Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Transkript

Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Schon der Begriff Schulsozialarbeit zeigt an, welche Fehlentwicklung sich hinter ihr verbirgt; denn entweder etwas ist Sozialarbeit, dann ist die Schule nicht ihr Ort, oder eine Arbeit gehört an die Schule, dann sollte es sich aber um Bildungsarbeit handeln, und nicht um Sozialarbeit.

Die Schulsozialarbeit steht beispielhaft für die systematische Überforderung der Schule mit nichtschulischen Aufgaben. Ihr forcierter Ausbau ist Ausdruck der tiefen Krise, in der unser Schulwesen steckt. Es mutet sich immer neue Aufgaben sozialpolitischer Art zu, während es seine eigentliche Aufgabe, nämlich Kinder zu bilden, kaum noch erfüllt.

Die Installation der Schulsozialarbeit in der Bundesrepublik Deutschland begann, abgesehen von isolierten Einzelfällen, erst Mitte der 1990er-Jahre. Die meisten Schulsozialarbeiter gibt es in Nordrhein-Westfalen. In Sachsen-Anhalt wurde die Schulsozialarbeit, soweit ich das sehe, erst im Rahmen des ESF-finanzierten Programms „Schulerfolg sichern“ ab 2008 eingeführt.

(Zuruf: Nein, das stimmt nicht!)

- Na gut, dann habe ich mich halt geirrt.

(Lachen)

Das tut meiner Argumentation keinen Abbruch.

Wir können somit festhalten: Zu seinen besten Zeiten kannte das deutsche Schulwesen keine Schulsozialarbeit.

In NRW, wo das Bildungsniveau an allen Schulformen im Bundesvergleich immer schon am niedrigsten war, ist der Anteil der Schulsozialarbeiter am höchsten. Korrelation erlaubt bekanntlich noch keinen Schluss auf Kausalität, aber Schulsozialarbeit ist zumindest ein Krisensymptom.

Ich erinnere auch immer wieder daran, dass der Einsatz von Schulsozialarbeit im Rahmen des Programms „Schulerfolg sichern“ keine messbaren Auswirkungen auf die Quote der Schulabbrecher hatte. Völlig unbeeindruckt von dem Programm „Schulerfolg sichern“ bewegt sich die Schulabbrecherquote vor dem Jahr 2008 und nach dem Jahr 2008 um die 10 %. In den letzten Jahren ist sie sogar leicht angestiegen. Das ist offenkundig. Das bestreitet auch nicht Frau von Angern; das kann sie auch gar nicht bestreiten. Das bestreiten Sie auch gar nicht.

Ich wiederhole deshalb: Die Schulsozialarbeit unter dem Titel „Schulerfolg sichern“ hat nicht dazu geführt, dass die Schulabbrecherquote sinkt. Wissen Sie, wie man so etwas normalerweise nennt, wenn man viel Geld für etwas ausgibt, das keinerlei Effekt hat? - Man nennt das eine Fehlinvestition.

Das Argument, mit dem Sie den Einsatz der Schulsozialarbeit trotzdem rechtfertigen, gleicht nun verdächtig Ihrem Argument für die diversen Coronaeinschränkungen. Ohne Schulsozialarbeit   so sagen Sie   wäre alles noch viel schlimmer.

(Zuruf: Ja!)

Das kann ja sein, das kann aber auch nicht sein. Diese Annahme lässt sich nämlich nicht beweisen. Die Schulsozialarbeit wurde ohne harte Bedarfsprüfung und ohne Erfolgskontrolle eingeführt.

Das ESF-Programm „Schulerfolg sichern“ hat die Schulen dazu verleitet, nach dem Prinzip „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ erst einmal Förderung zu beanspruchen. Brüssel zahlt ja und „Schulerfolg sichern“ klingt gut und vielversprechend. So wurde vielerorts überhaupt erst eine Nachfrage nach Schulsozialarbeit geweckt.

Als man noch keine Schulsozialarbeit kannte, hat man nichts vermisst. Jetzt aber meint man, ohne Schulsozialarbeit nicht mehr auskommen zu können. Das ESF-Programm „Schulerfolg sichern“ hat Abhängigkeiten erzeugt, die vorher nicht da waren, und ich habe den Verdacht, dass hinter diesem Wahnsinn Methode steckt, dass also die EU mit Vorsatz so ihre diversen politischen Agenden durchsetzt,

(Zuruf: Oh!)

indem zuerst mit viel Fördergeld etwas angeboten wird, in der Hoffnung, dass mit dem Angebot die Nachfrage entsteht und dass das, was man durchsetzen will, schließlich von unten gefördert wird.

Das Prinzip „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ sollte eben keine Maxime für gute Politik sein. Angesichts der Tatsache, dass auch und gerade EU-Gelder letztlich unsere Steuergelder sind, sollte für nichts, was nicht unbedingt benötigt wird, irgendeine Förderung beansprucht werden, dies umso mehr, als die EU für jeden Euro, den sie uns großzügig ausreicht, zuvor 2 € aus unserem Säckel geholt hat.

(Beifall)

Nun aber ist das Kind in den Brunnen gefallen, wie man sagt. Die Fehlentwicklung ist eingetreten. Viele Schulen im Land glauben, ohne Schulsozialarbeit nicht mehr auskommen zu können. Wollen wir keine unbilligen Härten in Kauf nehmen, müssen wir deshalb, wie bei einem Drogenabhängigen, die Abhängigkeit langsam und schrittweise reduzieren. Das, was wir brauchen, ist eine schrittweise Reduktion und Konzentration der Schulsozialarbeit auf die sozialen Brennpunkte, wo ein echter Bedarf besteht. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die aktuelle Entwicklung als heilsam.

Die Erhöhung des Eigenanteils von 20 % auf 40 % bei den einzelnen Projekten und die Übernahme der zusätzlichen 20 % durch die Kommunen ist der richtige Weg. Sie bietet zumindest die Chance, Schulsozialarbeit bedarfsgerecht zurückzufahren. Wenn die klammen Kommunen für Schulsozialarbeit tiefer in die Tasche greifen müssen, dann ist sichergestellt, dass Schulsozialarbeit künftig nur noch dort eingesetzt wird, wo man sie wirklich benötigt. Dann wird Schulsozialarbeit nicht einfach eingeführt, weil sich alle damit irgendwie besser fühlen   so wurde Schulsozialarbeit in der letzten Legislaturperiode im Bildungsausschuss tatsächlich noch begründet  , sondern dann sind harte Indikatoren, Erfolgsnachweise und ein konkreter Bedarf Voraussetzungen.

Genau dieser Begründung muss sich Schulsozialarbeit stellen. Schulsozialarbeit ist nämlich keine Regelaufgabe, die am besten an jeder Schule etabliert werden sollte, wie sich das die Linken erträumen, sondern sie ist nur als eine punktuelle und übergangsweise Maßnahme dort sinnvoll, wo durch das Versagen der herrschenden Politik soziale Missstände von außerhalb der Schule in die Schule hineinwirken.

Die aktuelle Umstellung der Förderstruktur geht genau in diese Richtung. Sie tut nicht nur dem Schulwesen gut, weil sie eine Fehlentwicklung eindämmt, sondern sie stärkt auch die Grundsätze der Subsidiarität und des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern. Die aktuelle Umstrukturierung bringt die Linken zum Lamentieren. Wir haben an ihr gar nichts auszusetzen.

Vieles bleibt freilich noch zu tun. Auch die neue Förderrichtlinie zur Schulsozialarbeit weist noch viele Schwachstellen auf. Da ist die Verpflichtung zur Geschlechterparität bei mehr als einer Vollbeschäftigteneinheit pro Projekt. Weshalb wieder eine solche Geschlechterquote? Sollte es nicht allein nach Qualifikation gehen? Die Richtlinie beantwortet diese Frage selbst. Sie bekennt sich an mehreren Stellen zum Gender-Mainstreaming, also zu jener internationalen politischen Agenda, die geschlechtsspezifische Unterschiede in allen Lebensbereichen aufheben will.

Damit nicht genug, wird die Förderung auch auf ein sogenanntes Cultural Mainstreaming verpflichtet, das analog zum Gender-Mainstreaming auf die Aufhebung kultureller Differenzen und damit Identitäten hinarbeiten dürfte.

Außerdem sollen keine Projekte gefördert werden, in denen die Schulsozialarbeiter unterhalb der Entgeltgruppe E 10 verdienen, was einem Einstiegsgehalt von 3 400 € entspricht. Das wäre dann also der Schulsozialarbeitermindestlohn. Dieser ist eindeutig zu hoch. Ich sage nicht, dass ein Schulsozialarbeiter nicht auch mehr verdienen kann; dass aber bei einer geringeren Entlohnung ein Projekt automatisch die Förderfähigkeit verliert, raubt dem Einsatz von Schulsozialarbeit die nötige Flexibilität.

Außerdem sollte man den Träger überprüfen. Träger können alle Einrichtungen sein, die nach § 75 SGB VIII als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt sind, und dazu zählen in Sachsen-Anhalt leider auch sehr fragwürdige Einrichtungen, wie etwa der extrem linke Miteinander e. V. Hier muss einmal gründlich ausgemistet werden.

(Beifall)

Die Linken freilich haben an diesen Punkten wahrscheinlich gar nichts auszusetzen, sie finden das wahrscheinlich noch gut. Alles, was sie kritisieren, sind die Eigenanteile der Kommunen von 20 % für die Projekte und 40 % für die Netzwerkstellen. Das freilich sind die einzigen Schritte, die in die richtige Richtung gehen. Der Politikansatz der Linken erweist sich so wieder einmal als komplett pervers; sie verdrehen alles in sein Gegenteil. Die Linken wollen die künstlich erzeugte Abhängigkeit der Schulen von Schulsozialarbeit noch vergrößern. Sie wollen die Schulen weiterhin systematisch mit sozialpolitischen Aufgaben überfordern. Um das Bildungsniveau hingegen kümmern Sie sich einen Dreck, Hauptsache, multiprofessionelle Teams scharwenzeln von morgens früh bis abends spät um die Schüler herum. Und für all das soll sehr viel Steuergeld verbrannt werden. So viel Geld gibt es gar nicht.

Fazit: Was die Linken wollen, das ist mit dem Schlussvers von Reinhard Meys Lied „Das Narrenschiff“ treffend beschrieben: Volle Fahrt voraus und Kurs aufs Riff. Wir von der AfD werden alles daransetzen, das Ruder rechtzeitig herumzureißen, und zwar nicht nur beim Thema Schulsozialarbeit. - Vielen Dank.

(Beifall)