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Plenarsitzung

Transkript

Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Frau Weidinger. - Wir setzen die Regierungsbefragung fort. Als nächstes folgt die Fraktion DIE LINKE. - Frau von Angern, bitte.


Eva von Angern (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Wir nehmen seit geraumer Zeit wahr, dass bei Kindern, insbesondere bei Kleinstkindern, die Zahl der Atemwegserkrankungen zunimmt, dass häufig eine ambulante Versorgung auch nicht mehr ausreichend ist, sondern dass eine stationäre Behandlung erforderlich ist. Wir haben parallel ganz aktuell dazu die Zahlen des Statistischen Bundesamtes erhalten, aus denen hervorgeht, dass in den Kinderkliniken in Sachsen-Anhalt im letzten Jahr in Gänze 74 Betten abgebaut worden sind.

Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung diese Zahl kennt und frage, wie sie diesen Abbau einschätzt. Ich verweise auf die Stellungnahme der Krankenhausgesellschaft, die den Abbau dieser Betten damit begründet, dass insbesondere die Behandlung von Kindern aufwendig und wenig kostenträchtig ist.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Frau Grimm-Benne möchte diese Frage gern beantworten.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau von Angern, es gab heute nicht nur die Zahl des Statistischen Bundesamtes, sondern die „Süddeutsche Zeitung“ hat ziemlich exklusiv über diese Zahlen berichtet. Und Sie haben auch die Einschätzung der Krankenhausgesellschaft dargestellt.

Ich habe, glaube ich, in den letzten zwei Jahren sehr viele Ausführungen zu den Bereichen Pädiatrie und Geburtshilfe gemacht und gesagt, dass wir es mit großer Sorge betrachten, dass hinsichtlich dieses DRG-Systems insbesondere die Kinder- und Jugendmedizin notleidend ist und dass viele Kliniken diese Stationen aufgrund des wirtschaftlichen Erhalts abbauen.

Ein Beispiel haben wir erlebt: Der Kampf um den Bereich Gardelegen, wo wir jetzt sowohl mit finanziellen Mitteln als auch mit der Personalsuche gegensteuern wollen, was ein ganz, ganz wichtiger Bereich ist. Es geht darum, gute Kinder- und Jugendmediziner zu finden, die auch bereit sind, in den ländlichen Raum zu gehen, um dort eine gewisse Grundversorgung zu machen.

Sie wissen, dass sich das Städtische Klinikum Magdeburg mit der Uniklinik und mit der Altmark-Klinik zusammengetan hat, um genau diesen Bereich, den Nachwuchs an Kinder- und Jugendmedizinern, zu gewährleisten. - Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt. - Es war eine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Dazu kam es natürlich zu einer Debatte im Bundestag. Sie wissen, dass das Bundesgesundheitsministerium zusammen mit den Regierungsfraktionen einen Änderungsantrag zum Krankenhausentlastungsgesetz eingebracht hat. Darin ging es darum, kurzfristige Maßnahmen, insbesondere in der Kinder- und Jugendmedizin, zur Verfügung zu stellen.

Sie wissen, dass für die Jahre 2023 und 2024 Mittel in Höhe von 300 Millionen € zur Verfügung gestellt werden, um nicht nur leistungsbezogen DRG einzuführen, sondern um hinsichtlich der Vorhaltekosten ein Umdenken anzuregen. Sie kennen sicherlich die Ergebnisse der Krankenhauskommission, die uns genau sagen: Das sind die wichtigen Zwischenschritte.

Das Gleiche werden wir jetzt auch ganz schnell bei der Geburtshilfe machen. Ich war Frau Sziborra-Seidlitz sehr dankbar, weil sie sehr deutlich gemacht hat, wie wichtig es ist, wenn so eine Krankheitswelle, eine Virenwelle kommt, von der gerade Kinder und Jugendliche sehr betroffen sind, dass wir dann tatsächlich Betten vorhalten können.

(Eva von Angern, DIE LINKE und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE, nicken)

Mit diesen Maßnahmen, die ich jetzt sehr schnell aufgezählt habe, wollen wir dem begegnen. Kurzfristig kann man sowieso nicht umsteuern. Aber ich will ich noch einmal auf die dringliche Anfrage von Frau Sziborra-Seidlitz zu dieser heutigen Landtagsitzung zurückkommen: Sie wissen, dass wir dort, insbesondere bei den pädiatrischen Stationen, über ein sogenanntes Kleeblattsystem verfügen, welches sich während der Coronapandemie sehr bewährt hat, und dass wir auch jetzt wieder Verlegungen durchführen.

Im Augenblick ist die Situation zwar sehr angespannt, aber wir schaffen es, uns gegenseitig zu unterstützen, sodass wir jedenfalls hier im Land nicht die Bilder sehen, die Sie im Fernsehen gesehen haben, nämlich dass Kinder auf den Fluren warten müssen oder dass wir sie nicht mehr annehmen können, sondern wir können im Augenblick noch die Versorgung gewährleisten.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Herr Gebhardt hat die erste Frage.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben eben die Bilder angesprochen, die aktuell in den Nachrichten aus den Kinderkliniken zu sehen waren und noch zu sehen sind. Wie würden Sie es rückwirkend bewerten, dass innerhalb eines Jahres 74 Betten alleine in Sachsen-Anhalt abgebaut worden sind und wir jetzt in der Situation sind, die Sie eben auch so beschrieben haben? Sehen Sie dabei Versäumnisse auf Landesseite? Sehen Sie Versäumnisse auf Bundesseite? Würden Sie rückblickend Dinge anders machen? - Das ist der erste Fragenkomplex.

Der zweite Fragenkomplex. Sie haben eben die Bundesmittel angesprochen. Sie sprachen von 300 Millionen €, die insgesamt für nächstes Jahr in Aussicht gestellt worden sind. Könnten Sie das einmal auf Sachsen-Anhalt herunterbrechen? Wie viel davon kommt in Sachsen-Anhalt an? Könnten Sie diesen Betrag, der für Sachsen-Anhalt übrigbleibt und hier ankommt, auch bewerten?


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Die 300 Millionen € sollen insbesondere in dem Bereich der Pädiatrie eingesetzt werden, um auf Ihren zweiten Fragenkomplex Antwort zu geben, weil das in den Sachzusammenhang passt, wo schon jetzt pädiatrische Stationen mit dem Sicherstellungszuschlag arbeiten, die schon jetzt gesagt haben, dass es nicht auskömmlich ist. Wir haben, glaube ich, fünf Standorte, die schon jetzt den Sicherstellungszuschlag haben, auch in dem Bereich der Geburtshilfe. Die wollen wir zusätzlich unterstützen.

Ich müsste Ihnen jetzt hinsichtlich der Verteilung die Antwort schuldig bleiben, weil wir, glaube ich, dem Vorschlag der Expertenkommission gefolgt sind, insbesondere in den ländlichen Raum Unterstützung zu geben und nicht nur nach dem Königsteiner Schlüssel vorzugehen, sondern nach dem tatsächlichen Bedarf.

Jetzt müssten Sie mir zu Ihrem ersten Fragenkomplex helfen.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Ich habe gefragt, wie Sie den Abbau rückblickend bewerten und wo Sie auf Bundesseite und auf Landesseite Versäumnisse sehen.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Ich will einmal sagen: Es sind keine Versäumnisse. Vielmehr konnte man in den letzten zwei Jahren, insbesondere nach der Coronapandemie sehen, dass hinsichtlich der Krankenhauspolitik und des DRG-Finanzierungssystems ein Umdenken stattfindet, dass es nicht nur darum geht, sich Fälle auszusuchen, die wirtschaftlich gut abzurechnen sind.

Die Fälle der Kinder- und Jugendmedizin waren schon immer schlecht bezahlt. Deswegen haben sich Krankenhäuser auch umorientiert und ggf. in dem Bereich Plätze abgebaut.

Das hat dazu geführt, dass wir in unserer jetzigen Koalitionsvereinbarung genau dort einen Schwerpunkt gesetzt haben. Ich bin ganz stolz darauf, dass es insbesondere aus den östlichen Bundesländern gekommen ist, die sozusagen viele große Flächen und weite Wege für die Eltern haben. Die Vertreter dieser Bundesländer haben gesagt, wir brauchen hier eine Grundversorgung.

Deswegen bin ich ganz froh, dass die Bundesregierung jetzt schon mit den Bundestagsfraktionen die Zwischenschritte vereinbart hat, sodass wir im Jahr 2023 schon beginnen können, auch an dieser Stelle umzusteuern.


Präsident Dr Gunnar Schellenberger:

Danke. - Die nächste Nachfrage kommt von Frau Anger.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Ja, Frau Ministerin, Sie haben Gardelegen bereits angesprochen. Mich würde interessieren, ob Sie rückblickend meinen Eindruck teilen, dass es ein Fehler war, die Kinderklinik in Gardelegen vorübergehend vom Netz zu nehmen.

Und ich würde gern wissen wollen, was Sie jetzt ganz konkret tun werden, um Gardelegen so schnell wie möglich wieder an das Netz zu bekommen. Im Moment ist im Gespräch, dass dort etwa vier bis acht Betten wiedereröffnet werden sollen. Wir sehen ja gerade, wie akut es ist, dass wir diese Betten benötigen. Also was tun Sie ganz konkret und wann geht es los?


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Frau Anger, wenn ich könnte, würde ich sagen, mit Geld kann ich vier bis fünf Betten aufstellen, auch in Gardelegen. Aber ich brauche dazu Fachpersonal. Das war ja immer die Problematik, die wir bei diesen ganzen Standortfragen hatten, dass man nämlich Personal zusammenziehen muss, damit man den Personalschlüssel erfüllen kann.

Dazu habe ich Ihnen ja vorgestellt, dass wir ein neues Versorgungsmodell aufmachen wollen, an dem mehrere Kliniken gestaffelt beteiligt sind, damit wir auch in Gardelegen - ich will nicht sagen, ein rotierendes System haben - Ärzte haben.

Denn es geht bei diesem Thema nicht nur darum, dass wir wieder mehr Betten benötigen, sondern wir brauchen ja auch Qualität in dem Bereich. Die Qualität erreichen wir nur mit Fachpersonal, das in ausreichender Zahl vorhanden sein muss. Sie alle kennen unsere Bemühungen, um auch für Gardelegen wieder Fachpersonal zu bekommen.


Präsident Dr Gunnar Schellenberger:

Danke. - Die letzte Nachfrage bei der Regierungsbefragung stellt Herr Gallert. - Bitte.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Frau Ministerin, wir haben jetzt die folgende Situation: Frau von Angern hat schon gesagt, wie stark der Abbau im Bereich der Kinderkliniken in diesem Jahr vollzogen worden ist. Jetzt liegt der Bericht der Expertenkommission von Prof. Lauterbach auf der Bundesebene vor, der in seiner Analyse unsere Kritik vollständig bestätigt, nämlich das radikale Scheitern des DRG-Systems, insbesondere im Bereich der Kinderkliniken. - Das ist aber noch kein Regierungshandeln auf der Bundesebene.

Auf der Landesebene warten wir immer noch auf ein ominöses Gutachten zur Perspektive der Krankenhausentwicklung. Was muss denn jetzt passieren, damit sich dieser schädliche Abbau von Kapazitäten nicht in den nächsten drei Jahren fortsetzt und damit Sie sich dann nicht im Jahr 2025 oder im Jahr 2026 hinstellen und resümieren, dass das alles falsch gewesen sei und dass wir jetzt Dinge völlig neu wieder aufbauen müssen?

Was ist jetzt die Handlungsstrategie im Jahr 2023, um diesen permanenten Abbau von Kapazitäten in Kinderkliniken sofort zu stoppen, um dann sozusagen wieder konsolidiert in eine neue Phase eintreten zu können?

Also, wie gesagt, das Gutachten auf der Landesebene ist immer noch nicht da, wenn ich das richtig gehört habe. Wie lange wollen wir denn jetzt noch warten, bis wir handeln?


Präsident Dr Gunnar Schellenberger:

Danke. - Frau Ministerin bitte.


Petra Grimm-Benne (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung):

Also erst mal muss man sagen, wir haben uns jetzt über Kinder- und Jugendmedizin unterhalten. Und wir reden nicht nur über das Ergebnis der Expertenkommission, sondern Herr Gebhardt hat mich, wenn ich es richtig verstanden habe, gefragt, wie wir denn im Jahr 2023 beabsichtigen, die zusätzlichen Gelder, die jetzt schon beschlossen worden sind, im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin zu verteilen.

Also, um ein schnelleres Handeln der Bundesregierung in einem so schwierigen Bereich und um ein Umsteuern zu Vorhaltekosten, um sozusagen die Möglichkeit zu geben, jedenfalls mit finanziellen Mitteln, die Bereiche, die wir zugemacht oder reduziert haben, wieder aufzubauen, geht es ja nicht. Es gibt jetzt schon zur Notfallversorgung, zur Pädiatrie und zur Geburtshilfe exakte Aussagen und auch schon Gesetze, die es uns ermöglichen, im Jahr 2023 weiterzumachen.

(Zustimmung bei der SPD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Damit ist die Regierungsbefragung beendet.