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Plenarsitzung

Transkript

Tagesordnungspunkt 11

Erste Beratung

Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 8/5018


Einbringerin ist für die Landesregierung Frau Ministerin Zieschang. - Frau Zieschang, Sie haben das Wort. Bitte sehr. 


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport): 

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Diese Novelle zum Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt, kurz: SOG, ist von mir vor vielen Monaten angestoßen worden. Die erste Kabinettsbefassung fand im November 2024 statt. Danach folgte eine umfassende Anhörung. Der Gesetzentwurf hat durch die Anhörung aber keine wesentlichen Änderungen erfahren. 

Mit dieser Novelle soll die Landespolizei neue, an die aktuelle Sicherheitslage angepasste Befugnisse erhalten. So sollen die Höchstdauer des Präventivgewahrsams für terroristische Gefährder verlängert sowie die Befugnis zum Einsatz automatischer Kennzeichenerkennungssysteme und die Befugnis für automatisierte Datenanalysen eingeführt werden. Außerdem soll der Opferschutz in Fällen häuslicher Gewalt verbessert werden. Konkret geht es um Folgendes: 

Zunächst zum Präventivgewahrsam. Der Vorschlag, den Präventiv- oder Verhinderungsgewahrsam zur Abwehr einer terroristischen Straftat zu verlängern, resultiert aus einem Sachverhalt aus dem Sommer 2023. Damals reichten die bestehenden Befugnisse im SOG allein nicht aus, um eine potenzielle Gefahr abzuwehren. Auf richterliche Anordnung hin wurde ein Gefährder im Juli 2023 für vier Tage in Verhinderungsgewahrsam genommen. Diese vier Tage waren jedoch nicht ausreichend, um erforderliche strafrechtliche Ermittlungen hinreichend zu verdichten oder um die erforderlichen Voraussetzungen für eine freiwillige Ausreise des Gefährders zu organisieren. Der Gefährder musste wieder auf freien Fuß gesetzt und anschließend personalintensiv rund um die Uhr bis zu seiner Ausreise begleitet werden. Der Einzelfall war dadurch gekennzeichnet, dass der Gefährder glaubhaft gemacht hat, dass er fest dazu entschlossen ist, deutsche Polizeibeamte auch unter Einsatz seines eigenen Lebens zu töten. 

Der Gesetzentwurf sieht für den Präventivgewahrsam zur Abwehr einer terroristischen Straftat eine Höchstdauer von 14 Tagen mit einer Verlängerungsmöglichkeit von einmalig 14 Tagen und nochmals einer Verlängerungsmöglichkeit von einmalig höchstens sieben Tage vor. Bei der geplanten zeitlichen Ausweitung des Präventivgewahrsams geht es allein um die Verhinderung von terroristischen Straftaten und nicht um das Festsetzen z. B. von Klimaklebern. In allen anderen Fällen bleibt es also bei der derzeit geltenden Höchstdauer für den Präventivgewahrsam von vier Tagen. 

Nun zu den automatisierten Kennzeichenerkennungssystemen. In Abgrenzung zu § 163g der Strafprozessordnung soll zukünftig auch in Sachsen-Anhalt der Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme zu präventiven Zwecken möglich sein. In zwölf Bundesländern bestehen bereits entsprechende Befugnisse für die Polizei. In Sachsen-Anhalt war das bislang nicht der Fall. Die Landespolizei hat in der Vergangenheit bereits Fahndungsdaten an andere Bundesländer übermittelt, damit diese auch nach Maßgabe der dort bestehenden präventiven Befugnisse zum Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme genutzt werden können. Nunmehr soll es eine eigene gesetzliche Grundlage zum Einsatz mobiler und stationärer Systeme geben. Ein flächendeckender Einsatz im Land Sachsen-Anhalt ist nicht vorgesehen. Es geht um die Erkennung auf Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen. 

Zur operativen strategischen Datenanalyse. Wegen des stetigen Anstiegs von vorhandenen und auszuwertenden Daten bei der Polizei bedarf es auch in Sachsen-Anhalt der Möglichkeit, automatisierte Datenanalysen durchzuführen. Im Vergleich zum bereits normierten Datenabgleich zeichnen sich automatisierte Datenanalysen dadurch aus, dass sie darauf gerichtet sind, neues Wissen zu erzeugen. Die Vorschrift ermöglicht es der Polizei, unter den verfassungsrechtlich zulässigen Voraussetzungen entsprechende Datenanalysen vorzunehmen. 

Zwischen dem Bund und den Ländern ist bereits die Beschaffung einer Software zur operativen und strategischen Datenanalyse abgestimmt. Mit dieser Novelle zum SOG sollen die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich Sachsen-Anhalt an den bundesweiten Vorhaben beteiligen kann. 

Nun zum Opferschutz in Fällen häuslicher Gewalt. Mit dieser Novelle soll der Schutz von Opfern und von potenziellen Opfern häuslicher Gewalt deutlich verbessert werden. Hierfür soll die Möglichkeit der Einrichtung umfassender Daten- und Übermittlungssperren und der Ausstattung der Opfer, ihrer Angehörigen oder ihnen sonst nahestehender Personen mit einer vorübergehenden Tarnidentität geschaffen werden. Zudem werden Regelungen zur behördlichen Zusammenarbeit und zur Zusammenarbeit mit Organisationen zur Beratung von Opfern auch im Rahmen von Fallkonferenzen eingeführt. 

Ein weiterer sehr wesentlicher Baustein zur Stärkung des Opferschutzes sind die Regelungen zur Datenübermittlung von den Gerichten, die Entscheidungen in Gewaltschutzsachen treffen, an die Polizei und die Waffenbehörden. 

Zum Schluss will ich noch darauf hinweisen, dass in dem Gesetzentwurf auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den letzten Jahren zum Polizeirecht berücksichtigt worden ist. Des Weiteren berücksichtigen wir aktuelle Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt. Nach der Rechtsprechung des OVG bedarf es einer expliziten Ermächtigungsgrundlage für die Durchsuchung von Wohnungen bei der Vollstreckung von Verwaltungsakten. Auch diese Ermächtigungsgrundlage wollen wir schaffen. 

Insgesamt eröffnet dieser Gesetzentwurf die Möglichkeit, das SOG in dieser Legislaturperiode ein zweites Mal maß- und zugleich wirkungsvoll fortzuentwickeln. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Frau Ministerin, von Herrn Rausch gibt es eine Frage dazu. Kurze Erinnerung: Dreiminutendebatte, eine Minute Anfrage. - Bitte sehr. 


Daniel Rausch (AfD): 

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich will einmal fragen: Wie viele Gefährder leben aktuell in Sachsen-Anhalt? Ist die Zahl konkret bekannt? 


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport): 

Die Zahl ist bekannt, aber wird, glaube ich, auch aus bestimmten Gründen nicht öffentlich bekannt gegeben. Das heißt, das kann ich Ihnen gern für die Geheimschutzstelle nachreichen.