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Plenarsitzung

Landtagspräsidentin zieht Fazit zur 7. WP

Wenn sich der Landtag von Sachsen-Anhalt der 8. Wahlperiode konstituiert haben wird, wird Gabriele Brakebusch Landtagspräsidentin a.D. sein. Nach mehr als 19 Jahren als Abgeordnete im Landtag zieht sie sich aus der Landespolitik zurück und zieht abschließend im Interview mit der Onlineredaktion des Landtags ihr persönliches Fazit zur 7. Wahlperiode.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller

Ihr Credo in der zurückliegenden Wahlperiode war der Respekt untereinander, der als „unsichtbares Luftpolster“ zwischen den Abgeordneten und Fraktionen wirken sollte. Wie sehr ist dieses Luftpolster in Mitleidenschaft gezogen worden?

„Bereits bei meinem Amtsantritt war eine angestiegene Respektlosigkeit erlebbar. Dieses Phänomen ist im Verlauf der Legislaturperiode bei allen Fraktionen im Landtag erkennbar geworden. Seitdem das Ende der Wahlperiode absehbar war, vernahm man sehr häufig im parlamentarischen Raum den Vorwurf von Diffamierung politischer Gegner. Während meiner Antrittsrede sprach ich erstmals vom „unsichtbaren Luftpolster“ als Zeichen des Respekts zwischen politischen Gegnern. Seitdem habe ich dieses Credo an verschiedenen Stellen aufgegriffen und erklärt, dass eine demokratische Auseinandersetzung nur durch respektvollen Umgang erfolgen solle. Parlamentsarbeit ist Menschenwerk. Auch deshalb ist die parlamentarische Demokratie unvollkommen und anfällig für Fehler. Politischer Streit solle so geführt werden, dass auch unser Gegenüber sein Gesicht wahren kann und nicht verlieren muss. Ich würde mir sehr wünschen, dass Kommunikation mit unseren Mitmenschen, sei es von Auge zu Auge oder auch im Internet, wieder mehr von Akzeptanz und Menschlichkeit geprägt ist.“

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller

Was geben Sie ihrer Nachfolgerin/ihrem Nachfolger hinsichtlich des Luftpolsters mit auf den Weg? Wie kann man respektvoll miteinander umgehen, auch wenn es aufgrund politischer und menschlicher Differenzen bisweilen unmöglich scheint?

„Ich habe festgelegt, dass wir nach jeder Plenarsitzung eine Auswertung der letzten Landtagssitzung durchführen. Dies ermöglicht eine Beurteilung von Situationen aus dem Plenum mit einem gewissen zeitlichen Abstand. Dazu habe ich mich auch des Öfteren mit dem früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert ausgetauscht, der mich in diesem Vorgehen bestärkte.

Ruhe und Entschlossenheit sind Voraussetzungen für die vielfältigen Tätigkeiten als oberste Repräsentantin des Bundeslandes. Der mir nachfolgende Abgeordnete in diesem Amt ist sich der Verantwortung dieser Aufgabe sicherlich bewusst. Ungerne möchte ich mahnen oder diktieren, denn jeder Mensch bewältigt die Herausforderung, Präsidentin oder Präsident des Hohen Hauses zu sein, auf seine eigene Art und Weise. Ich wünsche mir, dass für meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger das Wohl der Menschen in Sachsen-Anhalt und die Würde des Hohen Hauses die höchsten Motivationen sind, das Amt zu bekleiden.“

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller

Sie waren als Landtagspräsidentin die ranghöchste Politikerin im Land Sachsen-Anhalt. Hätten Sie sich bisweilen mehr direkte Entscheidungsgewalt gewünscht, um Dinge schneller voranbringen zu können?

„Die Teilung der Gewalten und deren Erhalt ist unsere Verantwortung. Die Verschränkungen der Stützpfeiler unserer Demokratie sind weitgehend genug, um eine Machtkonzentration zu verhindern. Ich denke, dass eine Diskussion über mehr direkte Entscheidungsgewalt einer Landtagspräsidentin bzw. eines Präsidenten nicht zwingend förderlich für unsere demokratischen Prozesse ist.

Während meiner Amtszeit als Präsidentin wollte ich vor allem auf all jene Beziehungen zwischen Landtag und Landesregierung ein waches Auge haben, in denen die Rechte einzelner Abgeordneter oder der parlamentarischen Opposition insgesamt berührt sind. Gerade Mehrheitsfraktionen und die durch sie getragene Landesregierung benötigen eine arbeits- und handlungsfähige Opposition. Darüber hinaus habe ich besonderen Fokus auf die Zusammenarbeit im Ältestenrat gelegt. Konstruktiv und engagiert konnte ich hier zusammen mit allen Fraktionen und der Verwaltung unseres Hauses den Grundstein für eine erfolgreiche parlamentarische Arbeit legen.“

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller

Nach 2014 wurde auch in der 7. Wahlperiode eine umfassende Parlamentsreform vom Plenum verabschiedet. Welche sind die für Sie wesentlichen Neuerungen?

„Kaum jemand hatte es für möglich gehalten, dass unter den aktuellen politischen Konstellationen im Landtag ein solches, auf eine breite Mehrheit gestütztes Reformwerk möglich sein würde. Der Landtag von Sachsen-Anhalt und seine Mitglieder können mit Stolz behaupten, nun eine der modernsten Landesverfassungen in Deutschland zu besitzen. Wesentliche Punkte sind die Neuaufnahme einiger Staatsziele direkt in unsere Verfassung. So haben wir unter anderem beschlossen, den Klima- und Tierschutz, aber auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Landesteilen als Aufgabe für uns alle festzulegen.

Auch die Absenkung der Quoren für die Einbringung von Volksbegehren, mit denen das Volk Gesetzgebungsverfahren einleiten kann, von ehemals neun auf nunmehr sieben Prozent, ist ein wichtiger Schritt, um gegen Politikverdrossenheit anzugehen und allgemeine Partizipation an politischen Prozessen zu stärken. Daran anknüpfend sei auch die Verfahrensweise zur Veröffentlichung von Ausschusssitzungen genannt. Während vor 2020 die Regel galt, nur ausgewählte Teile von Sitzungen zu veröffentlichen, ist durch die Parlamentsreform die allgemeine Öffentlichkeit der Sitzungen zur Regel geworden.

In Anbetracht der Corona-Pandemie wäre es sinnvoll, aufbauend auf die Parlamentsreform eine Lösung zu finden, wie unser Parlament auch in Krisenzeiten arbeits- und beschlussfähig bleiben kann. Regelungen für eine Art „Notparlament“ sollten unbedingt in der achten Wahlperiode beraten und getroffen werden.“

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller

Am Thema Corona kommen wir nicht vorbei: Wie sehr hat die Pandemie das politische Leben vor – bisher vielleicht unbekannte? – Herausforderungen gestellt? Welche doch positiven Nebeneffekte hat es gegeben?

„Die Pandemie hat jeden von uns auf die eine oder andere Art direkt betroffen. Auch wir im Parlament waren aktiv am Ringen von Staat und Gesellschaft beteiligt, um die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Auch für unseren Arbeitsalltag im Parlament mussten Regelungen gefunden werden, um trotz der bestehenden Umstände die Arbeit im Hohen Hause nicht zu gefährden. Durch die Einrichtung eines Pandemiestabes im Landtag wurden Wege gefunden, verantwortlich mit der Situation umzugehen. Durch das Einsetzen moderner Technik und die Einsatzbereitschaft der Menschen in unserem Haus, neue Wege zu gehen, konnte die parlamentarische Arbeit fortgesetzt werden

Ein positiver Nebeneffekt ist die Möglichkeit, durch Videokonferenzen schnell und ohne große Organisation einen Meinungsaustausch zu ermöglichen. Ganz ersetzen können diese Konferenzen Präsenzsitzungen nicht. Doch es ist ein probates Mittel, die Kommunikation innerhalb unseres Hauses zu erweitern.“

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller

Sie scheiden – nach vielen Jahren des Wirkens in lokalen politischen Institutionen und vor allem auf Landesebene – aus der Politik aus. Was werden Sie in den ersten Wochen „ohne Job“ machen?

„Mein soziales Engagement werde ich auf jeden Fall vertiefen. Bereits seit einiger Zeit bin ich Mitglied der „Barber Angels Brotherhood“, einem gemeinnützigen Verein, in dem sich viele Friseure national und international vor allem um obdachlose Menschen kümmern und ihnen ihre Dienste zuteilwerden lassen. Auch im Elternhaus der Stiftung krebskranker Kinder der Universitätsklinik Magdeburg werde ich weiterhin ein Teil des Teams bleiben, das die fürsorgliche Arbeit der Betreuerinnen und Betreuer für betroffene Familien unterstützt. Engagieren werde ich mich auch weiterhin für das Matthias-Claudius-Haus in Oschersleben. Als Vizepräsidentin des DRK Sachsen-Anhalt nehme ich auch dort Aufgaben im sozialen Bereich wahr, worauf ich mich freue.

Am meisten freue ich mich jedoch auf die Zeit mit meiner Familie. Ich habe drei Kinder und mittlerweile sieben Enkel, die leider in den vergangenen Jahren ab und zu auf mich verzichten mussten. Diese Zeit möchte ich ganz schnell nachholen.“

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller

Was werden Sie am meisten vom Politikalltag oder gar vom Leben als Landtagspräsidentin vermissen?

„Als ich im Jahr 2002 in den Landtag einzog, habe ich nicht mal im Traum daran gedacht, meine parlamentarische Laufbahn im Jahr 2021 als Präsidentin des Hauses beenden zu können. Die Arbeit als Landespolitikerin hat über viele Jahre mein Leben und meinen Tagesablauf bestimmt. Die hitzigen Debatten in den Ausschüssen und dem Plenum im Landtag werden mir sicherlich fehlen. Am meisten werden mir aber die Menschen fehlen. Die Menschen, die mich im Landtag, aber auch außerhalb der Institutionen des Landes begleitet haben. Die Menschen, die mich unterstützten und mit mir zusammengearbeitet haben, um unser Bundesland noch lebenswerter zu machen.“

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview. Foto: Stefan Müller