Tobias Krull (CDU):
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Umgang mit den Themen Sterben, Tod und Beerdigung ist gesellschaftlich und moralisch hochsensibel, leider auch, weil diese Themen häufig tabuisiert werden in einer Gesellschaft, die ständig an der persönlichen Verbesserung und Selbstoptimierung arbeitet.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade mir als Vertreter einer Fraktion und Partei, die das Christliche im Namen trägt, ist bewusst, dass zum Leben unweigerlich der Tod gehört.
In der Begründung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf wird von einer Friedhofskultur gesprochen. Das ist absolut richtig. Eine Gesellschaft zeichnet sich auch durch den Umgang mit dem Thema Tod aus. Dabei haben die Friedhöfe die unterschiedlichsten Funktionen; natürlich vordringlich als Ort der Erinnerung an Menschen, die wir geliebt haben oder mit denen wir auf andere Art und Weise verbunden waren. Sie sind Orte der Trauer, aber genauso Plätze, an denen wir aus positiven Erinnerungen neue Kraft schöpfen, und das sei besonders in Richtung der GRÜNEN gesagt gerade in Städten haben sie auch ökologische Funktionen.
Die Bestattungskultur hat sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten stark verändert. Während früher die Erdbestattung die übliche Form der Beerdigung war, sind es heute aus unterschiedlichsten Gründen die Feuerbestattungen. Andere Formen der Bestattung, wie die Grüne Wiese, sind dazugekommen.
Es gibt also bereits heute umfangreiche Möglichkeiten, für sich selbst oder durch die Hinterbliebenen die jeweils angemessene Form der Bestattung auszuwählen. Über weitere Formen, wie die Beerdigung, werden wir sprechen müssen.
Der vorliegende Gesetzentwurf greift Themen auf, die sich auch im Koalitionsvertrag der Deutschland-Koalition im Land wiederfinden, so das Thema der interreligiösen Öffnung. Dabei geht es nicht nur um die Verwendung von sogenannten Leichentüchern, sondern auch um die Bestattungsfristen. An dieser Stelle gibt es wiederum Konflikte das wurde schon deutlich zwischen der gewünschten obligatorischen zweiten Leichenschau und den entsprechenden Fristen im religiösen Kontext.
Eine gesetzliche Regelung zur zweiten Leichenschau benötigt auch die entsprechenden Ressourcen, die zur Verfügung stehen müssen.
(Zuruf: Ach nein!)
Kritisch sehen wir die mögliche Übertragung von Friedhöfen an Vereine. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was passiert, wenn sich ein solcher Verein auflöst oder seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt? Diesbezüglich haben wir als Fraktion noch Klärungsbedarf.
Bezüglich der gewünschten Aufhebung des sogenannten Friedhofzwanges haben wir eine ganz klare Position: Diese lehnen wir ab.
(Zuruf)
Es muss Orte des Gedenkens geben.- Die Beerdigung auf privaten Grundstücken ist für uns nicht akzeptabel. Was passiert z. B. im Fall eines Weiterverkaufs des Grundstücks? Sollen die Urnen dann dort verbleiben oder soll eine Umbettung erfolgen? Was passiert z. B., wenn den Hinterbliebenen der Zutritt auf das private Grundstück aufgrund von Streitigkeiten verweigert wird?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind keine unwahrscheinlichen Schreckensszenarien, die ich zeichne, sondern durchaus realistische Zukunftsaussichten.
(Zustimmung)
Bezüglich der Grabstellen, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt werden sollen, sind wir uns mit Blick auf das Ziel mit den Einbringern einig, aber über die Mittel streiten wir.
Bezüglich der Ehrengräber für die im Einsatz gefallenen Angehörigen der Bundeswehr folgen wir dem Anliegen des Gesetzentwurfes. Ähnliche Regelungen können wir uns aber auch für die Angehörigen der Bundespolizei und der Polizei Sachsen-Anhalts vorstellen, die im Rahmen ihrer Dienstausübung verstorben sind.
(Zustimmung)
In meinen Ausführungen habe ich deutlich gemacht, dass es noch einen erheblichen Klärungsbedarf gibt. Dieser muss im Rahmen einer Anhörung unter Beteiligung von Kirchen, religiösen Gemeinschaften, Kommunen, Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen Bestattungswesen, Steinmetzen, Medizinern usw. erfolgen. In diesem Sinne bitte ich um die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie zur Mitberatung an die Ausschüsse für Inneres und Sport, für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz, für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt, für Wirtschaft und Tourismus, für Finanzen sowie an den Bildungsausschuss.
(Zurufe: Petitionen! - Das ist jetzt billig! - Weitere Zurufe)
- Frau Kollegin, das ist nicht billig. Ich gehe davon aus, dass wir im Rahmen einer Anhörung eine gemeinsame Ausschusssitzung hinbekommen und zu einer schnellen Beschlussfassung kommen, wenn der Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegt, den wir als Fraktion kritisch konstruktiv begleiten werden.
(Zustimmung)
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Vielen Dank, Herr Krull. Es gibt zwei Fragen, nämlich von Frau von Angern und von Frau Lüddemann. Frau von Angern.
Eva von Angern (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe zwei Fragen. Die erste Frage habe ich zu Ihrer Äußerung zum Thema zweite Leichenschau. Sie sagten das ist nicht neu , dass dies finanziell zu einer Überlastung führen würde. Ist Ihnen die Höhe der Kosten für die zweite Leichenschau bekannt? Ist Ihnen bekannt, dass schon jetzt ca. 90 % der Leichen durch eine zweite Leichenschau gehen, weil sie nämlich der Feuerbestattung zugeführt werden und dort bereits jetzt eine verpflichtende Leichenschau erforderlich ist?
Bezugnehmend auf die Aussage von Frau Grimm-Benne Sie haben sich leider nicht zu den Sternenkindern geäußert : Könnten Sie sich vorstellen, diesen Gedanken in die Anhörung mitzunehmen und die Formulierung von Frau Grimm-Benne, dass in eine mögliche Reform auch die schon jetzt praktizierte Bestattung von Tod- und Fehlgeburten einschließlich der entsprechenden Finanzierung, in das Gesetz aufgenommen wird?
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Herr Krull.
Tobias Krull (CDU):
Zum zuletzt genannten Punkt, also zu der Fragestellung der Sternenkinder: Absolut, ja. Wir hatten dies damals in die Formulierungshilfe, wie es so schön formuliert worden ist, aufgenommen. Gerade im Umgang mit und dem Respekt gegenüber dem Leben, was so früh geendet hat, ein deutliches Ja meinerseits.
Es ging mir nicht um die Kosten, die eine zweite Leichenschau mit sich bringen. Die Fragestellung ist einfach, wer eine zweite Leichenschau in dieser Form durchführt. Sind dies tatsächlich immer Ärztinnen und Ärzte, die sich mit der Thematik zweite Leichenschau auseinandersetzen?
Wenn jetzt beispielsweise Zahnärzte oder jemand aus der Anästhesie die zweite Leichenschau durchführt, dann mag der grundsätzliche Faktor zweite Leichenschau erfüllt worden sein, aber ob die Qualität einer entsprechenden Leichenschau durch einen Facharzt erfüllt wird, dazu kann man seine berechtigten Überlegungen anstellen.
(Zuruf: Die sind alle durch das Physikum gekommen!)
- Die sind alle durch das Physikum, aber bei dem einen oder anderen ist es vielleicht schon ein bisschen länger her, Frau Dr. Schneider.
Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:
Frau Lüddemann hat eine Frage.
Cornelia Lüddemann (GRÜNE):
Wir hatten das Vergnügen von Frau Ministerin Grimm-Benne ist es erwähnt worden , genau diesen Zusammenhang in einer gemeinsamen Koalition zu diskutieren. Die CDU hat damals die Fragen der Kosten eingeführt und uns die Kosten sehr genau vorgerechnet. Damals beliefen sich die Kosten, wenn ich mich recht erinnere, auf ca. 283 € pro zweiter Leichenschau. Es ist uns auseinanderdividiert worden, dass die erste Leichenschau von einem Arzt, der vor Ort, also je nachdem, wo der Tod eingetreten ist, durchgeführt wird und die zweite Leichenschau aber immer von einer Rechtsmedizinerin oder einem Rechtsmediziner. Vermutlich werden zwischenzeitlich mehr als 90 % der Toten einer zweiten Leichenschau zugeführt, sodass die Kosten und die Durchführung nicht das Thema sind, wenn man es tatsächlich will.
Wir kennen Beispiele aus diesem Bundesland, in denen es tatsächlich schwierig war ich will nur an die bulgarische Studierende erinnern oder Ähnliches , weil wir diese Rechtspraxis im Unterschied zu anderen Bundesländern nicht haben.
Insofern bitte ich darum, sich die Erkenntnisse aus der Vergangenheit zu Gemüte zu führen, wenn wir im Ausschuss darüber beraten. Ich hoffe, wir werden mit der Anhörung nicht so lange warten, bis die Landesregierung ihren Gesetzentwurf endlich eingeführt hat. Wir können über die Tatbestände, die alle auf dem Tisch liegen und die um die Sternenkinder erweitert wurden, relativ zeitnah in der gebotenen Sachlichkeit diskutieren.
Tobias Krull (CDU):
Wir werden uns sicherlich mit den Erkenntnissen aus der alten Anhörung auseinandersetzen. Die Fragestellung ist Das habe ich in meiner Rede gesagt. Wir haben mehrere Diskussionsbedarfe klar formuliert. Dazu gehört die Umsetzbarkeit der zweiten Leichenschau. Diesbezüglich habe ich explizit nicht auf die Kosten abgehoben. Wir haben diesbezüglich sehr, sehr viele Fragen.
Für uns als Fraktion ist der pietätvolle Umgang mit den Verstorbenen und ein Ort des Trauerns ein ganz wichtiger Faktor. Deswegen habe ich gesagt, dass wir bestimmte Punkte Ihres Gesetzentwurfes auf jeden Fall ablehnen werden.
Der von der Landesregierung vorzulegende Gesetzentwurf wird sicherlich dem Ansinnen unserer Fraktion nachkommen. Frau Kollegin Lüddemann, aus alter Wertschätzung der vergangenen Wahlperiode: Wir werden natürlich den Gesetzentwurf der Landesregierung abwarten, um dann gemeinsam zu agieren; denn darüber doppelt zu beraten macht keinen Sinn.
(Zustimmung)