Sebastian Striegel (GRÜNE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Büttner, wenn Sie heute Erkenntnisse zu Vorgängen im PKGr erwartet haben, dann muss ich Sie enttäuschen. Sie haben das vorhin so vorgetragen. Das PKGr tagt in diesem Land wie auch davor die PKK geheim. Deshalb kann aus diesem Gremium hier nicht berichtet werden.
(Zurufe)
Sollte jemand etwas berichten, ist das ggf. strafbewährt, und das ist auch gut so. Dass Sie sich vom Linksextremismus distanzieren, will man ja fast als glaubwürdig abnehmen. Viel spannender wäre aber doch bei Ihnen, sich vom Rechtsextremismus zu distanzieren. Dass Sie das nicht tun, zeigt allein die Begründung Ihres Antrags. Das zeigt auch Ihr Handeln in den vergangenen Monaten und Jahren in diesem Haus. Das ist ein wesentliches Problem.
(Zustimmung)
Der gegen eine Mitarbeiterin des Universitätsklinikums Magdeburg erhobene Vorwurf wiegt schwer. Das ist unzweifelhaft. Die Beihilfe zu einem Gewaltverbrechen ist eben kein Kavaliersdelikt. Dennoch muss daran erinnert werden das ist in der heutigen Debatte bereits vielfach getan worden , dass wir es mit einem laufenden Verfahren zu tun haben. Die Beschuldigte bestreitet die Tat. Das ist ihr gutes Recht.
Insgesamt hatten zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Universitätsklinikums Magdeburg Zugriff auf die in Rede stehenden Meldedaten. Eine eindeutige Zuordnung der Datenabfragen war nach Presseberichten bislang nicht möglich. Das Arbeitsgericht konnte jedenfalls die ihm vorgelegten Beweise nicht entsprechend würdigen. Deshalb hat auch die Kündigung der Mitarbeiterin keinen Bestand. Das Uniklinikum konnte den erhobenen Vorwurf nicht beweisen. Indizien ersetzen also auch in unserer Debatte nicht den Urteilsspruch durch ein Gericht. Frau Kollegin Quade hat es sehr deutlich gemacht.
Der Fall ist dennoch ohne Zweifel ernst und er bietet Anlass, über ein Thema zu sprechen, welches uns in einem anderen Zusammenhang bereits beschäftigt hat auch dazu hat Frau Kollegin Quade bereits hilfreiche Anmerkungen gemacht : der Missbrauch dienstlicher Zugriffe auf Meldedaten. Im Vorfeld der Morddrohungen des sogenannten NSU 2.0 wurden die Meldedaten einiger Adressatinnen und Adressaten von Polizeicomputern abgerufen. Es verwundert und empört mich bis heute, dass aufgrund der deutlich zu laxen Regeln im Umgang mit diesen hoch sensiblen Daten nicht abschließend ermittelt werden konnte, wer sie konkret abgerufen hat. Es wurde deutlich, dass dienstliche Zugriffe auf Meldedaten allzu leicht missbraucht werden konnten, und das mit gravierenden Folgen. Es hat übrigens gravierende Folgen in alle Richtungen.
Ich will, dass jeder Abgeordnete in diesem Haus vor Angriffen geschützt wird. Das bedeutet im Übrigen auch, dass das unabhängig davon ist, ob er Mitglied der AfD-Fraktion, mit der mich politisch nun überhaupt nichts verbindet, Mitglied der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion, der GRÜNEN-Fraktion oder Fraktion DIE LINKE ist. Abgeordnete sind auch zur Ausübung ihres Mandats zu schützen. Ich bin froh, dass in diesem Land wirklich das Notwendige getan wird Oh, die FDP natürlich auch, Entschuldigung.
(Lachen)
Hinter den Glasscheiben ist das so schwer zu sehen. - An dieser Stelle halte ich es schlicht für notwendig, dass der Staat seinen Schutzpflichten auch im tatsächlichen Sinne und wirksam nachkommt.
(Zustimmung)
Dazu gehört, dass wir auch darüber sprechen müssen, ob Abfragen von Meldedaten überhaupt erforderlich sind. Bloß weil eine Anstalt des öffentlichen Rechts laut Gesetz die Möglichkeit hat, das zu tun, darf die Erforderlichkeitsprüfung nicht hinten herunterfallen. Im Datenschutzrecht ist zunächst einmal zu prüfen, ob die Erhebung dieser oder jener Daten tatsächlich notwendig ist und ob es das richtige Mittel ist, dass das Universitätsklinikum das selbst tut. Zudem wäre noch zu fragen, ob die eingezogenen Schutzmechanismen ausreichend sind.
Ehrlich gesagt, Herr Minister, habe ich Fragen. Ich hoffe, dass Sie diese Fragen in Kürze gegenüber dem Parlament beantworten können und dass Sie auch dem dafür Zuständigen, nämlich dem Datenschutzbeauftragten, Rede und Antwort stehen. Denn dass beispielsweise die Dokumentation der Abfragen nur beim IT-Dienstleister Dataport erfolgt ist, empfinde ich als einen Mangel. Ich glaube, darauf muss genauer geschaut werden. Denn das war offensichtlich unzureichend.
Sich auf die Redlichkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verlassen, ist grundsätzlich in Ordnung. Ich glaube aber, dass man gerade im Umgang mit sensiblen Daten Meldedaten gehören ohne Zweifel dazu entsprechend strukturierte Prozesse braucht.
Wir haben das finde ich wichtig, weil ich glaube, dass es als Instrument geeigneter ist als eine polemische Debatte hier im Plenum , für die nächste Sitzung des Innenausschusses als GRÜNEN-Fraktion einen Selbstbefassungsantrag eingereicht. Das ist nämlich der für den Datenschutz zuständige Ausschuss in diesem Hause. Ich hoffe, dass wir dort erstens eine Aufklärung hinbekommen und zweitens auch über zu ziehende Konsequenzen beraten können. Denn eines ist aus meiner Sicht klar: Wenn vonseiten öffentlicher Stellen hoch sensible Daten abgerufen werden, dann besteht eine besondere Schutz- und Sorgfaltspflicht. Wir müssen über neue und wirksame Schutzmechanismen im Umgang mit Meldedaten reden, wenn dienstliche Zugriffe eingeräumt werden. Die Hausaufgaben des Landes scheinen ja noch nicht ausreichend erledigt zu sein.
Wir kommen in Sachsen-Anhalt auch nicht umhin, einmal ganz grundsätzlich über die Frage zu sprechen, ob dem Datenschutz in diesem Bundesland der notwendige Stellenwert eingeräumt wird. Zu oft wird er bestenfalls als nice to have oder gar als lästiger Störfaktor behandelt. Das konnte man nur allzu deutlich im Umgang mit unserem aus dem Amt geschiedenen Landesbeauftragten für den Datenschutz beobachten. Ihm kam leider zu oft die Rolle des einsamen Rufers in der Wüste zu. Dass die CDU Sachsen-Anhalt in der vergangenen Wahlperiode die Wahl eines fachlich herausragenden Kandidaten verhindert hat, stellt unser Land seitdem durchaus nicht in ein gutes Licht. Dass die Stelle bislang nicht ordnungsgemäß besetzt werden konnte, ist schon ein Problem.
(Zustimmung)
Unser Land hat, glaube ich, auch beim Thema Datenschutz etwas Besseres verdient.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schwere des hier im Raum stehenden Vorwurfs steht außer Frage. Ja, man kann sie als Ausdruck einer auch mich beunruhigenden Enthemmung und Gewaltbereitschaft aus politischen Motiven heraus sehen.
Wer Gewalt anwendet, befürwortet oder befördert, der verlässt den Rahmen des in der Demokratie Zulässigen.
Die berechtigte und notwendige Ablehnung gegenüber der radikalen Rechten innerhalb und außerhalb des Parlaments darf nicht dazu führen, dass die Grenze zur Gewalt überschritten wird. Der Staat und seine Behörden müssen, wenn eine Grenze überschritten wird, dagegen engagiert vorgehen.
Aber es kann eben auch keine Debatte über politisch motivierte Gewalt in Sachsen-Anhalt und in Deutschland geben, ohne klar und deutlich zu benennen, wer in diesem Zusammenhang aktuell der größte Brandstifter ist. Es ist und bleibt die AfD selbst.
(Zustimmung - Daniel Roi, AfD: Na ja, klar!)
Es besteht kein Zweifel, dass sie und die anderen Rechtsextremisten in Deutschland jedenfalls derzeit die größte Gefahr für unsere Demokratie darstellen. Das hat mittlerweile sogar Horst Seehofer begriffen, und wenn der das schafft, dann sollte das auch jeder hier im Raum hinbekommen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Zustimmung)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Striegel, es gibt eine Frage von Herrn Wald. Wollen Sie sie beantworten?
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Mal sehen, vielleicht liest er sie diesmal nicht vor, sondern hat sie frei formuliert.
Vizepräsident Wulf Gallert:
Herr Wald, dann haben Sie jetzt die Chance.
Daniel Wald (AfD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Striegel, einleitend: Ich werde sie natürlich vorlesen. Sie schrieben erst vor wenigen Wochen im Netz: Antifaschismus ist Handarbeit. Dahinter war das Bild einer geballten Faust zu sehen.
(Zuruf: Pfui!)
Ich bin mir sicher, dass Ihre grünen Chihuahuas diesen Ruf mit der Hundepfeife verstanden haben und bei ihren linksextremen Gewalttaten auch weiterhin auf Ihre ungebrochene Solidarität vertrauen können; sei es beim Stelldichein in Ihrem Wahlkreisbüro oder beim gemeinsamen Demonstrieren mit Linksextremisten in Schnellroda.
Bitter, wenn der Mut zu klein ist, um dem politischen Gegner auf Augenhöhe zu begegnen. Aber man kann ja auch helfen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, oder?
„EXIF-Recherche“, so nennt sich eine Hetzseite der Antifa, die Sie auf Ihrem Twitter-Profil verbreiten. Genau solche Recherchen sind es, die der Tatverdächtigen vorgeworfen wurden. Genau solche Recherchen sind es, die die Voraussetzung liefern, linksextreme Gewalttaten bis hin zu einem Mordversuch zu tätigen.
Ich frage Sie, Herr Striegel: Wollen Sie sich wirklich weiterhin mit diesen Menschen gemeinmachen, die die Nähe zu solchen Organisationen suchen und die das Kollektiv „IfS dichtmachen“ unterstützen?
Vizepräsident Wulf Gallert:
Wenn Sie wollen, dann können Sie antworten.
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Ich will es versuchen, auch wenn die Frage, die dahintersteht, nicht so richtig klar geworden ist. Ich habe, glaube ich, in meiner Rede sehr deutlich gemacht, Herr Wald, dass Gewalt für mich kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist. Dabei bleibt es.
Gleichzeitig ist es wichtig und notwendig, dass es antifaschistische Recherche gibt,
(Zuruf: Dabei muss er selber grinsen!)
weil rechtsextreme Strukturen aufgedeckt werden müssen. Und dort, wo wir es wie in Schnellroda mit Verfassungsfeinden zu tun haben inzwischen offenbar sogar amtsbekannt , ist ganz klar, da braucht es auch friedlichen Protest.
(Zustimmung)
Vizepräsident Wulf Gallert:
Danke. - Haben Sie noch eine Frage, Herr Wald.
Daniel Wald (AfD):
Aber warum twittern Sie dann auf Ihrem Profil, Antifaschismus ist Handarbeit, wie am 2. September dieses Jahres geschehen? Dahinter war eine Faust abgebildet. Das ist doch ein indirekter Gewaltaufruf, oder?
(Zustimmung)
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Ich weiß nicht, auf welchen Aufruf zur Gewalt Sie sich beziehen. Ganz klar ist: Ich lehne Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab.
(Zuruf)