Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Sachsen-Anhalt übergab Landtagspräsident Dr. Gunnar Schellenberger am Donnerstag, 23. November 2023, seinen nun schon 30. Tätigkeitsbericht. Im Fokus des Berichts stehen die Behandlung von Kindern und Jugendlichen „in Zeiten von Krisen, Kriegen und Katastrophen“ und die Behandlung von Patientinnen und Patienten im Maßregelvollzug. Letzterer spielt laut Bericht sogar eine „eher besorgniserregende Rolle“, vor allem wegen konstanter Überbelegungen, die auch durch bereits begonnene bauliche Erweiterungen nicht abgeschaltet werden könnten.
Landtagspräsident Dr. Schellenberger sprach vor dem Hintergrund des 30-jährigen Einsatzes des Ausschusses noch einmal seinen herzlichen Dank für das Wirken der ehrenamtlichen Tätigen aus. Sie bestritten eine intensive Auseinandersetzung mit der bestehenden Lage, die dringend nötig sei. Psychiatrische Betreuung müsse als gesamtgesellschaftliches System begriffen werden, sie widme sich speziellen Problemen von Angst über Sucht bis Zwang, so Schellenberger. Der Ausschuss erzwinge mit seiner Arbeit den Blick auf die Rahmenbedingungen der psychiatrischen Behandlung im Land. Es gelte, die qualitative Entwicklung nach vorn zu bringen und bestehende Strukturen zu hinterfragen.
104 Vor-Ort-Besuche
Der Ausschussvorsitzende Prof. Dr. Henning Flechtner erklärte, dass man dabei sei, aus der Pandemie-Zeit in eine normale Besuchssituation zurückzukehren. 104 Vor-Ort-Besuche hätten die sechs Besuchskommissionen im Zeitraum von Mai 2022 bis April 2023 absolviert. Man beobachte eine steigende Zahl an Patienten und länger dauernde Behandlungszeiten. Zudem würden sich auch die Diagnosen verschieben. Es bleibe die dringende Aufgabe des Ausschusses, das System der Behandlung und Betreuung zu hinterfragen und kritische Fragen zu stellen – insbesondere in Einrichtungen, die den Betreuung- und Behandlungsauftrag nicht zur Genüge erfüllten.
„Auf einem guten Weg“
Der Bericht sei ein gutes Korrektiv für die Arbeit im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, sagte dessen Staatssekretär Wolfgang Beck. Der Bericht werde wie gewohnt auch dem Sozialausschuss des Landtags zugeleitet, sodass auch die Abgeordneten über die Erkenntnisse des Psychiatrieausschusses informiert würden. Beck nannte als größere Herausforderung die Unterbringung und Behandlung im Maßregelvollzug in Bernburg und Uchtspringe. Man sei hier aber „auf einem guten Weg“: als Stichworte nannte er die Verkürzung der Verweildauer der Behandelten („andere Süchte, andere Formen der Behandlung“) und auch die Überprüfung der Kriterien für eine Zuweisung in die Vollzugsanstalten.
Der 30. Psychiatriebericht umfasst wie gewohnt einige Fachaufsätze, darunter einen über „häufige psychische Erkrankungen“, die „Entwicklung der psychiatrischen Versorgung im Land Sachsen-Anhalt“ und über die „Suchtberatungsstellen in Sachsen-Anhalt“. Hinzu kommen der Tätigkeitsbericht des Ausschusses und der Kommissionen selbst und eine Gesamteinschätzung der Besuche der Arbeitsgruppe Maßregelvollzug und der regionalen Besuchskommissionen.
Mehr Informationen erhält man auf der Website desPsychiatrieausschusses.
Hintergrund: Psychiatrieausschuss
Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung nahm am 1. Mai 1993 seine Arbeit auf. Die Entscheidung, einen solchen Ausschuss einzurichten, fußte auf den 1990 vorgefundenen Versorgungs- und Behandlungsbedingungen für psychisch kranke Menschen in den Krankenhäusern und Heimen in Sachsen-Anhalt und die mit der Schaffung der deutschen Einheit gegebene Chance, die Forderungen der Psychiatrie-Enquete auch in Sachsen-Anhalt umzusetzen.
Die Mitglieder des Ausschusses arbeiten ehrenamtlich, unabhängig und sind nicht an Weisungen gebunden. Ihre Tätigkeit ist allein den Rechten und Belangen der Personen verpflichtet, die an einer Psychose, Suchtkrankheit, einer anderen krankhaften seelischen oder geistigen Störung oder an einer seelischen oder geistigen Behinderung leiden oder gelitten haben, oder bei denen Anzeichen einer solchen Krankheit, Störung oder Behinderung vorliegen, und die sich nicht selbst vertreten können.