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Plenarsitzung

Transkript

Kathrin Tarricone (FDP):

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Extremwetterlagen begegnen uns in unterschiedlichen Formen. Dürre, Hagel, Kältewellen und nicht zuletzt Stürme können ebenso Opfer fordern wie dieser Tage das Hochwasser in Süddeutschland. Hundertprozentig schützen können wir uns davor nicht.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Auch wenn von Klimaaktivisten so argumentiert wird, ist es leider nicht so, dass jede eingesparte Tonne Treibhausgas in absehbarer Zeit zu weniger Unwetterkatastrophen führt. Dafür ist das System viel zu komplex und vor allem nachlaufend. Wir sollten uns deshalb darauf konzentrieren, die Treibhausgasemissionen möglichst kostengünstig zu reduzieren. Dafür gibt es mit dem Emissionshandel ein hervorragendes klimapolitisches Werkzeug.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Je mehr Emissionen und Speicher es umfasst und je globaler es angelegt ist, desto verzichtbarer sind andere und teurere Klimaschutzmaßnahmen. Stattdessen sollten wir unsere Anstrengungen mehr auf die Anpassung und Abmilderung der Folgen des Klimawandels lenken und darin investieren.

Beim Hochwasserschutz haben wir in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren auch schon sehr viel erreicht. Meine Vorredner und der Minister haben das gut ausgeführt. Ich möchte auf etwas hinweisen, weil im Titel die Solidarität so betont wird. Die Bewältigung der Hochwasserschäden in Sachsen-Anhalt ist ein Erfolg einer gesamtdeutschen solidarischen Anstrengung. Herzlichen Dank noch einmal dafür.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP, und von Anne-Marie Keding, CDU)

Wir haben uns als Koalition vorgenommen, die Ertüchtigung unserer Hochwasserschutzanlagen weitgehend abzuschließen. Bis wir mit der Schaffung von Retentionsflächen fertig sind, wird es freilich noch eine Weile dauern. Dort, wo ein wirksamer Schutz nicht möglich ist, müssen bestehende Gebäude so ertüchtigt werden, dass auch ein Hochwasser der Bausubstanz möglichst keinen Schaden zufügt.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Wenn wir aber richtigerweise die Priorität auf den Hochwasserschutz legen, dann muss das auch Folgen für die Güterabwägung in Planungs- und Genehmigungsverfahren haben.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

Ich finde, auch das ist durchaus ein Aspekt von Solidarität. Sprich: Das Bauen in hochwassergefährdeten Gebieten muss deutlich konsequenter vermieden werden.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Hochwasserschutz muss dann auch einmal Artenschutz stechen. Ich sage nur Selke und Spanische Flagge.

(Zustimmung bei der FDP)

Damit sind wir beim Thema Versicherungen. Das ist der Punkt, der in der Begründung der Antragssteller den größten Raum einnimmt. Wir sind uns einig, dass der Anteil der gegen Elementarschäden versicherten Gebäude in Deutschland deutlich erhöht werden sollte. Die Versicherungswirtschaft geht derzeit von einer Quote - ich habe hier 46 % stehen - von rund 50 % aus. Gerade in hochwassergefährdeten Gebieten ist sie aber häufig niedriger. Das ist insofern nachvollziehbar - auch das haben wir schon gehört  , als die Prämien mit dem von der Versicherung angenommenen Schadensrisiko steigen. Inwieweit die ZÜRS-Zonen dieses Risiko zielgenau genug abbilden, will ich an dieser Stelle außen vor lassen.

Jetzt gebe ich kurz eine kleine Hilfestellung für Herrn Büttner. ZÜRS-Zonen sind die Begründung dafür, dass Ihr Nachbar weniger bezahlt. Eine ZÜRS-Zone ist ein Element des Zonierungssystems für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen. Damit wird das Risiko, wann ein Versicherungsfall eintritt, statistisch abgebildet. Es gibt eine Grenze, die irgendwo zwischen Ihnen und Ihren Nachbarn liegt.

Laut Versicherungswirtschaft gibt es jedenfalls in Deutschland keine unversicherbaren Objekte. Die Frage ist, ob Eigentümer willens oder in der Lage sind, diese Prämien zu bezahlen. Wenn sie stattdessen eigene Rücklagen für den Schadensfall bilden würden, wäre das eine individuelle Entscheidung, die Staat und Gesellschaft nichts angeht. Auch dieses Thema hatten wir schon. Man kann sich überlegen, ob man durch das Bilden eigener Rücklagen auf eine Versicherung verzichtet. In der Vergangenheit haben die Steuerzahler aber häufig einen Großteil der Rechnung der Privateigentümer übernommen. Das ist angesichts der häufigen und vor allem zunehmend teureren Fälle auf Dauer schlicht nicht bezahlbar. Es setzt außerdem genau den falschen Anreiz, nämlich sich nicht zu versichern. Es ist deshalb richtig, dass wir über eine Versicherungspflicht diskutieren. Diese Debatte wird aber, um es zurückhaltend auszudrücken, nicht immer mit der nötigen Komplexität geführt.

Zum einen bedeutet eine strenge Versicherungspflicht für Privatgebäude bei Großschadensereignissen mitnichten ein Ende der Belastung für die Steuerzahler. Die Schäden an den öffentlichen Infrastrukturen sind in aller Regel unversichert. Für die Sturmflut an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste wird bspw. von einem Betrag von 200 Millionen € ausgegangen. Zum anderen gehen eigentlich alle Modelle, die derzeit in Erwägung gezogen werden, davon aus, dass der Staat am Ende durchaus wieder als Rückversicherer fungieren muss. Das krasseste Beispiel ist in diesem Sinne das französische Modell der Naturkatastrophenversicherung Cat Nat.

Darauf will ich etwas genauer eingehen, weil es auch für Deutschland besonders propagiert wird. Man kann sich allerdings schon trefflich darüber streiten, ob es sich überhaupt um eine Versicherung handelt. Es gibt keine risikobasierten Prämien. Alle Eigentümer sind gesetzlich zur Zahlung eines Aufschlags auf die Gebäudeversicherung verpflichtet. Das waren ursprünglich im Jahr 1982  5,5 %, mittlerweile sind es 12 % und ab nächstem Jahr sind es 20 %. Auch auf Kfz-Versicherungen ist ein Aufschlag von derzeit 6 % zu zahlen. Die Prämie von durchschnittlich 26 €, die immer wieder in die Diskussion geworfen wird, bezieht sich auf diesen Aufschlag, also nicht auf die Versicherung insgesamt. Es gibt im Übrigen auch keinen vertraglichen Anspruch auf eine Auszahlung aus dem Fonds, der aus dem Cat-Nat-Beiträgen gespeist wird. Darüber entscheidet nämlich die Regierung in Paris, wenn es ein bestimmtes Schadensereignis gibt. Das muss dann - entweder ja oder nein - zur Naturkatastrophe erklärt werden. Ist der Fonds aufgebraucht, dann springt der Staat zu 100 % ein. Das gehört einfach zur Wahrheit dazu. Übrigens gibt es auch in Frankreich gar keine Versicherungspflicht, aber zugegebenermaßen eine hohe Versicherungsquote.

Wir betrachten kurz noch ein Schweizer Modell. Das ist allerdings historisch gewachsen und so in Deutschland sicherlich nicht mehr umzusetzen. Die meisten kantonalen Versicherungen umfassen Elementarschäden und die Feuerversicherung. Diese Einrichtungen dienen gleichzeitig gewissermaßen als Präventionsbehörden. Sie können den Eigentümern bestimmte Maßnahmen zur Schadensminderung vorschreiben und auch finanziell unterstützen. Die Prämien werden anhand des Wiederherstellungswertes einheitlich festgelegt und sind zudem insgesamt recht günstig.

Dass dieses System nur selten an seine Grenzen gestoßen ist, liegt aber womöglich nicht zuletzt daran, dass in der Schweiz im Durchschnitt 400 Franken pro Einwohner und Jahr in Präventionsmaßnahmen wie den Hochwasserschutz investiert werden.

Wie auch immer man ein solidarisches Modell ausgestaltet, ob mit hohem staatlichen Anteil als Rückversicherer, mit einheitlichen Prämien, letztendlich auch mit Ad-hoc-Hilfen wie bisher bei uns, hohe Risiken werden letztendlich von der Allgemeinheit getragen. Deshalb halte ich es für wichtig, dass die Risikobewertung Teil der Gleichung bleibt.

(Beifall bei der FDP)

Der Bundesjustizminister hat sich deshalb gegenüber einem Pflichtangebot der Versicherer offen gezeigt.

Die Versicherungswirtschaft hat vor wenigen Jahren in diese Richtung ein Opt-out-Modell vorgeschlagen. Hauseigentümer können sich von der Annahme freistellen lassen, müssten dann aber auf sämtliche Ansprüche gegenüber dem Staat ausdrücklich verzichten.

(Unruhe)

Jetzt, lieber Herr Minister, gestatten Sie mir ein paar Worte zu Ihrer Replik, das sei falsch verstandene Freiheit. Das sehe ich, dass sehen wir Freie Demokraten explizit anders. Das ist exakt richtig verstandene Freiheit, nämlich die in Eigenverantwortung.

(Beifall bei der FDP)

Die Ministerpräsidentenkonferenz, die sich am 20. Juni 2024 mit dem Thema beschäftigt, wurde schon erwähnt. Momentan tut das auch das Treffen der Verbraucherschutzminister. Ich bin sehr gespannt, zu welchem Ergebnis beide Treffen kommen. 

Ja, wir müssen solidarischer einzahlen. Das müssen wir wohl. 

(Zuruf: Nee!)

Aber das Wie ist ganz entscheidend. Was auch ganz entscheidend ist - wir sollten hier im Plenum damit aufhören  : Wir müssen ehrlich sagen, was auf die Menschen zukommt; denn Bauen und Wohnen wird teurer. Ich wünsche mir, dass tatsächlich konsequenter Hochwasserschutzgebiete, Hochwasserrisikogebiete von Gebäuden befreit bleiben. Damit reduziert sich ein Risiko. Aber lassen Sie uns bitte den Menschen nicht erzählen, dass eine Pflichtversicherung alles löst 

(Zuruf: Tut sie denn das?)

und den Staat von teuren Pflichten befreit; das sollten wir nicht tun. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Frau Dr. Pähle.


Kathrin Tarricone (FDP): 

Das war doch auf den Punkt, oder?


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ja. Aber die Frage kommt auch auf den Punkt.


Kathrin Tarricone (FDP):

Na dann.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Frau Dr. Pähle, bitte.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Frau Tarricone. Zu Ihrem Wunsch, der uns, glaube ich, eint, in Überschwemmungsgebieten rigoroser vorzugehen, was das Baurecht betrifft. Ich habe noch eine relativ gute Erinnerung an das Hochwasser im Jahr 2013 in meiner Heimatstadt an der Saale. Quasi zwei Häuser weiter von dem Haus, in dem ich wohnte, an einem abgelegenen Saale-Arm, war ein Kindergarten schwer betroffen.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Mit Fördermitteln ist dieser Kindergarten genau an dieser Stelle wieder instandgesetzt und wieder in Betrieb genommen worden, weil genau das die Voraussetzung für die Nutzung von Fördermitteln war. 

(Zuruf: Jawohl!)

Wir sagen an manchen Stellen einfach, das sei an dieser Stelle wiederzuerrichten, dafür bekomme man die Fördermittel. 

Das einzige, bei dem sich die Stadt durchgesetzt hat, war die Nichtwiedererrichtung des Planetariums an der Stelle, wo es vorher stand, weil klar war, dass es da nicht nur einmal, sondern mehrfach abgesoffen ist.

(Zuruf: Das ist falsch!)

Aber: Können wir auch an dieser Stelle gemeinsam dafür streiten, dass wir solche Förderbedingungen zukünftig nicht mehr aussprechen, damit wir genau diesen Schritt gehen können?

(Zuruf: Ja, schön!)


Kathrin Tarricone (FDP): 

Liebe Frau Dr. Pähle, dabei sollten wir unbedingt zusammen in diese Richtung streiten. Ich bin sehr dafür. Natürlich!

(Zuruf: Sie sagen es!)

Die Bedingungen für Fördermittelvergaben legen wir doch fest.

(Zuruf von Dr. Katja Pähle, SPD)

- Natürlich! Ein klares Ja.

(Zuruf)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Als nächster Debattenredner spricht Herr Büttner. 

(Zuruf)

- Sorry, ich habe gedacht, Sie haben die Frage schon beantwortet. - Frau Tarricone, es gibt noch eine zweite Frage. 

(Zuruf von Kathrin Tarricone, FDP)

- Ja, wer weiß, was die Frage ist. - Herr Büttner, bitte.


Matthias Büttner (Staßfurt) (AfD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe zwei Dinge vorzutragen. Einmal will ich Sie darüber in Kenntnis setzen, weil ich denke, dass es für die demokratische Willensbildung hier in diesem Parlament wichtig ist, dass das Argument der ZÜRS-Zone, die mir auch bekannt ist, in dem Fall nicht gilt, weil das dieselbe Zone ist und weil die Häuser in dem Fall ungefähr 30 m auseinanderliegen, die eine Versicherungsprämie für das eine willkürlich erhöht wird, die andere aber nicht. Das will ich nur sagen.

(Unruhe)

Jetzt zu meiner eigentlichen Frage. Sie haben davon gesprochen, dass es baurechtlich so sein muss, dass in Hochwassergebieten quasi keine Neubauten mehr errichtet werden, worin wir grundsätzlich übereinstimmen; denn es muss so sein. Aber das Hauptproblem, das wir in dieser Sachlage haben, ist, dass es sich mehrheitlich um Bestandsimmobilien handelt, die von diesen Hochwasserlagen betroffen sind. 

Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie mit diesen Bestandsimmobilien und den Eigentümern in der Zukunft baurechtlich umgehen wollen und ob Sie gerade jetzt - wir nehmen das Beispiel Ahrtal -, wo viele stark betroffen waren, wo die Versicherungen in einigen Fällen reguliert haben, den Menschen verbieten wollen, ihr Haus dort wiederaufzubauen, wo es sich seit Generationen befindet und worin die Familien seit Generationen wohnen. Wollen sie die dann zwingen, woanders hinzuziehen? Oder dürfen die dort zukünftig ihr Haus dort wiederaufbauen, wo es ewig stand?


Kathrin Tarricone (FDP): 

Das ist doch jetzt genau die Gegendiskussion, die wir gerade geführt haben. Zu dieser Diskussion und zu der Frage von Frau Dr. Pähle habe ich mich doch gerade schon erklärt. Ich halte es nicht für sinnvoll, wenn ich ein sehr hohes Risiko habe und umfangreiche Ertüchtigungen an einem Haus machen muss, dass ich es an derselben Stelle erneut aufbaue. 

Ganz ehrlich, mir können Sie ein Haus an der Donau schenken, ich würde es nicht nehmen. 

(Zuruf von der AfD: Was?)

  Wie bitte?

(Zuruf von der AfD: Ich würde es nehmen!)

- Ich würde es nicht nehmen. Das kann doch jeder frei entscheiden. Allein diese Angst oder diese Aussicht, dieses Hochwasser kommt wieder oder kommt mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder     

Ich war ganz viel an der Donau unterwegs, habe da auch im Rahmen meiner Arbeit vieles gesehen, wo es wirklich immer wieder absäuft. Da waren Gaststätten dabei. Die haben gesagt, wir würden gern woanders hingehen, aber das ist hier unsere Existenz; wir bauen das hier immer wieder auf. - Richtig ist es trotzdem nicht, weil diese Schäden immer und immer wieder entstehen werden. Ich weiß nicht, wie man es in Erwartung eines Schadens emotional und finanziell aushalten kann. Nein, ich halte es nicht für richtig.

Wie gesagt, Sie machen das Thema „Was machen wir mit Bestandsgebäuden?“ auf. Gucken wir nach Passau und Regensburg. Gucken wir uns die Städte an. Wer da je war, weiß, wie oft die Hochwasser da eintreten. Natürlich ist es ein irrsinniges Problem, dort zu sagen: Was machen wir mit all den Gebäuden, die dort bis an die Ufer gebaut sind? Was machen wir damit? Aber wenn der Staat mit Geld hilft, dann darf er auch eine Forderung stellen. Ich denke, die Forderung, dort ein Haus nicht wiederaufzubauen, wäre richtig.

(Beifall bei der FDP)