Olaf Meister (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der AfD-Antrag meint letztlich, es läge im nationalen Interesse der Bundesrepublik Deutschland, die Solidarität der europäischen Staatengemeinschaft zu verlassen und stattdessen mit dem Diktator und Kriegsherrn Putin gemeinsame Sache zu machen. Es tut mir leid, aber das ist absurd.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Die jahrzehntelange West- bzw. Europabindung Deutschlands aufzugeben, das ist im Kern Ihre Forderung. Sie reden über Gas, aber das ist letztlich der Punkt. Mit all unseren demokratischen Nachbarn zu brechen, Krieg gewähren zu lassen, um sich in die eindrucksvolle Diktatorenphalanx, bestehend aus Russland, Belarus und Nordkorea, einzureihen, ist selbst für AfD-Verhältnisse eine ziemlich spezielle Nummer.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Ihre Freunde sagen eine Menge über ihre politischen Werte aus. Nein, die Bundesrepublik Deutschland wird nicht Putins williger Helfer. Unser Interesse ist ein starkes und geeintes Europa. Wir brauchen ein Europa, in dem nicht das Recht des vermeintlich Stärkeren regiert, sondern ein Europa, in dem sich souveräne Staaten auf die Solidarität ihrer Nachbarn verlassen können. Auch wir, auch unsere Sicherheit ist von dieser Solidarität abhängig.
Sie haben mehrfach das Wort „Interessenpolitik“ verwendet. Sowohl Herr Dr. Moldenhauer als auch Herr Scharfenort haben es reingerufen. Es ist in unserem richtig verstandenen, zentralen, nationalen Interesse, hierbei auf der Seite der Ukraine zu stehen und nicht mit Russland gemeinsame Sache zu machen.
Was Ihr Interesse ist, Herr Moldenhauer, das haben Sie mit dem Begriff „Saubande“, mit der Art und Weise, wie Sie über die demokratisch gewählte Regierung reden, zum Ausdruck gebracht. Es ist Ihnen wichtig, das hier zu sagen, und dann haben Sie das sogar mit dem Korruptionsindex begründet. Herr Gallert hat die Reihenfolge mit den Werten richtig aufgeführt. Für Putin finden Sie kein kritisches Wort, doch für eine gewählte Regierung verwenden Sie ein solches Schimpfwort. Das ist wirklich krass.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Wir werden die Sanktionen nicht aufheben, solange Russland nicht bereit ist, den Angriffskrieg zu beenden. Die Verhängung von Sanktionen ist ein wirksames Mittel, um zivil, nicht militärisch auf eine solche Aggression, auf den massenhaften Mord zu reagieren. Würde man das aufgeben, verschlechterte man die Verhandlungsposition, machte man Frieden unwahrscheinlicher.
Natürlich ist die Gassituation für uns schwierig, weil wir uns von russischen Gaslieferungen in zu hohem Umfang abhängig gemacht haben, weil wir nicht konsequent in erneuerbare Energien eingestiegen sind. Bei dem Redebeitrag von Uli Thomas fiel mir auf: Es war ein sehr, sehr dunkles Bild, das der Kollege Thomas gezeichnet hat. Mit diesem schwarzen Bild könnte ich noch irgendwie leben. Problematisch sind jedoch diese Schuldzuweisungen, wenn dann ausgeklammert wird, wie es zu dieser Situation gekommen ist, in der Deutschland sich befindet.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Wir sind in eine Abhängigkeit geraten. Du weißt, wer in den letzten 16 Jahren regiert hat. Wir sind in diese Abhängigkeit gegangen, auch bewusst. Wir haben hier in diesem Landtag viel über diese Themen diskutiert. Beim Abschalten wart ihr ziemlich vorneweg, beim Anschalten, was unsere Forderung war, hat es eben nicht funktioniert. Das ist ein Teil des Problems.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Aber wir sind jetzt auf dem Weg. Es wurden kurzfristig andere Liefermöglichkeiten erschlossen. Unsere Abhängigkeit von russischem Gas ist in den letzten Monaten, auch dank der Solidarität unserer europäischen Partner, bereits deutlich gesunken. Die Rate lag zuletzt bei 9 % und wird jetzt noch niedriger sein.
Neue kurzfristig erreichbare Energiequellen, Energieeinsparungen und ein deutlich beschleunigter Umstieg auf die Energien von morgen sind der Weg. Das müssen wir ohnehin machen. Es ist das Erfreuliche wenn es überhaupt etwas Erfreuliches gibt , dass unsere Bemühungen, unabhängig zu werden, und die Bemühungen, die Klimaziele zu erreichen, Hand in Hand gehen können. Wir können beides mit einem Mal erreichen.
Wichtig ist, dass wir dabei auch als Gesellschaft solidarisch zusammenstehen, dass wir gerade Menschen mit geringen Einkommen entlasten und die Teile der Wirtschaft schützen, die in besonderem Maße betroffen sind.
Die Bundesregierung hat das mit 65 Milliarden € ausgestattete dritte Entlastungspaket auf den Weg gebracht. Es muss klar sein, dass alle denkbaren Entlastungspakete nicht in der Lage sein werden, die ernsten Probleme und Entwicklungen wegzuwischen. Das ist nicht möglich. Natürlich bezahlen wir alle und auch die kommenden Generationen diese Pakete. Aber ihre Aufgabe ist es eben, den Ausgleich in der Gesellschaft herzustellen, dafür zu sorgen, dass die Lasten fair verteilt werden, dass nicht ein Teil der Gesellschaft einfach weitermacht wie bisher, während andere in existenzielle Not geraten. Dieses solidarische Zusammenstehen müssen wir gewährleisten, müssen wir organisieren.
Es bleibt Ihre Forderung nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Ich habe es hier wiederholt dargelegt: Es gab und gibt kein Kapazitätsproblem bei Gaslieferungen. Nord Stream 1 war zu 20 % ausgelastet. Schon vor Kriegsbeginn lag die Auslastung der Linien über die Ukraine bei weniger als 30 %. Die Forderung, eine weitere Leitung für nicht zu lieferndes Gas aufzumachen, ist Unsinn. Über wie viele Wege Gas nicht geliefert wird, ist egal.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Das Ganze dient nur als symbolische Unterwerfungsgeste. Das ist weder nötig noch in unserem Interesse. Wenn wir den Krieg schnell beenden wollen, dann müssen wir Russland unmissverständlich klarmachen, dass es seine militärischen Ziele nicht erreichen kann. Dafür muss deutlich werden, dass wir zur Ukraine stehen, sie wirtschaftlich, sozial, aber eben auch mit Waffen unterstützen,
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
dass dies auch im Winter bzw. so lange der Fall sein wird, wie es dauert, bis Russland seine Angriffe einstellt. Genau dadurch eröffnet sich die Chance für einen schnellen Frieden. Außenministerin Baerbock findet genau diese klare Sprache, um genau das mit Russland zu kommunizieren.
(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Solche Anträge, aber auch Äußerungen à la Kubicki oder Wagenknecht, alles, was die unsinnige russische Hoffnung nährt, wir würden die Ukraine im Stich lassen, sodass das russische Militär doch noch mordend durchs Land ziehen kann, all das verlängert den Krieg. Lasst uns eine deutliche Botschaft an Putin senden! Lasst uns diesen Antrag ablehnen! - Danke schön.
(Zustimmung bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Meister. - Es gibt zwei Kurzinterventionen, zum einen von Herrn Lieschke und zum anderen von Herrn Scharfenort. - Herr Lieschke, bitte.
Matthias Lieschke (AfD):
Herr Meister, grundlegend stimme ich Ihnen darin zu: Jeder Krieg und jeder Tote ist furchtbar. Niemand kann so etwas wollen. Allerdings kann ich auch sagen: Seit 2014 sind in der Ukraine innerhalb von acht Jahren etwa 13 000 Menschen umgekommen. Wo war denn da Ihre Stimme? Wo war da die Aufregung in der europäischen Welt? Dort sind so viele Menschen gestorben und niemanden hat es interessiert. Jetzt plötzlich ist alles anders. Hätten wir damals eingegriffen, wären wir damals laut gewesen und hätten Präsenz gezeigt, wäre es vielleicht gar nicht zu dieser Situation gekommen. Von daher messen Sie mit zweierlei Maß. Sie beklagen den Angriffskrieg auf die Ukraine und blenden das, was vorher war, komplett aus. Ich finde das sehr, sehr scheinheilig.
(Beifall bei der AfD - Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Jawohl! Richtig!)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Meister, wollen sie reagieren?
Olaf Meister (GRÜNE):
Ja.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Gern.
Olaf Meister (GRÜNE):
Das verblüfft mich jetzt wirklich. Die Toten, die Sie jetzt aufzählen, das sind die Menschen, die insbesondere im Donbass in diesem Konflikt ums Leben gekommen sind. Meine Fraktion hat hier seit 2014 ununterbrochen gefordert: Lasst uns da etwas machen!
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das ist kein kriegerisches Eingreifen, sondern wir müssen Sanktionen verhängen. Dieser Konflikt wurde klar von einer Seite getrieben.
(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)
Wir haben ganz klar gefordert, wie Deutschland sich dazu positionieren soll. Ihre Fraktion war es insbesondere, die gesagt hat: Um Gottes willen, lasst uns das nicht machen; Sanktionen - das können wir nicht tun. Das sind aber die zivilen Mittel, die wir hatten und die wir intensiv hätten ergreifen müssen. Da haben wir auf europäischer Ebene eher so ganz, ganz kleines Schräubchen gedreht. Das hat Putin ganz offensichtlich nicht ernst genommen; deswegen ist es zu diesen Toten gekommen und deswegen haben wir heute diesen Konflikt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Scharfenort, bitte.
Jan Scharfenort (AfD):
Ich finde es immer gut, dass Sie schon wissen, wo das Gas fließt oder nicht fließt. Das sind Spekulationen. Ich weiß es nicht, Sie wissen es nicht. Das ist einfach logisch. Wir sagen: Wir müssen alles versuchen, um Schaden von unserem Land und unserem Volk abzuwehren. Das verlange ich auch von den entsprechenden Ministern. Sie haben einen Eid geschworen. Wenn ich mir natürlich Herrn Habeck angucke und das, was er einmal gesagt hat das Zitat können Sie selbst bei Correctiv nachlesen; ich gebe es nur sinngemäß wieder :
(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)
Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und Patriotismus und Vaterlandsliebe fand ich schon immer zum Kotzen. - Das können Sie gern nachschauen. Was erwarte ich denn von einem solchen Minister? - Ich erwarte von ihm nichts, schon gar nicht, dass er die Interessen unseres Landes vertritt. Wie gesagt, auf Correctiv, Ihrer Lieblingsplattform, können Sie das nachschauen. Die Aussage ist wirklich so getroffen worden.
Zur Wahrheit gehört auch: Die bisherige Energiewendesimulation so nenne ich das einmal war doch nur mit dem billigen Gas aus Russland möglich. Ohne dieses wäre die Energiewende doch schon längst gescheitert. Sie ist ja gescheitert. Das sieht man daran, dass es nur mit dem billigen Gas aus Russland ging. Ihr Problem war immer, dass Sie einen Fahrplan für den Ausstieg, aber nie einen Fahrplan für den Einstieg gehabt haben. Den haben Sie bis heute nicht.
(Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Dr. Katja Pähle, SPD)
Sie wissen bis heute nicht, woher die Grundlast kommt. Aber ich habe heute gelernt Frau Frederking war so ehrlich; es gibt mittlerweile auch eine Volkswirtin bei der „taz“ von Ihnen, die genau das sagt : Wir müssen 50 % der Energie einsparen. Das heißt: Abschaffung des Industriestandortes Deutschland. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Dann schaffen Sie das natürlich auch. Das ist Ihr Ziel. Das ist nicht unser Ziel. Wir stehen für Freiheit und Wohlstand für Deutschland.
(Beifall bei der AfD)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Meister, Sie können gern reagieren.
Olaf Meister (GRÜNE):
Ich erwarte von der deutschen Bundesregierung, dass sie die Interessen entsprechend wahrnimmt. Das macht die Bundesregierung.
(Lachen bei der AfD)
Sie tun so, als würden wir mal über eine Gaslieferung reden. Ob wir Gas bei diesem oder jenem kaufen, ist Ihnen nicht so wichtig. Ich habe versucht, in meiner Rede darzulegen: Es geht hierbei im Kern tatsächlich um die Bündnisfähigkeit und die Bündnispolitik. Wo stehen wir im internationalen Konzept? Sie schlagen vor: Macht etwas mit Lukaschenko und Putin. Wir sagen: Nein, wir möchten gern mit Paris, Washington, Warschau usw. kooperieren. Das unterscheidet uns. Das müssten Sie beantworten.
(Unruhe)
Zu der anderen Frage. Sie haben vielleicht die Diskussion über die Strompreise zur Kenntnis genommen. Sie haben immer bestritten, dass die regenerativen Energien besonders günstig sind. Ihr Argument war immer: Das ist alles sehr teuer. Zu der Frage, wo jetzt die Übergewinne anfallen, kommen wir nachher noch in der Diskussion. Das sind gerade die Regenerativen, weil diese so günstig sind.
(Guido Heuer, CDU: Wo fangen die Übergewinne an? - Zuruf von Jan Scharfenort, AfD - Unruhe)
- Darüber können wir nachher diskutieren. - Tatsächlich ist das der Punkt. Wir hätten das vor langer, langer Zeit härter angehen müssen, stärker angehen müssen. Wir sind jetzt auf dem Weg und natürlich werden wir dann auch zum Erfolg kommen. Das ist eine Frage der Zeit.