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Plenarsitzung

Transkript

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Silbersack. - Als nächster Redner folgt Herr Meister. - Für diejenigen, die es nicht gesehen haben: Der Vogel ist gefangen.

(Lachen und Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Meister, bitte.


Olaf Meister (GRÜNE):

Dies ist eine gute Nachricht. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Überschrift des Antrages ist völlig okay. Ja, wir müssen die Ursachen bekämpfen. Ja, es braucht eine Kehrtwende. Der Inhalt des Antrages ist erwartungsgemäß allerdings unsinnig. Die grüne Energiewende hin zu regenerativen Energien ist nicht die Ursache des Problems - sie ist die Lösung.

(Zurufe bei der AfD: Nein!)

Die Ursache für die aktuellen extremen Energiepreisentwicklungen ist schlicht unsere Abhängigkeit von fossilen Energielieferungen aus Russland, einem inzwischen diktatorisch regierten Land,

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

das unsere Abhängigkeit als Waffe für seine Interessen einsetzt. Davon müssen wir unabhängig werden. Dabei beißt die Maus keinen Faden ab.

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Um der aktuellen Situation gerecht zu werden, bedarf es zunächst pragmatischer Reaktionen. Habecks Reise nach Katar ist das Symbol für diesen Pragmatismus, der nun einmal leider angezeigt ist.

(Ach! bei der CDU)

Flüssiggaslieferungen und -terminals kommen. Im Oktober gehen   wir haben es vorhin schon diskutiert   zwölf Kohlekraftwerke ans Netz. Atomkraftwerke gehen in den Streckbetrieb, also zumindest, wenn die FDP zustimmt.

(Oh! bei der FDP - Guido Kosmehl, FDP: Das sind alles Märchen! - Weitere Zurufe von der FDP - Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

- Beruhigen Sie sich! - Das alles sind Dinge, die nicht im Bundeswahlprogramm der Bündnisgrünen standen, aber zur Bewältigung der Krise nun einmal nötig sind.

Es gibt zwei Vorwürfe, die den GRÜNEN zum Teil von demselben Redner in derselben Debatte, in demselben Redebeitrag gemacht werden. Entweder sind wir die Ideologen, die an ihrer Politik festhalten, dort alles „inne Dutten“(?) machen, oder wir verraten die grünen Ideale. Das kann derselbe Redner in einem Punkt bringen. Das ist beides unsinnig. Man muss tatsächlich den vernünftigen Weg finden.

Begeisterte Forderungen nach Kohle und Atom sind aber dann mit großer Skepsis zu betrachten, wenn die Fordernden über die Notmaßnahmen hinaus schielen und als eigentliches Ziel ein Zurück in die Fossilen oder in die Atomkraft anstreben - leider ein recht gängiges Muster. Ich meine, es auch heute schon hin und wieder wahrgenommen zu haben.

(Zuruf von Andreas Silbersack, FDP)

Unsere Ablehnung solcher Vorhaben ist nicht Ausdruck irgendeiner absonderlichen Ideologie. Das ist immer so, als ob uns eine böse Fee an der Wiege gesagt hat: Du bist gegen Atomkraft. - Nein, das ist das Ergebnis der längerfristigen Zielstellungen, die wir verfolgen. Der Klimawandel macht kein Päuschen, nur weil wir in Europa mit Krieg beschäftigt sind.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Der macht auch kein Päuschen, wenn wir hier in Deutschland was anderes machen!)

Auch wenn wir jetzt in Größenordnungen Kohle nutzen: Wir müssen davon herunter. Jetzt sogar umso schneller, weil wir mehr CO2 emittieren. Daher wird es sinnvoll sein, das durch eine insgesamt verkürzte Laufzeit wieder aufzuholen. Alles das, was die fossile Nutzung über die Notsituation hinaus unnötig verlängert, ist nicht sinnvoll. Das Ziel ist also nicht, z. B. Fracking in Deutschland einzuführen, sondern es ist der schnellstmögliche Ausbau der regenerativen Energien, um kostengünstig, sicher und klimaneutral Energie zu gewinnen.

(Marco Tullner, CDU: Aber die Holländer durften so etwas machen!)

Ähnliches gilt für die Atomkraft. Die Abkehr von dieser Energieform ist in Deutschland das Ergebnis einer jahrzehntelangen gesellschaftlichen Auseinandersetzung, die sich am offenkundigen Gefährdungspotenzial der Technik entzündete. Das sah übrigens auch der Antragsteller in der Vergangenheit so: Im Jahr 2020 hatten wir den schönen Antrag der AfD „Sachsen-Anhalt ist kein Standort für ein Atommüll-Endlager“. Was soll man mit so einem populistischen Mist anfangen?

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Entweder ist es harmlos und ungefährlich, dann können Anlagen und Endlager auch in Ihre Wahlkreise, oder es ist ein nicht akzeptables Risiko, dann sollten wir darunter einen Schlussstrich ziehen und aussteigen.

(Zustimmung - Zurufe von Stefan Ruland, CDU, und von Kathrin Tarricone, FDP)

- Ich habe die AfD-Fraktion angesprochen, weil sie den Antrag gestellt hat. - Die Atomkraft ist nicht nur unsicher, sondern vor allem auch unzuverlässig und teuer - das demonstriert Frankreich eindrucksvoll. Gerade bei diesem „teuer“

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

wird immer so getan, als ob das wirklich vom Wirtschaftlichen her ein Schritt in die richtige Richtung wäre. Die Energieform ist nicht einmal versicherbar. Wie wollt ihr das überhaupt mit marktwirtschaftlichen Kriterien verbinden? Ihr kriegt keine Versicherung für die Anlagen.

(Guido Kosmehl, FDP: Braucht doch keine Versicherung!)

Das ist doch verrückt. Auf diese Art und Weise kann man doch nicht Energiepolitik machen.

(Zuruf von Marco Tullner, CDU)

- Lieber Kollege Tullner, einfach melden, dann können wir das diskutieren und nachher nachholen. -Der dritte Punkt des Antrages ist die Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 1 und Nord Stream 2 - das ist letztlich ein Popanz. Abgesehen davon, dass die nun gründlich kaputt sind. Putin könnte über die Jamal-Pipeline aktuell jederzeit die Lieferungen aufnehmen. Dazu ist er im Prinzip auch bereit; darin bin ich mir sicher. Es gibt nur eine Bedingung: Wir müssen uns ihm außenpolitisch unterwerfen, letztlich also auf die europäische Bindung verzichten und zukünftig immer das machen, was er sagt. Das kann man tun, dann wird er sicherlich auch liefern.

Wie Sie sich hier mit so einer Forderung hinstellen und gleichzeitig behaupten, Sie seien Patrioten, erschließt sich mir nicht. Sie sind keine Patrioten, sondern einfach Fans eines autoritären und diktatorischen Regimes. Was Sie dazu treibt, ist mir ein Rätsel. - Darauf kann ich nachher noch eingehen. Sanktionen wirken und sind wichtig.

(Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Ist nicht so wichtig! - Weiterer Zuruf von der AfD)

Friedensverhandlungen sind auch wichtig, aber die Probleme gehen tiefer. Darüber können wir vielleicht nachher noch debattieren.

Dieser Antrag geht komplett an den Realitäten vorbei. Seine Umsetzung wäre ein Desaster für Deutschland und für Europa. - Meine Redezeit ist beendet.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Noch nicht ganz, Herr Meister, wenn Sie Fragen von Herrn Kosmehl und von Herrn Silbersack zulassen.


Olaf Meister (GRÜNE):

Das können wir machen.


Guido Kosmehl (FDP):

Herr Meister, ich habe einige konkrete Fragen, weil Sie immer so plakativ, auch heute wieder, gesagt haben: Erneuerbare Energien sind die Lösung. Sie können mir doch sicherlich diese Frage beantworten: Was machen wir, wenn wir am 1. Januar des nächsten Jahres 6 % der derzeit noch durch Atomkraftwerke produzierten Strommenge nicht mehr zur Verfügung haben? - Erste Frage.

(Zuruf von Stefan Ruland, CDU)

Die zweite Frage stelle ich auch gleich. Vielleicht können Sie das einmal bitte klarstellen: Ursprünglich war die grüne Position, die Atomkraftwerke gar nicht mehr oder als Reserve laufen zu lassen. Jetzt geht es um eine Laufzeitverlängerung. In Berlin streitet man über die Fragen: Wie lange? Für die erste Heizperiode oder für den zweiten Winter auch noch? Können Sie bestätigen, dass es ursprünglich die grüne Variante war, beim Abschalten der drei verbliebenen Atomkraftwerke zum 31. Dezember dieses Jahres zu bleiben?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Meister, bitte.


Olaf Meister (GRÜNE):

Zur ersten Frage. Wir reden über verschiedene Zeiträume. Wozu ich sage, dass die Erneuerbaren die Lösung sind, sind der mittelfristige und der langfristige Zeitraum.

(Guido Kosmehl, FDP: Ja, ja!)

Es ist mir völlig klar   das wissen Sie auch  , dass wir zum 1. Januar 2023 nicht ausreichend erneuerbare Energien am Start haben werden. Insofern brauchen wir andere Lösungen. Kohle habe ich erwähnt. Unter die Atomkraft würde meine Partei wahnsinnig gern den Schlussstrich ziehen. Das ist beschlossen.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Das Gesetz läuft bis zum 31. Dezember. Das war der Beschluss, den ihr gefasst habt, aber wir stehen dahinter. Wir erkennen an, dass wir Probleme haben. Insofern sind wir mit diesem Streckbetrieb einverstanden und würden das mittragen.

Es gab eine interessante Debatte im Kreisverband Magdeburg der GRÜNEN, bei der ich wirklich von der Sachlichkeit beeindruckt war, die dort herrscht. Dort gab es niemanden, der ein Plakat hochhielt.

(Zurufe: Oh! - Zuruf von der AfD: Vor allem die Flexibilität, die die GRÜNE an den Tag legt! - Zuruf von Frank Bommersbach, CDU - Ulrich Thomas, CDU, lacht)

- Na ja, das ist tatsächlich eine Sache, die die Partei maßgeblich geprägt hat. Ich saß in Gorleben vor einem Endlager und wurde von der Polizei weggetragen. Das bekenne ich jetzt hier. Das ist sicherlich verjährt.

(Oh! bei der AfD - Lachen)

Das geht mehreren in meiner Partei so. Das ist Teil unserer politischen Sozialisierung, die auch nicht aufgegeben ist. Dieses Ziel haben wir fast erreicht. Jetzt stehen wir vor dieser Frage und müssen solche Kompromisse machen. Dann machen wir die Kompromisse auch. Deswegen ist der Streckbetrieb der Kompromiss.

Zu der Annahme, dass wir   das ist das, was ich in meiner Rede sagte   hinten herum sagen: Lasst uns doch da wieder reingehen, wir kaufen neue Brennstäbe, es geht weiter und wir bauen das aus. - Das werden wir nicht machen.

(Zuruf von Frank Bommersbach, CDU)

Ich meine, dass es nicht sinnvoll ist, weil dann der Gesamtanteil der Atomenergie   wir haben vorhin über die Frage der Regelungstechnik und so etwas gesprochen   in Deutschland nicht entscheidend für die Frage ist, wie ich in den nächsten Jahren, also 2024/2025, durch die Zeit komme.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Das waren die beiden Antworten. - Jetzt kommt Herr Silbersack an die Reihe.


Andreas Silbersack (FDP):

Eine kurze Frage. Wie erklären Sie dem Rest der Welt und Greta Thunberg, warum der deutsche Weg, insbesondere Ihrer als GRÜNE, im Hinblick auf die Kernenergie der richtige ist?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Meister.


Olaf Meister (GRÜNE):

Wir haben eine Einschätzung, mit der wir, glaube ich, nicht ganz allein sind in Bezug auf die Frage, wie sicher diese Technik ist.

Es wird gesagt, die deutschen Atomkraftwerke sind total sicher. Das haben die Japaner auch immer gesagt. Tatsächlich ist das einzelne Risiko des Kraftwerks, ob es nächste Woche kaputtgeht, wirklich klein. Je mehr Kernkraftwerke Sie haben, je länger die Zeiträume sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass es zu einem Unfall kommt, der katastrophal ist. Wir haben es in der Geschichte zweimal erlebt. Das ist nicht oft, aber ausreichend. Wenn bei einer Windkraftanlage etwas passiert, wenn sie abbrennt oder umfällt, dann ist das ein Schaden vor Ort. Beim Atomkraftwerk habe ich einen dauerhaften Schaden auf einer großen Fläche. Nach dem Maßstab, den man heute ansetzt, wäre die Region nicht mehr bewohnbar.

Das ist ein Risiko, von dem wir sagen, das wollen wir nicht. Kann ich Strom nicht anders erzeugen? Ja, kann ich. Wenn ich dann noch auf die Frage schaue, was mit den Kosten ist: Werden die Länder, die das jetzt machen - ich nehme das auch wahr  , mit den Kosten tatsächlich besser sein als wir? Da habe ich Zweifel, weil die Technik schwierig ist, diesen Prozess zu beherrschen. Das ist wirklich gefährlich, während Solarenergie und Windkraft - -

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Windkraft ist schließlich Maschinenbau. Das haben wir im Griff. Das wird bei bestimmten Dingen noch besser, wie sich erneuerbare Energien am Markt bewegen werden und was die Effizienz angeht. Aber das ist kein Hexenwerk. Deshalb meine ich, das wird so sein. Wenn in ferner Zukunft eine ganz andere Technologie kommt, die total risikolos ist, dann reden wir neu. Es geht mir nicht um die Frage, ob sich irgendein Atom spaltet, das ist nicht mein Punkt, sondern ich brauche eine sichere Energieversorgung, die nicht die Leute gefährdet und die bezahlbar ist.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Da sind wir bei den Erneuerbaren, und das halte ich für sinnvoll.