Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst, Frau Abg. Quade, finde ich es immer interessant, wer sich so auf Koalitionsverträge beruft, in diesem Fall den des Bundes. Für Koalitionsverträge gilt nichts anderes als für Verträge ansonsten auch: Sie binden die Unterzeichner; d. h., Dritte können keine Rechte daraus ableiten und Dritte können daraus auch nicht verpflichtet werden.
Nun zu dem, was bislang vonseiten des Bundesinnenministeriums zu dem sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht vorliegt. Wir haben bislang nur einen Referentenentwurf vorliegen, der nicht einmal auf der Bundesebene zwischen den dortigen Ressorts abgestimmt ist. Die Lebenserfahrung spricht dafür, dass dieser Referentenentwurf sicherlich noch mit Änderungen ins Bundeskabinett geht. Die Lebenserfahrung sagt auch, dass kein Gesetzentwurf aus dem Parlament so herauskommt, wie er hineingekommen ist. Deswegen kann ich nur sagen, dass ich auf der Grundlage dieser am Ende doch noch sehr unklaren rechtlichen Basis sicherlich nicht Vorschriften gegenüber in Sachsen-Anhalt zuständigen Behörden erlassen werde, die derzeit nicht mit geltendem Recht vereinbar sind. Ein solches Vorgehen halte ich für äußerst problematisch.
Zum Inhalt des jetzigen Referentenentwurfes, ohne dass wir wissen, was am Ende im Deutschen Bundestag beschlossen wird. Es ist in der Tat so, dass ich diesen Referentenentwurf in Teilen kritisch sehe. Ich sehe es deswegen kritisch, weil im Augenblick als Ausschlussgrund für ein Chancenrecht nur die aktive Identitätstäuschung definiert wird. Das ist mir eindeutig zu wenig. Auch fehlende Mitwirkung muss meines Erachtens ein zwingender Ausschlussgrund sein,
(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)
weil ich ansonsten schlicht und ergreifend auch falsche Anreize in Richtung illegaler Einreisewilliger setze.
(Zustimmung bei der CDU)
Aber das, was Sie Sie haben konkret auf die Abschiebung von zwei bosnischen Schwestern in Magdeburg hingewiesen mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht wollen, das will hier ansonsten niemand.
(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Eva von Angern, DIE LINKE: Woher wissen Sie das schon, bevor die Reden hier gehalten wurden? Das würde uns jetzt interessieren!)
Denn am Ende wollen Sie ein Chancenrecht, das besagt: Alle können kommen, alle sollen bleiben. Das ist Ihr Verständnis von Chancen-Aufenthaltsrecht.
(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber es haben noch nicht einmal alle Fraktionen geredet! Ein bisschen vermessen! - Chris Schulenburg, CDU: Einfach erst einmal zuhören, Frau von Angern! - Eva von Angern, DIE LINKE: Aber sie hat doch selbst nicht zugehört! - Matthias Büttner, AfD: Dann stellen Sie ihr doch eine Frage, wenn Sie eine haben! - Frank Bommersbach, CDU: Jetzt lasst sie doch mal ausreden!)
Das will ich an diesem konkreten Fall darlegen, Frau von Angern. Ich sage Ihnen das deswegen, weil Sie hier schlicht und ergreifend die Konstellation in den Blick nehmen wollen. Es handelt sich um zwei bosnische Schwestern, die bereits im März 2006 einmal abgeschoben wurden, dann 2011 wieder einreisten.
(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Das gibt’s ja nicht!)
Der Aufenthalt ist in beiden Fällen rechtskräftig abgelehnt worden wegen fehlender Schulabschlüsse. Bei einer Schwester wegen Schulbummelei,
(Nadine Koppehel, AfD: Aha!)
keiner Berufsausbildung und keiner Arbeitsmarktintegration.
(Zustimmung bei der AfD - Aha! bei der CDU und bei der AfD - Zuruf von der AfD: Mann, Mann, Mann! - Weitere Zurufe - Henriette Quade, DIE LINKE: Unfassbar!)
Aber was, glaube ich, von besonderem Interesse ist: dass selbst die Härtefallkommission ein Ersuchen bei einer dieser beiden bosnischen Schwestern abgelehnt hat;
(Zuruf von der AfD: Das sind Fachkräfte!)
die zweite hat das Ersuchen gar nicht erst gestellt.
(Zuruf von der AfD: Aha! - Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Und die sollen hierbleiben? Gott sei Dank sind die weg! - Beifall bei der AfD - Zurufe von der CDU)
Das heißt, hier haben wir ein Instrumentarium. Wir haben bei uns im Land ein Instrumentarium, von dem Sie wissen, dass ich das sehr schätze, nämlich die Arbeit der Härtefallkommission, wo jemand auch, obwohl er ausreisepflichtig ist, aufgrund besonderer Konstellationen gleichwohl im Land verbleiben kann. Das ist eine Regelung, die unterstütze ich. Aber ich glaube, niemand ansonsten will, dass selbst dann, wenn die Härtefallkommission sagt, dass jemand nicht bleiben kann, gleichwohl ein Chancen-Aufenthaltsrecht besteht.
(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)