Tagesordnungspunkt 17
Nichtraucher*innenschutz jetzt stärken. Prävention forcieren. Konzept „Sachsen-Anhalt atmet auf“ zügig umsetzen.
Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/2337
Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/2411
Einbringerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist Frau Susan Sziborra-Seidlitz. Sie hat jetzt das Wort.
(Siegfried Borgwardt, CDU: Für Cannabis!)
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Anliegen - dazu komme ich gleich - unseres Antrages ist der Landesregierung quasi auf dem Silbertablett serviert worden. Auf diesem Silbertablett liegt es noch immer und wartet auf Abholung. Dabei hat der Landtag die Bestellung selbst aufgegeben. Mit einem Landtagsbeschluss ist die Landesstelle für Suchtfragen schon im Jahr 2017 beauftragt worden, ein umfassendes Konzept zum Nichtrauchendenschutz zu erarbeiten.
(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)
Die Landesstelle kam diesem Auftrag in gewohnter Weise fundiert nach und hat ihr Konzept dann im Jahr 2020 dem Landtag überreicht. Im Oktober 2021 ist das Konzept auf einem Fachtag ausführlich vorgestellt und diskutiert worden. Dabei waren auch einige Abgeordnete anwesend. Wie mir berichtet wurde - ich war damals noch nicht dabei , war die abschließende Meinung nahezu einhellig: Dieses Konzept gehört umgesetzt.
(Unruhe)
Allein aus Wertschätzung gegenüber der Arbeit der Landesstelle wäre es nur recht und billig, dem von hier aus bestellten und für gut befundenen Konzept nun endlich Taten folgen zu lassen, aber natürlich erst recht um der Gesundheit der Menschen in Sachsen-Anhalt willen hätten die Maßnahmen stringent angepackt gehört. Schließlich haben wir uns als Land selbst das Ziel gesteckt, die Raucherinnenquote zumindest auf den Bundesdurchschnitt zu senken.
(Ulrich Siegmund, AfD: Was, die Raucherinnenquote?)
Das ist schon kein überambitioniertes Ziel. Aber, wie im Konzept zu lesen ist, selbst das haben wir als Land noch nicht erreicht. Auch wenn bis zum heutigen Tag wenig getan wurde, um das Konzept umzusetzen - das Wissen um die Gefahren des Rauchens und des passiven Rauchens gehört zum Glück seit einiger Zeit zur Allgemeinbildung. Aber der Mensch neigt dazu - auch ich selbst in diesem Fall , wider besseres Wissen zu handeln. Bei Eigengefährdung gehört das in den Bereich der allgemeinen Handlungsfreiheit und obliegt der Eigenverantwortung mündiger Bürgerinnen.
Aber im Falle von Fremdgefährdung obliegt es eben der Politik, den Schutz dort, wo es geht, zu gewährleisten.
(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, von Wolfgang Aldag, GRÜNE, und von Hendrik Lange, DIE LINKE)
In diesem Bereich ist das im Nichtraucherschutzgesetz normiert. Aber dieses Gesetz hat Lücken. Darauf wird in dem Konzept der Landesstelle mehrfach und eindrücklich verwiesen. Wir haben Lücken bei uns im Gesetz, die bundesweit einmalig sind - etwa die Ausnahmeregelung zum Rauchen an Berufsschulen. Wir haben Lücken, die andere Bundesländer, bspw. Bayern, seit Langem geschlossen haben, wie in Bezug das Rauchen in der Gastronomie. Wir haben Lücken, die sich schlicht aus dem Alter unseres Gesetzes ergeben. Vor zwölf Jahren gab es z. B. noch nicht diese große Palette an Tabakersatzprodukten. Damit unterliegen diese Produkte nicht dem Nichtraucherschutzgesetz.
Das Gesetz verfehlt also die Aufgabe, den öffentlichen Raum weitgehend rauchfrei zu gestalten, das Nichtrauchen als Normalität zu stärken. Das ist umso wichtiger - Achtung, jetzt kommt es - wegen der Cannabislegalisierung am Horizont.
(Siegfried Borgwardt, CDU: Ah!)
Denn natürlich, das wird Sie nicht überraschen, sind wir GRÜNE für einen regulierten Cannabismarkt samt Qualitätskontrolle und Jugendschutz.
(Alexander Räuscher, CDU: Kiffer! - Zurufe: Das war klar! - Quatsch mit Soße!)
Aber ebenso natürlich
(Zuruf)
- Nicht aufregen. Erst einmal zuhören. - Aber ebenso wollen wir natürlich nicht, dass dann in Gaststätten oder an Haltestellen Cannabis geraucht wird.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Ein konsequentes Nichtraucherschutzgesetz muss notwendigerweise die Legalisierung von Cannabis flankieren. Gerade die Ausnahmen in der Gastronomie und die anscheinend sehr laxen Kontrollen der bestehenden Regelungen unterwandern den Nichtraucherinnenschutz. Um Gäste und gerade die Mitarbeitenden zu unterstützen, braucht es aber ein konsequentes Rauchverbot. Auch die Bedienung in einer kleinen Eckkneipe hat das Recht auf einen Arbeitsplatz ohne erhöhtes Krebsrisiko.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Eine klare Regel für alle Gastronomen bietet eben auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle und ist damit fair.
(Guido Kosmehl, FDP: Warum?)
Wenn selbst Länder mit einer ausgeprägten Pubkultur wie Irland und England es schaffen, rauchfreie Pubs als Norm und als Normalität zu etablieren, und zwar ohne, dass die Pubs sterben, dann sollten wir das hierzulande wohl auch hinbekommen - ohne das oft an die Wand gemalte Schreckgespenst des Kneipensterbens.
(Beifall bei den GRÜNEN - Guido Kosmehl, FDP: Aha! Wann waren Sie das letzte Mal in Irland?)
- Ich war kürzlich in London. Ich habe dort keine toten Pubs gesehen, sondern Pubs, wo die Leute in großen Gruppen
(Guido Kosmehl, FDP: Was?)
vor der Türe stehen und rauchen. Aber dort gibt es lebendige Kneipenkultur.
(Zustimmung)
Auch rauchfreie Haltestellen im ÖPNV dienen der Schaffung rauchfreier öffentlicher Räume.
(Unruhe)
Bei Regen kann es in einem kleinen Wartehäuschen schon einmal eng werden. Es braucht wirklich niemanden, der dort raucht.
(Unruhe)
Wenn gerade Schulkinder unterwegs sind, dann gilt es, deren Rauchexposition
(Unruhe)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Frau Sziborra-Seidlitz, warten Sie einmal kurz. Ich weiß, es ist wieder ein Thema, von dem alle Ahnung haben, aber trotz alledem,
(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)
ist meine Bitte, dass nicht alle gleichzeitig die eigenen Erkenntnisse preisgeben, sondern erst dann, wenn man dran ist, das macht es vielleicht ein bisschen leichter. Also bitte den Geräuschpegel senken. - Frau Sziborra-Seidlitz, Sie haben das Wort.
Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):
Wenn gerade Schulkinder mit dem ÖPNV unterwegs sind, dann gilt es, deren Rauchexposition zu minimieren.
Wir haben bei dem Anliegen hinsichtlich einer rauchfreien Öffentlichkeit durchaus abgewogen. Im Konzept findet sich z. B. der Vorschlag, Rauchverbote auf Grünflächen auszusprechen. Ich persönlich finde, wenn man sich abends zum Grillen trifft, sich auf ein Bier im Park verabredet, dann kann unter freiem Himmel auch das Rauchen durchaus möglich sein, ohne dass man andere Leute damit gefährdet.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)
Aber klar ist natürlich: Der Filter gehört nicht in die Büsche geschnipst. Taschenascher wären dafür die Lösung.
Kurz und gut: Das hiesige Nichtraucherschutzgesetz verdient seinen Namen im Grunde genommen nicht mehr.
(Unruhe)
Es gilt, dieses zu modernisieren. Ich hoffe wirklich, wir können in dieser Hinsicht auch in Sachsen-Anhalt demnächst Vollzug melden, auch wenn diese Initiative aus den Reihen der Opposition kommt.
Erinnern Sie sich bitte daran, verehrte CDU und auch verehrte SPD,
(Zuruf)
auch Ihre Fraktionen haben in der vorherigen Legislaturperiode dem Beschluss des Landes zur Konzepterarbeitung zugestimmt.
(Unruhe)
Ob wir ein neues Gesetz bekommen werden, ist also abzuwarten. Was wir in Deutschland allerdings bekommen werden - das ist jetzt der Schluss meiner Ausführungen , ist ein Außenwerbeverbot für Tabakprodukte.
(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)
Wenn auch nicht gleich morgen, so ist Deutschland doch endlich auf dem Weg, seine unrühmliche Ausnahmestellung in Europa zu räumen und auch hierzulande die Bewerbung
(Zuruf von Sven Rosomkiewicz, CDU - Weiterer Zuruf: Ihr wollt doch wieder was verbieten!)
dieses eindeutig hochgradig gesundheitsschädlichen und süchtig machenden Produktes zu untersagen. Ich setze darauf, dass wir dieses Untersagen von Werbung auch im Bereich ungesunder Lebensmittel für Kinder bekommen.
(Andreas Silbersack, FDP: Oh! Um Gottes willen! - Guido Kosmehl, FDP: Oh!)
Aber das ist ein anderes Thema.
(Andreas Silbersack, FDP: Um Gottes Willen!)
Werbung manipuliert. Werbung verführt. Werbung macht schmackhaft.
(Sven Rosomkiewicz, CDU: Also verbieten!)
Daher gilt es, im Sinne des Verbraucherschutzes und im Sinne von Gesundheitsförderung klare Grenzen zu setzen.
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Andreas Silbersack, FDP: Oh Gott! Das ist Entmündigung! - Guido Kosmehl, FDP: Das hat mit mündigen Verbrauchern nichts zu tun!)
Bis das Außenwerbeverbot greift, wollen wir mit den Kommunen und mit den Verkehrsunternehmen im Land eine Selbstverpflichtung befördern, auf Tabakwerbung zu verzichten. Auch auf das Sponsoring durch Tabakunternehmen von Veranstaltungen sollte verzichtet werden. Wenn Veranstaltungen gerade für die jüngeren Generationen, wie Konzerte oder Festivals, von Tabakunternehmen gesponsert werden, dann erzeugt dies eine Verankerung in der Lebenswelt der jungen Menschen, die unserem Ziel eines rauchfreien Sachsen-Anhalts und unserem Gesundheitsziel klar entgegenstehen.
(Unruhe)
Das sollte deswegen schlicht nicht stattfinden.
(Alexander Räuscher, CDU: Außer Cannabis! - Sven Rosomkiewicz, CDU: Genau, verbieten!)
Da das Konzept der Landesstelle für Suchtfragen zahlreiche Maßnahmen und Ansätze erarbeitet, wollen wir zu deren Umsetzung einen Bericht im Ausschuss. Die wertvolle Zuarbeit der Landesstelle, die wir selbst bestellt haben, darf nicht weiter auf dem Silbertablett verstauben. E-Zigaretten und Co. dürfen nicht weiter von einer gesetzlichen Lücke profitieren. Der Gesundheitsschutz im Land darf nicht länger halbgar betrieben werden.
Nehmen wir als Parlament unser Landesgesundheitsziel ernst. Stellen wir den Gesundheitsschutz an erster Stelle. Sorgen wir für saubere Atemluft und für rauchfreie öffentliche Räume. Stimmen Sie heute und hier für ein neues und modernes Nichtraucherschutzgesetz, weil es notwendig ist, auch wenn die Cannabislegalisierung kommt. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN - Sven Rosomkiewicz, CDU, lacht)