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Plenarsitzung

Transkript

Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, es bedarf einer Migrationswende in Deutschland. Denn einerseits ist die Anzahl der auch in Sachsen-Anhalt dringend benötigten ausländischen Fachkräfte unverändert zu gering. 

(Dr. Jan Moldenhauer, AfD: Das ist doch Unfug!)

Deshalb ist die neue Werbekampagne von Wirtschaftsminister Sven Schulze zur Anwerbung von Fachkräften und auch von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland so richtig und so wichtig. Andererseits ist die Anzahl der Menschen, die ohne Schutzgrund nach Deutschland kommen, unverändert zu hoch; das zeigen auch die Daten für dieses Jahr. 

Bis Ende Oktober hatten wir 4 361 Asylzugänge zu verzeichnen. Das ist zwar gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Rückgang von 35 %. Wir hatten aber vom Jahr 2021 zum Jahr 2023 einen Anstieg der Asylzugangszahlen von fast 160 %. Das heißt, auch im Jahr 2024 werden wir deutlich über den Zugangszahlen der Jahre 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 liegen. 

Von den Menschen, die 2024 als Asylbewerber kamen, haben nur etwa 45 % einen Schutzgrund. Beides unterstreicht, dass nach wie vor zu viele Menschen ohne Schutzgrund nach Deutschland kommen. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Aha!)

Deshalb war die Entscheidung der Bundesregierung falsch, im Jahr 2023 im Aufenthaltsgesetz zu streichen, dass das Gesetz auch der Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland dient. 

Wie falsch diese Entscheidung war, zeigt die Tatsache, dass wir im Jahr 2023 in Sachsen-Anhalt die dritthöchste Zugangszahl seit dem Jahr 1994 zu verzeichnen hatten. Dadurch ist die Belastungsgrenze der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit, insbesondere der Kommunen, seit langem erreicht. Aufnahmeeinrichtungen, Wohnraum, Kindergärten, Schulplätze können nicht unbeschränkt erweitert werden, und damit fehlen vor allem auch Integrationskapazitäten für die Menschen, die mit einem Schutzgrund zu uns kommen. 

Ja, es bedarf einer Migrationswende, aber das heißt nicht, dass wir nach rechts abbiegen. Migrationswende heißt, dass durch entschlossenes und nicht durch auf halber Strecke stehenbleibendes Handeln die Anzahl der Asylzugänge, die ohne Schutzgrund nach Europa und Deutschland kommen, signifikant reduziert wird. 

Dass eine solche Wende gelingen kann, zeigen im Übrigen die Jahre 2017 und 2018. Auch aufgrund der deutlichen Intervention unseres Ministerpräsidenten Rainer Haseloff gegenüber dem Bund ist es im Jahr 2017 gelungen, die Anzahl der Asylzugänge im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 62 % zu reduzieren; nehme ich das Jahr 2018 als Vergleich, ist sogar eine Reduzierung um fast 70 % gelungen. 

Entscheidend dafür war unter anderem das im Jahr 2016 ausgehandelte EU-Türkei-Abkommen, welches maßgeblich auf Bemühungen der damaligen Bundesregierung zurückging. Leider hat sich die aktuelle Bundesregierung nie ernsthaft bemüht, dieses Abkommen wieder zu beleben. 

(Guido Kosmehl, FDP: Weil er uns erpresst hat!)

In der Landtagssitzung im April habe ich Ihnen zehn Maßnahmen zur Begrenzung irregulärer Migration vorgestellt, die aus meiner Sicht erforderlich sind, um die Anzahl der Menschen, die ohne Schutzgrund zu uns kommen, spürbar zu reduzieren. Das waren und sind sehr konkrete, pragmatische und rechtssichere Maßnahmen. Soweit es das Land selbst in der Hand hat, konnten wir die Maßnahmen bereits umsetzen. 

Über die landesweite Einführung der Bezahlkarte haben wir heute bereits gesprochen. Durch die Reduzierung der zur Verfügung stehenden Barmittel sollen Überweisungen in das Ausland verhindert und Leistungsmissbrauch sowie den Aktivitäten von Schleusern und Schleppern entgegengewirkt werden. Außerdem sollen die Kommunen mit der Einführung der Bezahlkarte entlastet werden. Der Testlauf, der in Magdeburg bereits seit Monaten erfolgreich läuft, hat genau diese Entlastung zum Ergebnis gehabt. 

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Eine weitere Maßnahme ist, dass Asylbewerbern verstärkt Arbeitsgelegenheiten gegen geringfügige Aufwandsentschädigungen angeboten werden. Das praktizieren wir in der ZASt seit vielen Jahren, auch viele Landkreise machen das. Ich hatte in der Landtagssitzung im September bereits darüber berichtet, dass das Innenministerium einen Leitfaden erarbeitet hat, damit es noch mehr Anbieter unter staatlichen kommunalen und auch gemeinnützigen Trägern gibt, die diese Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung stellen. 

Soweit Maßnahmen in der Hand des Bundes liegen, haben die Länder sowohl über die Ministerpräsidentenkonferenz als auch über die Innenministerkonferenz bereits einiges erreicht. Ich nenne hierfür nur einige Maßnahmen. 

Es gab eine erste Abschiebungsmaßnahme nach Afghanistan, mit der auch aus Sachsen-Anhalt zwei ausreisepflichtige Straftäter mit afghanischer Staatsangehörigkeit abgeschoben wurden. Ich sage dazu klar: Diese Abschiebungsmaßnahme darf keine Eintagsfliege sein, sondern es müssen weitere Abschiebungen von ausreisepflichtigen Straftätern nach Afghanistan erfolgen. 

(Zustimmung bei der CDU und von Guido Kosmehl, FDP)

Ich ergänze: Das muss auch nach Syrien durch den Bund ermöglicht werden. 

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ja, vor allem!)

Es gibt stationäre Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen. Ich wiederhole, was ich bereits mehrfach dazu gesagt habe: Diese Grenzkontrollen müssen fortgeführt werden, solange der Schutz der europäischen Außengrenzen nicht ausreichend gesichert ist 

(Daniel Roi, AfD: Stimmt gar nicht!)

und die Funktionsfähigkeit des Dublin-Verfahrens noch nicht wiederhergestellt ist. 

Außerdem muss Migranten, die aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland einreisen wollen, grundsätzlich die Einreise verweigert werden. Schließlich sieht das Dublin-Verfahren vor, dass Asylverfahren dort durchgeführt werden, wo ein Asylantrag erstmals hätte gestellt werden können. 

Viele Maßnahmen sind vom Bund aber noch nicht angegangen worden. Auch insoweit reiße ich die Themen nur kurz an. Ich trete nach wie vor für die Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die Herkunftsländer Armenien, Indien und die Maghrebstaaten ein. Dies hätte meines Erachtens längst erfolgen müssen.

(Zustimmung und Ja! von Angela Gorr, CDU)

Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten könnte umgehend ausgesetzt werden. Von dieser Möglichkeit ist auch in früheren Legislaturperioden Gebrauch gemacht worden. 

Darüber hinaus müsste bei Leistungskürzungen noch ein Schritt weiter gegangen werden. Die Möglichkeit von Leistungseinschränkungen nach § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte grundsätzlich auf alle vollziehbar Ausreisepflichtigen ausgeweitet werden, die ihrer Ausreisepflicht aus von ihnen zu vertretenen Gründen nicht nachkommen. 

Zur Begrenzung der irregulären Migration sollte auf diese Möglichkeiten nicht verzichtet werden. Bei der Innenministerkonferenz Anfang Dezember werde ich mich weiter für die Umsetzung dieser Maßnahmen einsetzen. - Vielen Dank. 

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Dr. Zieschang. Es gibt eine Frage von Herrn Gallert. - Herr Gallert, bitte. 


Wulf Gallert (Die Linke):

Frau Dr. Zieschang! Es geht mir um diese Begrifflichkeit der illegalen Einreise von Asylbewerbern. Sie haben betont: Wer über einen sicheren Drittstaat einreist, muss an der Grenze zurückgewiesen werden. Das hatten Sie gerade noch einmal gesagt. 

Sagen Sie mir doch bitte einmal: Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt für Asylbewerber, nach Deutschland zu kommen, die aus Ihrer Perspektive nicht illegal sind, also die nicht über einen sicheren Drittstaat kommen? 

(Zuruf von Markus Kurze, CDU)

Per U-Boot durch die Nordsee oder wie stellen Sie sich das vor? - Das würde mich einmal interessieren. Denn meines Wissens gibt es z. B. auch auf dem Flughafen von Frankfurt am Main extra Stellen, die praktisch exterritorial sind. Also wie soll eigentlich ein Asylbewerber nicht illegal nach Deutschland kommen? 


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Sie haben beschrieben, was der Schengen-Raum vorsieht und was das Dublin-Verfahren vorsieht. Das Dublin-Verfahren sieht vor, dass der Asylantrag dort gestellt werden soll, wo er das erste Mal gestellt werden könnte. 

(Ulrich Siegmund, AfD: Richtig!)

Wir stellen im Augenblick fest, dass das Dublin-Verfahren nicht funktioniert, weil Italien, Griechenland die Menschen einfach weiterziehen lassen, bei sich keine Asylverfahren durchführen   teilweise die Menschen noch nicht einmal registrieren, obwohl dort die Möglichkeit bestehen würde   und sie dann nicht zurück nehmen. 

Solange das Dublin-Verfahren nicht funktioniert, müssen wir eigentlich umso mehr auf dessen Einhaltung pochen; d. h. , es gibt nach dem Dublin-Verfahren   das habe ich in der vorletzten Landtagssitzung im September dargelegt   die rechtliche Möglichkeit, die Einreise zu verweigern, weil man aus einem sicheren Drittstaat kommt.


Wulf Gallert (Die Linke):

Meine Frage war: Welche legale Möglichkeit gibt es für Menschen in Deutschland, ein Asylverfahren zu beantragen? 

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Bei der Botschaft!)


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Sie können   Sie haben auf das Flughafen-Verfahren abgehoben   erst einmal natürlich per Flugzeug einreisen. Dann ist die Frage: Wo stellen sie dann jeweils einen Asylantrag, von wo kommen sie hierher? 

Aber Fakt ist doch, dass viele Menschen, die nach Deutschland kommen, durch mehrere sichere Drittstaaten reisen 

(Ulrich Siegmund, AfD: Richtig! - Zuruf von der AfD: Alle! Sie kommen alle!)

und eben erst hier den Asylantrag stellen, obwohl sie es vorher woanders hätten tun können. Das gibt die Möglichkeit, die Einreise zu verweigern.