau dafür.
Der äußere Anlass für die heutige Debatte: Das Ranking des OZG-Dashboards vergleicht uns mit den anderen Bundesländern, mehr aber auch nicht. Natürlich begrüßen wir das Vorankommen Sachsen-Anhalts in diesem Ranking. Wer könnte das nicht begrüßen? Gut gemacht, weiter geht’s. Nicht reden, bitte. Machen. Denn aus vielerlei Gründen braucht es eine Digitalisierung der Verwaltung und ihrer Dienstleistungen für Bürgerinnen und Unternehmen in Stadt und Land.
Bei steigenden Personalkosten und sinkender Einwohnerzahl sowie dem Fachkräftemangel müssen wir endlich eine Strukturdebatte zur Organisation der Landesverwaltung führen, aber bitte verbunden mit der Digitalisierung der Verwaltung in all ihren Facetten. Auf Sprachmodellen aufbauende sogenannte künstliche Intelligenz können wir dabei als Beschleuniger schon antizipieren. Also nicht nur E-Akte und digitalen Workflow über alle Ebenen von Beantragung bis Widerspruch, sondern bitte auch gleich die Frage beantworten: Was kann die Kollegin KI in zwei Jahren davon schon selbst erledigen?
Frei werdendes Personal kann sich dann den schwierigen Einzelfällen widmen oder mehr Zeit in komplexe Genehmigungsverfahren stecken. Wir werden aber am Ende - auch das ist heute schon deutlich geworden - substanziell nicht weniger Personal brauchen. Wir sehen, dass die Genehmigungsplanung z. B. von Windparks nicht nur digitalisiert werden muss, sie sollte auch besser zentralisiert und zusammengefasst werden. So lassen sich Personalressourcen besser nutzen. Im Übrigen kann die Bündelung ähnlicher Genehmigungsfragen und gemeinsamer juristischer und technischer Gemengelage dann wieder auf der Basis von künstlicher Intelligenz bearbeitet werden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung entlasten.
Digitalisierungs- und Strukturdebatten der Verwaltung müssen wir bitte klug miteinander und gemeinsam denken. Auf der anderen Seite muss E-Government nicht nur das Gegenteil vom Ziehen einer Wartenummer sein, sondern es muss auch besser als bisher organisiert werden. Um das zu erreichen, ist ein Digitalcheck, der seinen Namen verdient, für den gesamten Prozess von Gesetzesvorhaben und Prozessdigitalisierung nötig. Wer einen schlechten Prozess digitalisiert, der hat immer noch einen schlechten Prozess, nur dann digitalisiert. Ich hoffe, das ist jetzt parlamentsrechtskonform.
Unser Ziel ist eine einheitliche App für alle digitalen Verwaltungsangebote. Wir sehen eine Deutschland-App als zentralen Baustein einer neuen Vision des digitalen Staates - modern, sicher zugänglich, barrierefrei, anwendungsfreundlich, medienbruchfrei. Wir wollen die Bürger*innen dort abholen, wo sie sind: auf dem Smartphone oder dem Tablet.
Ein eigener Landes-BUS hat dann zukünftig ausgedient. Ein nutzungsfreundlicher und zentraler Zugangspunkt mit einer zu verwaltenden digitalen Identität mit Username und Passwort statt diverser Services und mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, wie es das neue OZG 2.0 nun vorsieht.
Ganz wesentlich bei der Zusammenführung ist die Registermodernisierung. Damit - Kollege Grube hat es angesprochen - kann das Once-Only-Prinzip verwirklicht werden. Bereits in Registern gespeicherte Angaben und Nachweise müssen nicht immer wieder aufs Neue vorgelegt werden. Zudem wird die Qualität der Registerdaten deutlich und nachhaltig gesteigert. Es gilt, dafür im Land zu klären, welche registerführenden Stellen wir bereits haben, welche Informationen dort vorliegen, um sie in die Digitalisierungsprozesse einzubinden. Dazu wird es ganz sicher Nachfragen geben.
Andere Staaten wie Australien und Österreich haben bereits eine einheitliche App für ihre digitalen Verwaltungsangebote. An ihnen kann man sich orientieren und dies wiederum auf unseren Ebenen im Land mitdenken, Stichwort Schnittstellen und Co.
Der moderne Staat muss digital sein und zuverlässig funktionieren. Die Verwaltungsdigitalisierung ist aber noch nicht dort, wo wir sie haben müssen; denn - siehe meine Eingangsbemerkung - derzeit sind viele digitale Leistungen oftmals noch gar nicht vorhanden. Der BUS ist leer. Das muss sich ändern. Wir werden das im Land zuständige Ressort an seinen Leistungen dazu messen.- Herzlichen Dank.