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Plenarsitzung

Zwischenbilanz zum Strukturwandel

Spätestens ab 2038 soll es keine Kohlekraftwerke mehr in Deutschland geben, um einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz auf der Welt zu leisten. Betroffen von dieser Entscheidung ist auch das Mitteldeutsche Kohlerevier im Süden Sachsen-Anhalts. Denn im Tagebau Profen wird Braunkohle gefördert und zu Strom weiterverarbeitet.

Blick von oben auf große Bagger in einem Tagebau

Wie der Strukturwandel im Mitteldeutschen Braunkohlerevier (wie zum Beispiel im Tagebau Profen) gelingen kann, war Thema einer Aktuellen Debatte im Landtag.

Experten schätzen, dass etwa 6 000 Arbeitsplätze in der Region mit der Braunkohleförderung zusammenhängen. Damit die Region auch nach dem Braunkohleaus noch attraktiv und lebenswert ist, erhält Sachsen-Anhalt in den nächsten 20 Jahren mehr als 5 Milliarden Euro an Fördergeldern vom Bund und von der Europäischen Union. Ziel ist es, dass möglichst alle Menschen einen neuen attraktiven Arbeitsplatz finden und sich neue zukunftsfähige Unternehmen in der Region ansiedeln. Dabei geht es konkret um die Landkreise Anhalt-Bitterfeld, Burgenlandkreis, Mansfeld-Südharz und Saalekreis sowie die Stadt Halle (Saale).

Um eine erste kritische Zwischenbilanz auf dem Weg des Strukturwandels im Mitteldeutschen Revier zu ziehen, hatte die SPD-Fraktion eine Aktuelle Debatte für das Januar-Plenum beantragt. Dabei ging es vor allem um die notwendigen Schritte zur Schaffung eines wirtschaftlich attraktiven (Kern-)Reviers abseits der Braunkohle, die Förderpolitik und die weitere Einbindung von Bürger/innen bei den politischen Entscheidungen zum Strukturwandel.

Konkreter Hintergrund für die Aktuelle Debatte ist ein vorläufiger Antragsstopp für die Förderrichtlinie „Sachsen-Anhalt REVIER 2038“, der am 24. Dezember 2022 erfolgte. Damit lägen vorerst Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt 1,6 Milliarden Euro auf Eis. Grund für den Antragsstopp seien Unklarheiten über die Verteilung der Mittel in den genannten Landkreisen. Zusätzlich hätten die allgemeinen Preissteigerungen im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass die Landkreise bei bereits geplanten Projekten wieder den Rotstift ansetzen müssten, so die SPD-Fraktion.

Stimmen aus der Debatte

„Keine Luftschlösser bauen“

Die geplanten Maßnahmen zum Strukturwandel seien eigentlich ein guter Anfang gewesen, erklärte Rüdiger Erben (SPD). Allerdings seien durch die Weltfinanzlage viele Planungen überholt. Er forderte eine Überarbeitung der Förderrichtlinien und eine Art „Kassensturz“, welche Maßnahmen unter den heutigen Umständen überhaupt noch umgesetzt werden könnten. Es sei wichtig, jetzt die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen und dabei insbesondere an industrielle Arbeitsplätze zu denken. Gleichzeitig dürften keine Luftschlösser gebaut werden. Zudem müssten die Ideen von jungen Menschen in der Region berücksichtigt werden.

Antragsstopp nicht gut kommuniziert

Staatsminister und Minister für Kultur Rainer Robra (CDU) erläuterte noch einmal das Problem. Dies bestehe vor allem, weil einer der betroffenen Landräte bislang noch nicht seine Unterschrift unter die vom Land erarbeitete Verteilung der Fördergelder geleistet hätte. Er selbst habe sich über die Kommunikation „Antragsstopp“ am meisten geärgert, da es sich nur um eine temporäre Maßnahme gehandelt habe. Sobald alle Landkreise unterschrieben hätten, wäre es damit wieder vorbei. Es hätte sich demnach um ein Missverständnis gehandelt und eigentlich sei man gut aufgestellt. Eine Reserve für die Preissteigerung sei eingeplant, so Robra. Das Förderprogramm sei in jedem Fall auf die Regionen zugeschnitten und solle auch unbedingt neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen.

„Klare, verlässliche und transparente Richtlinien“

Das Thema Strukturwandel habe hierzulande einen „schalen Geschmack“. Die Menschen würden den Begriff leider mit gebrochenen Versprechen aus der Nachwendezeit in Verbindung bringen, sagte Lothar Waehler (AfD). Das südliche Sachsen-Anhalt rund um Zeitz befinde sich seit fast 30 Jahren in einem dauerhaften Strukturwandel. Er fragte die Landesregierung, ob sie wirklich garantieren könne, dass auch die späten gutüberlegten Projekte noch gefördert würden? Ebenfalls fraglich sei die Sinnhaftigkeit mancher Projekte, wie zum Beispiel die Sanierung des Naumburger Doms. Zudem sei es noch nicht gelungen, adäquate neue Industriearbeitsplätze zu generieren. Die Menschen und Kommunen würden „klare, verlässliche und transparente Richtlinien“ erwarten, an denen sie sich ausrichten könnten.

Industrie und Tourismus gemeinsam denken

„Der Strukturwandel ist eine Herkulesaufgabe, die uns bis 2038 gelingen muss“, resümierte Andreas Silbersack (FDP). Es handle sich um einen dynamischen Prozess, bei dem jedes Bundesland sein eigenes Tempo finden müsse. Für die FDP sei es wichtig, dass der Strukturwandel gemeinsam mit den Landkreisen gelinge und diese seien in ihren Überlegungen eben unterschiedlich schnell gewesen. Natürlich müssten hauptsächlich Industriearbeitsplätze geschaffen werden, dennoch sollten auch die touristischen Attraktionen der Region gestärkt werden. Daher sollte der Strukturwandel nicht negativ belegt werden, schließlich handle es sich um einen „Prozess gemeinsamen Gehens“.

Keine weiteren Verunsicherungen

Die Menschen in den Regionen würden zu Recht verlangen, dass die Politik die Rahmenbedingungen für eine sichere und lebenswerte Zukunft schaffe, betonte Kerstin Eisenreich (DIE LINKE). Die Abgeordneten würden sich jedoch zurücklehnen und das konkrete Handeln der Landesregierung überlassen. Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE für ein parlamentsübergreifendes Gremium mit Sachsen und Brandenburg aus dem Sommer 2020 sei abgelehnt worden. Die Landesregierung müsse endlich die endgültigen Förderrichtlinien herausbringen. Weitere Verunsicherungen der Menschen, Kommunen und der Wirtschaft müssten unbedingt vermieden werden.

Region zukunftsfest machen

Elke Simon-Kuch (CDU) stellte noch einmal fest, dass ein vorzeitiger Kohleausstieg nicht zu machen sei. Die bereits eingereichten geplanten Strukturwandelprojekte wiesen eine hohe Qualität auf, die Bündelung der Kapazitäten sei dabei der richtige Weg. Die Schaffung einer Stabsstelle in der Staatskanzlei belege zudem, wie wichtig der Landesregierung der Strukturwandel sei. Man dürfe nicht vergessen, dass Sachsen-Anhalt mittlerweile zu einer der Regionen Europas gehöre, in der am meisten investiert werde. Ziel müsse sein: Vorhandene Gewerbegebiete zu stärken, neue zu gründen und die Infrastruktur zu verbessern. Junge Menschen in der Region müssten die Chance haben, in innovativen und gutbezahlten Jobs zu arbeiten, so die CDU-Abgeordnete.

„Weitestgehend exekutives Verfahren“

Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) pflichtete der Linken-Abgeordneten bei, dass es sich beim Strukturwandel um ein „weitestgehend exekutives Verfahren“ handle, bei dem Parlament und weite Teile der Öffentlichkeit außen vor seien. Die von der Landesregierung auf Nachfrage überreichte Bewertungsmatrix zur Projektauswahl sei nur schwer bis gar nicht nachvollziehbar. Dies sollte sich ändern, forderte Meister. Ziel des Prozesses müsste es sein, das Braunkohle-Kernrevier mit ausreichend neuen Industriearbeitsplätzen auszustatten. Der Fokus sollte dabei auf Projekten liegen, die zur Ansiedlung neuer Unternehmen und Familien beitrügen, beispielsweise der Bereich „Grüne Energien“.

Am Ende der Aktuellen Debatte wurden naturgemäß keine Beschlüsse zur Sache gefasst.