Die Fraktion DIE LINKE hatte für die September-Sitzungsperiode eine Aktuelle Debatte beantragt, weil sie befindet, dass sich die neue Landesregierung qua Koalitionsvertrag vor den drängenden Problemen der Zeit wegducke. Sachsen-Anhalt fehle nicht nur eine schlüssige Politik zur schnellen und wirksamen Überwindung der sozialen und wirtschaftlichen Corona-Schäden, auch der klimawandelbedingte Strukturwandel erfordere massive Investitionen; Niedriglohn und prekäre Arbeitsverhältnisse müssten abgeschafft werden, um Kinder- und Altersarmut zu überwinden.
„Die Fraktionen wollen sich durchkuscheln“
Man sei auf Kuschelkurs gegangen, habe die Presse zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, SPD und FDP getitelt, aber „der Ernst des Lebens ist da“, konstatierte Eva von Angern (DIE LINKE). Deutschland stehe vor wesentlichen Weichenstellungen, die über die Zukunft der folgenden Generationen entschieden, beispielsweise in Sachen Klimaschutz. Vor dem Hintergrund der Pandemieerfahrungen müsse erörtert werden, wie ein gerechter Sozialstaat aufrechterhalten werden könne.
Der soeben gewählte Ministerpräsident sei nicht der geeignete Garant für Stabilität im Land, sagte von Angern. In Sachen Mindestlohn und Kindergrundsicherung habe die SPD im Koalitionsvertrag zu große Zugeständnisse gemacht. Aufgrund der vorgesehenen Steuerpolitik werde der Koalition schnell das Geld für die vielen geplanten Dinge fehlen. „Der Koalitionsvertrag ist eine Mogelpackung.“ Die unbedingt notwendige Steuerreform hätte es nur mit einem Mitte-Links-Bündnis gegeben.
Herausforderungen statt Probleme
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU) kündigte zunächst eine Regierungserklärung für den Oktober an, die inhaltlich alle Ressorts sowie die Positionen des Koalitionsvertrags beinhalten werde. „Diese Regierung ist keine Kuschelkoalition“, betonte Haseloff, denn man wisse um die programmatischen Grundlagen der Fraktionen. Die sogenannte Deutschlandkoalition sei bereits am Wahltag die bevorzugte Koalition für die Wählerinnen und Wähler in Sachsen-Anhalt gewesen. Aber man sei auch in den letzten fünf Jahren ein Stückweit vorangekommen.
Die Menschen hätten großes Vertrauen in die Politik des Landes, das hätte nicht zuletzt das Wählervotum im Juni gezeigt. „Wir müssen den Menschen Mut machen, nicht nur von Problemen zu reden, sondern von Herausforderungen“, so Haseloff. „Natürlich setzen uns die Rahmenbedingungen auch Grenzen“, aber deswegen seien bei den Koalitionsverhandlungen Entscheidungen getroffen worden, was anzugehen sei und was erst einmal im Hinterkopf behalten werden solle.
Flächendeckende Versorgung wird erhalten
Die Koalition ist keine Rotstift-Koalition“, stellte Dr. Katja Pähle (SPD) klar. Die Lasten der Pandemie sollen nicht über den aktuellen Haushalt finanziert werden, stattdessen werde ein Sondervermögen zum Einsatz gebracht. Mit ihm sollen alle coronabedingten Ausgaben bezahlt werden. Die Bildung des Sondervermögens mache es auch möglich, die Stärkung des Krankenhaussystems in Angriff zu nehmen. „Die flächendeckende Versorgung wird erhalten und gestärkt.“ Private Krankenhäuser sollen in Notlagen auch in kommunale Trägerschaft zurückgeführt werden können.
Die Bedenken der Fraktion DIE LINKE hinsichtlich der neuen Koalition könne sie nicht teilen, so Pähle. Deutschland stehe vor dem größten ökologischen und infrastrukturellen Umbau der letzten hundert Jahre – hin zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Wirtschaft mit neuem Wachstum und neuen Arbeitsplätze durch Innovation. SPD, CDU und FDP würden eine Koalition des Klimaschutzes bilden, versicherte Pähle. Dafür bestehe eine objektive Notwendigkeit, ein bundesweiter Rahmen gebe dies vor, außerdem liege die Aufgabe in Sachsen-Anhalt in der Verantwortung der SPD und werde tatkräftig angegangen.
„Unverhältnismäßige Einschränkungen“
Oliver Kirchner (AfD) forderte ein Ende der aus seiner Sicht unverhältnismäßigen Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Dennoch sollten Risikogruppen und ältere Menschen geschützt werden, dies sei jedoch problemlos möglich. Die falsche Corona-Politik habe bereits großen Schaden angerichtet, dieser würde sich ausweiten, wenn die Politik fortgesetzt würde.
Gutbezahlte Jobs in der Braunkohle oder Autozuliefererindustrie sollten erhalten werden, anstatt sie aus politischen Gründen abzuschaffen. Im Frühjahr 2022 sei die Corona-Krise wohl überwunden, zitierte Kirchner einige Experten. Daher wäre etwas mehr Gelassenheit angesagt. Er selbst sei kein Impfgegner, wolle sich aber von der Regierung nicht erpressen lassen. Er warnte davor, die Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte zu teilen.
„Die Mitte wurde gestärkt“
„Wir Freien Demokraten in Sachsen-Anhalt wollen dem Vertrauensvorschuss der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden und das Land zum Wohle der Gesellschaft voranbringen“, unterstrich Guido Kosmehl (FDP). Die Wählerinnen und Wähler hätten bei der Landtagswahl in Juni die Politik der Mitte gestärkt und die Ränder verkleinert. Der FDP-Abgeordnete betonte, es sei immer parlamentarische Praxis gewesen, die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu Beginn einer Legislatur abzuwarten. Dies wollte die Fraktion DIE LINKE offenbar nicht und hätte deshalb diese Aktuelle Debatte beantragt.
Inhaltlich setzte er sich mit den unterschiedlichen Positionen bei der Steuerpolitik auseinander. Die Einführung einer Vermögenssteuer, wie von den Linken gefordert, halte er verfassungstechnisch nicht für möglich. Für die FDP stehe fest: „Es ist nicht die Zeit für Steuererhöhungen, sondern für Steuerentlastung.“ Kosmehl sagte abschließend: „Stark, modern, krisenfest und gerecht“ solle das neue Sachsen-Anhalt werden.
Maßnahmen gegen Klimakrise fehlen
Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kritisierte den Koalitionsvertrag als ein „Sammelsurium an Maßnahmen“, von denen viele äußerst unkonkret seien. Außerdem unterliege wirklich alles einem Umsetzungsvorbehalt. Das jetzige Vorgehen sei gefährlich, weil alle Projekte vom Finanzministerium blockiert werden könnten. Lüddemann verwies insbesondere auf die unbedingt notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise. Bald werde es keine Chancen mehr geben, um die Versäumnisse aufzuholen.
Die heute regierende Koalition sollte Verantwortung für diese zentrale Frage übernehmen, stattdessen würden die nächsten fünf Jahre verschenkt. In vielen Bereichen suche man nach Aufbruchsstimmung und Innovation vergeblich, so die Grünen-Abgeordnete. Ihre Fraktion werde konstruktive Oppositionsarbeit machen und dies mit konkreten Vorschlägen verbinden, wie Dinge verbessert werden könnten.
„Sachsen-Anhalt braucht keinen Nachhilfeunterricht“
„Ich bin so froh, dass ich der CDU angehöre, wenn ich der LINKEN angehören würde, hätte ich ‚Burnout‘ bekommen“, stellte Siegfried Borgwardt (CDU) eingangs seines Redebeitrags fest. DIE LINKE würde den Menschen seit 19 Jahren erzählen, wie schlecht die Arbeit der CDU sei, dies werde jedoch nicht von den Wählern honoriert. Der CDU-Abgeordnete verteidigte die Klimamaßnahmen im Koalitionsvertrag. Anders als behauptet, sei der Vertrag sehr konkret.
Sachsen-Anhalt brauche keinen Nachhilfeunterricht beim Thema CO2-Ausstieg. Denn in den vergangenen Jahren habe man in diesem Bereich viel erreicht. Die soziale Sicherheit in Sachsen-Anhalt sei ebenfalls nicht bedroht, denn bereits in der vergangenen Legislatur hätte man sich auf viele sozialpolitisch wichtige Maßnahmen und Projekte geeinigt. Auch beim neuen Koalitionsvertrag habe man darauf geachtet.
Am Ende der Aktuellen Debatte wurden naturgemäß keine Beschlüsse gefasst.