Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Ulrich Siegmund (AfD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe eine konkrete Frage zu der aktuellen, katastrophalen Situation in der Wirtschafts- und Energiepolitik unseres Landes, konkret zur chemischen Industrie, die unser Bundesland seit mehr als 100 Jahren auszeichnet. 

Am Samstag erschien ein Interview in der „Magdeburger Volksstimme“ mit dem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff; darin forderte er Schutzmaßnahmen für die Chemieindustrie und sprach sich für weitere Sanktionen gegen Russland und China aus. Des Weiteren sagte Herr Ministerpräsident Haseloff dort - ich zitiere  : 

„Putin nimmt uns trotz der Sanktionen einen Marktanteil nach dem anderen im Bereich der Grundstoffchemie weg“. 

Als zweiten Grund führte Ministerpräsident Haseloff die extrem hohen Energiekosten in Deutschland an. Zusammen sorgen diese Umstände dafür, dass - ich zitiere den Ministerpräsidenten erneut - „die Automobil- und die Chemieindustrie […] uns unter den Händen zusammen[brechen]“. 

Herr Haseloff, für beide Ursachen, die Sie dort erwähnt haben, ist die CDU und sind Sie als Person maßgeblich mitverantwortlich. Sie persönlich haben die gescheiterte Energiewende mit vorangetrieben und tun das weiterhin mit dem Ziel einer vermeintlichen CO2-Reduktion. Und: Sie persönlich sind ein maßgeblicher Treiber der Sanktionspolitik gegen Russland, die uns sowohl die hohen Energiekosten als auch die weiteren Marktanteile für Russland im Bereich der chemischen Industrie überhaupt erst beschert. An beiden Punkten halten Sie trotz einiger Lippenbekenntnisse in der Presse politisch fest.

Ich frage daher die Landesregierung: Wie möchten Sie außer mit steuerfinanzierten Subventionen überhaupt irgendetwas unternehmen, um die Automobil- und die Chemieindustrie in diesem Land zu retten, wenn Sie doch weiterhin an dem politischen Kurs festhalten, der diese Industriebereiche in diese Situation gebracht hat. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Der Herr Wirtschaftsminister, bitte.

(Zuruf)


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Das ist ein Wirtschaftsthema und das ist auch ein wichtiges Thema. Wir sind - Herr Siegmund, Sie haben die chemische Industrie angesprochen - am Freitag der vergangenen Woche zu einem Spitzengespräch mit der chemischen Industrie in Sachsen-Anhalt zusammengekommen. Daran waren neben Dow Chemical SKW Piesteritz und die Chemieparks beteiligt. Wir haben im Wesentlichen über zwei Themen diskutiert, zum einen über das auch von Ihnen angesprochene Thema Energiekosten. Das ist das, was der Ministerpräsident sagte - dass das vonseiten der chemischen Industrie als wichtig angesehen wird, ist relativ klar  : dass uns die Nebenkosten der Energie massive Probleme bereiten. 

Es wurde außerdem angesprochen das Thema Strompreis und die darauf liegenden Nebenkosten. Es gab vor einigen Jahren Ankündigungen des Bundeskanzlers, dafür klare Regeln zu finden. Am Ende konnten diese durch die Regierung nicht gefunden werden. 

Warum haben wir das jetzt angesprochen? - Weil wir nicht darauf warten können, bis eine Bundestagswahl und ggf. ein neuer Haushalt in einigen Monaten zur Verfügung stehen. Wir haben zu diesem Thema vereinbart - ein anderes Thema war die Gasspeicherumlage, auch eine Nebenkostenthematik  , dass wir als Landesregierung diesbezüglich sehr schnell - das wird noch in dieser Woche passieren - noch einmal die Bundesregierung aufsuchen. Warum machen wir das? - Weil Sachsen-Anhalt eines der Länder innerhalb Deutschlands ist, in dem die chemische Industrie mit die größte Rolle spielt. 

Wir sind der Meinung, dass es, wenn im Bereich der Energiekosten in den nächsten Jahren nicht eine signifikante Änderung eintritt, für unsere chemische Industrie nicht nur zu einem massiven Problem führt - das haben wir schon jetzt  , sondern im Zweifelsfall zur Schließung einzelner Produktionsstätten. 

Warum ist das nicht substituierbar bspw. durch - wie es immer wieder gesagt wird - grünen Strom? - Wir haben im Wesentlichen ein Thema mit Gas. Gas ist bei uns ein Grundstoff. Gas ist für die chemische Industrie nicht substituierbar. Wir haben die Situation, dass wir Gas veredeln. Es ist über Jahrzehnte hinweg unter verschiedenen Landesregierungen zu Recht immer auch gefördert worden, dass wir genau diesen Weg gehen. Die chemische Industrie in Sachsen-Anhalt ist nicht erst seit 1989/1990 stark, sondern sie ist auch schon davor stark gewesen - sicherlich mit Herausforderungen und mit Wegen, die man verändert hat, die man auch zu Recht verändert hat, gerade was das Thema Umweltschutz angeht. Sie ist weiterhin einer der wesentlichen Treiber unserer Wirtschaft.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass kein Unternehmen ein Interesse daran hat, Sachsen-Anhalt zu verlassen, und kein Unternehmen dabei ist zu sagen: Wir suchen uns jetzt den bestmöglichen Produktionsstandort woanders auf dieser Welt. Auch für die Unternehmen, die hier sind und hier investiert haben, gibt es im Moment nicht die Situation, dass sie sagen: Wir werden morgen die Türen zumachen. 

Das, worüber ich als Wirtschaftsminister mir Sorgen mache, ist, dass weitere Investitionen in die Zukunft für Deutschland und zum Teil auch für Europa unter den jetzigen Bedingungen so nicht mehr möglich sind. Wenn Sie aktuell auf die Chemieparks schauen, sehen Sie: Es gibt derzeit auch Investitionen in Milliardenhöhe. Ich nenne einmal den Chemiepark in Leuna und nur ein Unternehmen: UPM investiert dort gerade etwas mehr als 1 Milliarde € und wird das auch weiterhin tun. 

Wir haben auch weitere gute Gespräche. In der letzten Woche hatte ich ein Unternehmen aus dem Chemiepark Bitterfeld bei mir, das unter gewissen Umständen Interesse daran hätte, einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag zu investieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Deshalb wenden wir uns bei dem Thema Rahmenbedingungen nach Berlin und zum Teil auch nach Brüssel. 

Der Ministerpräsident hat genau zu diesem Thema in Absprache mit Teilen der Landesregierung auch bei Ursula von der Leyen vorgesprochen. 

Er hat dort noch einmal klar die Themen benannt, die auch auf europäischer Ebene geregelt werden müssen. 

Ein Thema ist tatsächlich, dass gewisse Grundstoffe - das ist nachweisbar; darüber können Sie auch mit den Chemieunternehmen sprechen; das machen Sie ja zum Teil auch; der Geschäftsführer des SKW Piesteritz ist jederzeit auskunftsbereit und auskunftsfähig - bzw. Teile von Grundstoffen, die eigentlich in Deutschland und in Europa produziert werden, für die man wiederum Gas als Grundstoff braucht, im Moment zu sehr günstigen Preisen bei uns auf den Markt gelangen. Das sorgt dafür, dass Einzelunternehmen, bspw. BASF, die Produktion schon gestoppt haben. SKW Piesteritz kann im Moment nicht wettbewerbsfähig produzieren.

Das sind die Gründe, warum wir uns mit diesen Unternehmen nicht nur zusammensetzen, sondern auch einen Schulterschluss mit ihnen vereinbart haben. Es ist sehr positiv, dass diese Gespräche ohne Populismus ablaufen, ohne zu sagen, wer in der Vergangenheit was entschieden hat. Vielmehr wird im Moment darauf geguckt, was in der Zukunft verändert werden muss, damit die chemische Industrie hier in Deutschland und in Europa eine Zukunft hat.

Zweitens haben Sie die Automobilindustrie angesprochen. Dort haben wir aus verschiedenen Gründen eine ähnliche Situation. Diese ist nicht ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die großen OEM in vielen Unternehmen, in vielen Fabriken auf das Thema Elektromobilität umgeschaltet haben, sondern auch darauf, dass im Bereich der Verbrennungsmotoren zu wenige Autos verkauft werden. Ich komme selbst aus der Automobilindustrie, habe dort viele Jahre gearbeitet und weiß, wie die Situation ist. Wenn die Absatzmengen, die einmal vereinbart wurden, nicht mehr erreicht werden, dann können auch die sachsen-anhaltischen Zulieferer nicht die Mengen liefern. Das bedeutet auch für uns Herausforderungen.

Wir haben im Wesentlichen im Landkreis Harz einige Automobilzulieferer; mit einzelnen haben wir auch schon Gespräche geführt. Wir unterstützen das als Land und vermitteln, wenn es nötig ist, zu einzelnen Institutionen dieses Landes, um zu helfen. Auch hierbei ist es so, dass die Unternehmen gern ihre Standorte behalten wollen, dass die Unternehmen dazu bereit sind, sich zu verändern, und das zum Teil schon machen. Allerdings vermisse ich an mancher Stelle noch ein Stück weit die Wege, die man gehen müsste. An dieser Stelle werden wir jetzt auch mit unseren Netzwerken, bspw. MAHREG Automotive, Gespräche führen.

Fakt ist, dass es keinen Grund gibt, irgendetwas zu beschönigen. Deshalb ist das, was der Ministerpräsident gesagt hat, auch vollkommen richtig. Es ist auch richtig, dass wir deshalb in den nächsten Wochen noch weitere Gespräche führen werden und mit den Unternehmen und deren Verbänden darüber reden werden, welche Wege wir als Landesregierung im Rahmen unserer Möglichkeiten gehen werden.

Ich habe mich auch dafür entschieden, Anfang nächsten Jahres die ostdeutschen Wirtschaftsminister nach Sachsen-Anhalt einzuladen. Diese sind dann in allen Bundesländern außer in Sachsen-Anhalt neu im Amt. Warum will ich das machen? - Weil wir in Ostdeutschland zum Teil andere Situationen haben, als das in West- oder Süddeutschland der Fall ist. Und genau für diese Themen brauchen wir dann, wenn es vielleicht die eine oder andere Veränderung in Berlin gibt, Mehrheiten. Es wird immer gern über Bundesratsinitiativen und Ähnliches gesprochen. Diese nützen natürlich nichts, wenn jedes Land allein seinen Weg geht. Deshalb sollten wir als Ostdeutschland, glaube ich, da wir zum Teil ähnliche Herausforderungen haben, auch mit einer Stimme sprechen. Das werden wir auch organisieren.

Das heißt, das, was wir als Landesregierung machen können, das tun wir. Es bringt aber nichts, immer auf Entscheidungen in der Vergangenheit zu schauen, die manchmal - das will ich auch sagen - anders hätten gefällt werden müssen. Wir haben jetzt nur eine Chance: Wir müssen jetzt schauen, welche Entscheidungen in der Zukunft verändert werden müssen, damit unsere Industrie eine Chance hat. Und das macht die Landesregierung in Sachsen-Anhalt. - Danke.

(Zustimmung bei der FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke. - Herr Siegmund, Sie haben bestimmt eine Nachfrage.


Ulrich Siegmund (AfD): 

Ja. - Vielen Dank, Herr Minister. Auf der einen Seite bedanke ich mich herzlich für Ihre ausführliche Antwort. Auf der anderen Seite muss ich gestehen, dass ich beeindruckt bin, wie man so viel reden und so wenig sagen kann. Sie wären wirklich ein geeigneter Nachfolger für den Ministerpräsidenten Herrn Haseloff. - Das nur vorab.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte nicht immer nach hinten schauen - in diesem einen Punkt bin ich bei Ihnen. Sie haben selbstkritisch angemerkt, dass die Entscheidungen, die uns in diese Situation geführt haben, der CDU-Politik entstammen. Worauf ich mit meiner Frage eigentlich hinauswollte, ist, dass man irgendwann auch einmal den Schneid haben sollte, daraus zu lernen und einen Kurswechsel herbeizuführen. Das sehe ich bei der CDU nicht; das sehe ich überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Ministerpräsident Herr Haseloff führt die Energiepolitik der Grünen weiter fort, auch die Sanktionspolitik gegen Russland.

Es hätte mich gefreut, wenn Sie hier einmal einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Politik angedeutet hätten, die uns und auch die Unternehmen überhaupt in diese Situation hineingeführt hat. - Sei es drum. Die Frage ist insofern beantwortet. Der Grundkurs der CDU wird weitergehen.

Ich möchte dennoch eine letzte Frage stellen. SKW Piesteritz - das haben Sie schon angesprochen - mit mehr als 800 Mitarbeitern und mehr als 800 Millionen € Umsatz ist für unser Bundesland wirklich sehr, sehr wichtig. Wie lange, glauben Sie, wird dieses Unternehmen unter der aktuellen Politik noch durchhalten?


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Zum einen ist das hier das Plenum des Landtags von Sachsen-Anhalt. Wenn Sie über Parteipolitik reden wollen, dann empfehle ich Ihnen einen Blick in die Parteiprogramme. Diese werden in dieser Woche gerade beschlossen und entsprechend verkündet werden. Darin kann man sicherlich bei einzelnen Parteien auch gewisse Änderungen gegenüber der Vergangenheit erkennen. - Das ist das eine.

(Zustimmung bei der CDU)

Das Zweite ist, dass wir gemeinsam mit der Unternehmensführung von SKW Piesteritz selbstverständlich nur ein Ziel haben, nämlich dass dieses Unternehmen hier in Sachsen-Anhalt bleibt. Wenn wir als Landesregierung jetzt darüber spekulieren würden, wie lange wir das Unternehmen noch halten können - hoffentlich noch so lange wie möglich  , dann ist das der völlig falsche Ansatz.

In meiner Zeit als Verantwortungsträger in der Wirtschaft habe ich nie so gedacht: Wie lange kann ich noch irgendwie durchhalten? Das ist ein Weg, wie man Menschen verunsichert. Solche Fragen zu stellen, ist das Zeichen, dass man genau in diese Richtung will. Unser Ziel ist es - und das macht die Landesregierung  , diesen tollen Chemiestandort Piesteritz, genauso wie Leuna, genauso wie Zeitz, genauso wie die gesamten fünf großen Chemieparks - der größte Chemiepark Deutschlands steht in Leuna, in Sachsen-Anhalt - zu erhalten. Wir diskutieren nicht darüber, wann sie denn weg sind.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Das ist der richtige Weg und so werden wir Politik machen. - Vielen Dank.


Ulrich Siegmund (AfD): 

Ich habe die Chance, noch eine weitere Bemerkung zu machen. - Darin möchte ich Sie unterstützen. Das sehen wir genauso. Wir sehen nur eine gewisse Dramatik dahinter. Im Gegensatz zu Ihrer Politik möchten wir, dass konkret gehandelt wird. Denn wir haben das Gefühl, dass hier aktuell auf Zeit gespielt wird. Das haben diese Unternehmen nicht verdient. Sie brauchen Planungssicherheit, sie brauchen unternehmerische Freiheit und sie brauchen Rahmenbedingungen, unter denen sie vernünftig produzieren können. Das gibt es aktuell nicht. Deswegen war diese Frage elementar für uns, ob Sie einen Kurswechsel herbeiführen möchten oder nicht. Ich glaube, diese Frage haben Sie beantwortet. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Darauf möchte ich gern noch einmal antworten. - Wissen Sie, für mich ist nicht wichtig, wie unser Verhalten hier politisch bewertet wird. Für mich ist ausschließlich eines wichtig: wie uns die Unternehmen und deren Verbände sehen. Sie haben am Freitag klipp und klar gesagt, dass sie das, was wir hier machen, wie wir als Landesregierung uns verhalten, zu 100 % unterstützen, dass sie sehr dankbar dafür sind, dass sie eine Landesregierung haben, die die Themen auch in Berlin und Brüssel, nämlich dort, wo das zu entscheiden ist, anspricht. 

Wir in Sachsen-Anhalt werden die Energienebenkosten nicht verändern können, aber wir könnten es in Berlin machen, wir könnten es zum Teil auch in Brüssel machen. Das werden wir eins zu eins so weitermachen. Gute Politik und gute Vertreter der Landesregierung sollten sich ausschließlich davon leiten lassen, was diejenigen sagen, für die sie zuständig sind, und nicht davon, wie das von der Opposition bewertet wird.

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie als Opposition uns nicht loben, sonst wären Sie nicht die Opposition. Aber in diesem Fall sage ich Ihnen: Jeder Unternehmensvertreter, der dort war, und auch die Vertreter der Chemieparks haben sich dafür bedankt, dass wir mit dem Weg, den der Ministerpräsident eingeschlagen hat und den wir als Landesregierung in unserer Wirtschaftspolitik eingeschlagen haben, den richtigen Weg gehen.

(Zuruf von der AfD)

- Dann haben Sie die Veröffentlichungen des Statistische Landesamtes nicht verfolgt. Sachsen-Anhalt ist eines der wenigen Bundesländer, in dem die Zahl der Insolvenzen sogar verringert wurde bzw. geringer ist als in der Vergangenheit. Aber das ist gar nicht das Thema.

Der Weg ist eingeschlagen - Punkt 1. Punkt 2: Er wird unterstützt von der Industrie, für die wir arbeiten, und das werden wir auch in der Zukunft so machen. - Vielen Dank.