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Plenarsitzung

Transkript

Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich dachte ich, ich lehne mich hier bequem zurück und trage vor, was mir vom Sozialministerium mitgegeben wurde. Jetzt haben Sie, Herr Siegmund, mich aber doch zu einer Vorbemerkung provoziert. 

Wir haben gerade unter dem Tagesordnungspunkt 20 - Frieden statt Kriegstreiberei - erlebt, wie Sie Ihrer Wut auf die Ukraine freien Lauf gelassen haben. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Was? - Zuruf von der AfD: Auf Deutschland!) 

Jetzt hacken Sie schon wieder auf den Ukrainerinnen und Ukrainern herum, 

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

deren kulturelle Verbindung zu uns Sie früher in anderen Beratungen gelobt und gepriesen haben

(Thomas Korell, AfD: Haben Sie nicht den Antrag gelesen?) 

in Abgrenzung zu den anderen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, die von anderswo kommen. Das wundert mich schon sehr.

Um es klar zu sagen: Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind nicht als Asylbewerberinnen und Asylbewerber hier, 

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

sondern sie haben einen besonderen Schutzstatus nach der Ukraine-Aufenthaltsverordnung,

(Zuruf von der AfD: Warum?)

die der Lage in der Ukraine geschuldet ist. Sie müssen das an der Stelle einmal differenzieren.

(Zuruf von der AfD: Was denn? - Olaf Meister, GRÜNE: Das liegt an denen, denen Sie Glückwünsche schicken!)

Das ist so, ja. Das tut mir leid. 

(Zuruf von der AfD: Ja, das ist so!)

Sie haben über Asylbewerber vorgetragen, zumindest im zweiten Teil Ihrer Rede. Das hat hier thematisch überhaupt nichts zu suchen. 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Es geht um das Asylbewerberleistungsgesetz! Keine Extrawurst! - Weitere Zurufe von der AfD) 

Jetzt aber zum Kern, zur der Rückführung ins Asylbewerberleistungsgesetz, wie Sie sich das vorstellen. Es mag für einige zunächst verlockend klingen, 

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Jetzt kommen wir zum Kern der Sache, na endlich! Jetzt hat es einen Sinn, was Sie erzählen!) 

die ukrainischen Kriegsgeflüchteten aus den Grundsicherungssystemen auszuschließen und sie in den Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes zu überführen, das bekanntlich geringere Leistungen vorsieht. Das haben wir auch von Ihnen gehört. Aber was wäre damit tatsächlich gewonnen? - Die gesamtstaatlichen finanziellen Belastungen wären in der Tat ein Stück weit geringer. Sparen würde aber vor allem der Bund; den Ländern hingegen entstünden viel höhere Kosten.

(Frank Otto Lizureck, AfD: Steuergeld!)

Denn die Kosten nach § 2 des Aufnahmegesetzes trägt bekanntlich grundsätzlich das Land. Die Kosten für die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern liegen bei uns. Kostenerstattungen durch den Bund sind keine verlässliche Größe.

Beim Bürgergeld dagegen trägt der Bund den Großteil der Kosten. Neben den Aufwendungen für Regelbedarfe trägt der Bund auch 62,8 % der Kosten für Unterkunft und Heizung und mittelbar die Ausgaben für Bildung und Teilhabe - also Lasten, die andernfalls von den Kommunen oder dem Land zu schultern wären. Das wäre die eigensichtige Betrachtungsweise.

Außerdem zeigt sich gerade jetzt - das ist das Entscheidende  , dass das System des SGB II gut geeignet ist, um ukrainische Kriegsgeflüchtete nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. 

(Oliver Kirchner, AfD: Hat ja super gelappt bis jetzt!) 

Die Jobcenter in Sachsen-Anhalt sind leistungsstark und verfügen über eine enorme Expertise zur Aktivierung und Vermittlung von auch ausländischen Arbeitskräften. Nach einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit weist Sachsen-Anhalt - dafür können wir uns mal auf die Schulter klopfen - bei Ukrainerinnen und Ukrainern bzw. Geflüchteten nach Bayern die bundesweit zweitbeste Übergangsrate aus der Arbeitslosigkeit in die Erwerbstätigkeit auf.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Wie viele sind das in Zahlen?)

Mit dem sogenannten Job-Turbo nimmt die Arbeitsmarktintegration von Ukrainerinnen und Ukrainern sichtlich Fahrt auf. 

(Zuruf von der AfD) 

- Sie müssen mal die aktuellen Daten zugrunde legen und nicht irgendwelche, die man Ihnen aufgeschrieben hat. Mit Stand Februar waren in Sachsen-Anhalt bereits 4 500 der rund 23 800 erwerbsfähigen ukrainischen Staatsangehörigen erwerbstätig, 3 800 davon in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Das sind mehr als in allen Monaten davor. Grund dafür ist vor allen Dingen, dass die ersten Integrations- und Sprachkurse inzwischen abgeschlossen sind. 

Ich will von dieser Stelle auch einmal ganz ausdrücklich all denjenigen in den unterschiedlichen Behörden, Einrichtungen, Vereinigungen und Verbänden danken, die diese Integrations- und Sprachkursarbeit leisten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Mit dem sogenannten Job-Turbo wird eine zügige Arbeitsaufnahme von Geflüchteten inzwischen aktiv unterstützt. Man hat gelernt aus dem, was Sie vorher beschrieben haben. Das wird durch berufsbegleitende Sprachkurse, Qualifizierungen und Anerkennungen ausländischer Abschlüsse flankiert. Das Sozialministerium und die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt sind in einem ständigen Austausch, auch mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern - gerade erst in der letzten Woche -, wie im Schulterschluss die schnelle Arbeitsmarktintegration gelingt. Ziel ist es, die Absolventinnen und Absolventen dieser Kurse, auch wenn sie noch nicht perfekt Deutsch sprechen, in Arbeit zu bringen und dann weiter zu qualifizieren. Dazu tragen die sogenannten Job-Berufssprachkurse, die berufsbegleitend, flexibel und entsprechend den beruflichen Bedarfen umgesetzt werden, bei. Das sind neue Instrumente und das sind, wie sich jetzt zeigt, auch wirksame Instrumente.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Robra, ich darf auch Sie auf die Zeit hinweisen. 


Rainer Robra (Staats- und Kulturminister): 

- Ich komme zum Schluss. - Angesichts des Leids, das der völkerrechtswidrige russische Angriff über das ukrainische Volk gebracht hat, verdienen die hier lebenden Menschen aus der Ukraine unser Vertrauen und unsere Hilfe. Drückebergerei gibt es überall, auch unter uns Deutschen. Jetzt kann die breite Mehrheit der Ukrainerinnen und Ukrainer, die, wie ich es schon sagte, nicht als Asylbewerber zu uns gekommen ist, zeigen, dass sie gerne bereit und in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt bei uns ohne staatliche Hilfe selber zu bestreiten. 

(Zustimmung bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Robra, es gibt eine Nachfrage von Herrn Siegmund. - Nachfrage?


Ulrich Siegmund (AfD): 

Ja, ich habe eine Nachfrage. - Das war erwartungsgemäß natürlich ein absoluter Witz. Erst einmal muss ich zurückweisen, was ich generell zu den Menschen gesagt hätte. Mir geht es um die Rechtslage. Es gibt keinen sachlogischen Grund für diesen Rechtskreiswechsel. Sie haben auch keinen genannt. Sie haben nur wieder von Solidarität gesprochen, was für mich einfach nur ein Bruch des eigenen Rechts ist, weil wir ein Asylbewerberleistungsgesetz für Kriegsflüchtlinge haben. Aber das ist eine zweite Frage. 

Sie haben von einem Job-Turbo gesprochen. In Polen gab es vier Monate lang 8 € am Tag. Dort arbeiten 95% oder 98 % der arbeitsfähigen Ukrainer. Sie haben gerade Zahlen geliefert, nach denen in Sachsen-Anhalt nach zwei Jahren nicht einmal 20 % in der Lage sind, einen eigenen Job zu erledigen. In den Niederlanden sind es bspw. mehr als 80 %. Ist es wirklich Ihr Ernst, dass Sie das als Erfolg darstellen?

(Beifall bei der AfD) 


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding: 

Herr Robra, bitte.


Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):

Wie Sie sehen, kommt gerade Dynamik in das System. 

(Lachen bei der AfD)

- Ja. - Zunächst mussten die Sprach- und Integrationskurse durchlaufen werden. Aber in einem Punkt werden uns nicht verständigen: Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind nicht als Asylbewerberinnen und Asylbewerber hier. Wir wissen, dass die allermeisten von ihnen nach Hause wollen. 

(Christian Hecht, AfD: Na klar! - Weitere Zurufe von der AfD)

Das müssen wir auch berücksichtigen. Die allermeisten Ukrainerinnen und Ukrainer, die mit uns - ich greife das gern auf - kulturell eng verwandt sind,

(Christian Hecht, AfD: Ach, die Ukrainer sind mit uns verwandt?) 

haben dieselbe Einstellung wie wir. 

(Christian Hecht, AfD: Die Ukrainer sind Russen!) 

Die meisten von uns wollen arbeiten. Das gilt auch für die Ukrainerinnen und Ukrainer. Wir haben das zu organisieren.