Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Hilfen für Kommunen und Schutzsuchende

Sachsen-Anhalt werde seine Verantwortung in der durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Krisensituation umfassend wahrnehmen, bekunden die Fraktionen von CDU, SPD und FDP. Durch einen Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, Länder und Kommunen bei der Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen zur Linderung der Folgen für die Bürgerinnen und Bürger des Landes sowie der Schutzsuchenden finanziell zu unterstützen. Die Fraktion DIE LINKE brachte ebenfalls einen Antrag ein, durch den begrüßt werden sollte, aus der Ukraine Geflüchteten den umfassenden Schutzstatus nach § 24 Aufenthaltsgesetz zu erteilen. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung auch einen sicheren Aufenthaltstitel für Menschen einsetzen, die aus Russland fliehen (Verweigerung des Kriegsdiensts bzw. Kritik gegen den Angriffskrieg).

Karte mit Spielfiguren, die den Truppenaufmarsch in der Ukraine schematisch darstellen.

Russland hat Krieg über die Ukraine gebracht. Den Menschen aus der Ukraine muss und soll in ganz Europa geholfen werden.

Ausweitung des Kriegs nicht gebannt

Der Landtag habe bereits ein eindrückliches Zeichen der Solidarität mit der Ukraine gesetzt. Er spreche sich vehement gegen den Versuch Russlands aus, die unabhängige Ukraine zu zerschlagen, betonte Dr. Katja Pähle (SPD). Man stehe solidarisch an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer, mit Respekt schaue man auf die Standhaftigkeit und den Mut der Menschen in der Ukraine. Viele Menschen in Sachsen-Anhalt engagierten sich ehrenamtlich, um den geflüchteten und zurückbleibenden Menschen zu helfen. „Alle spüren, wie nah uns dieser Krieg kommt und dass die Folgen des Kriegs uns direkt betreffen“, so Pähle, die Ausweitung des Kriegs sei nicht gebannt. Mit harten Sanktionen und der Lieferung defensiver Waffen leiste Deutschland der Ukraine Rückendeckung.

Sachsen-Anhalt müsse und werde seinen Beitrag zur Unterstützung leisten. Vorrangig gehe es momentan um die geregelte Aufnahme und Unterbringung der geflüchteten Menschen, sagte Pähle. Deshalb sei es entscheidend, dass die Kommunen ausreichend Unterstützung fänden. Die Kitas und Schulen sollen ihre Kernaufgabe übernehmen, zunächst über „Ankunftsklassen“ und gezielten Deutschunterricht bis hin zu gemeinsamem Unterricht. Zwei Punkte aus dem Antrag der Linken stellte Pähle als richtig heraus: den sicheren Aufenthaltstitel für Deserteure und Flüchtende aus Russland – hier bedürfe es einer bundesweiten und europäischen Lösung – sowie den Schutz vor sexueller Ausbeutung und Menschenhandel – die entsprechenden Stellen seien zu unterstützen.

Einst Geflüchtete helfen Geflüchteten

Jeden Tag gebe es Meldungen über Tote, Verletzte und Zerstörungen in der Ukraine, sagte Henriette Quade (DIE LINKE). Es sei gut, dass die EU einen belastbaren Schutzstatus für die Menschen aus der Ukraine aufgestellt habe. Diesen Schutz hätten, so Quade, die Menschen aus dem Kosovo, Afghanistan oder aus Syrien ebenfalls gebrauchen können. Es sei an der Bundesrepublik und der EU, aus Russland flüchtende oppositionelle Menschen zu schützen und aufzunehmen. Quade dankte ausdrücklich jeder und jedem, die sich vorbildlich ehrenamtlich engagierten. Viele selbst einst Geflüchtete würden sich für andere Geflüchtete einsetzen.

Größten Handlungsbedarf sehe sie in der Bereitstellung und Ausstattung von Wohnraum, der Bund müsse die Absicherung gewährleisten. Die Unterbringung in Sporthallen sei so kurz wie möglich zu halten. Sie nannte die Unterbringung in Ferienwohnungen, Jugendherbergen, Hotels oder kommunalen Gemeinschaftsunterkünften. Zudem sprach sie die besonderen Bedürfnisse von Frauen, Kindern und alter Menschen an. Man müsse sexualisierter Gewalt vorbeugen und die emotionale und psychische Ausnahmesituation der Geflüchteten berücksichtigen – dafür sei das Land nicht ausreichend vorbereitet. Wichtig sei auch der Unterricht für Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, für die Unterrichtsmaterial vollumfänglich digital vorliege. Diese Ressource müsse genutzt werden.

„Große Welle der Solidarität“

„Zwei Flugstunden von Berlin sind russische Truppen in die Ukraine einmarschiert, ein durch nichts zu rechtfertigender Völkerrechtsbruch“, resümierte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). Der Krieg sein ein Angriff auf grundlegende europäische Werte wie Freiheit und Demokratie. Die Folgen dieses Kriegs seien nicht absehbar, er habe bereits Auswirkungen auf unseren Alltag. Mehr als 3,5 Millionen Menschen seien bereits aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Mehr als 10 500 Geflüchtete seien in Sachsen-Anhalt angekommen. Es gebe einen breiten Konsens zur Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. Im Landesverwaltungsamt sei eine zentrale Verwaltungsstelle für die Aufnahme und Verteilung der Geflüchteten eingerichtet worden. Zentrale Anlaufstellen gebe es auch in den Landkreisen und kreisfreien Städten.

Anfeindungen gegenüber in Deutschland lebenden Russinnen und Russen seien nicht hinnehmbar, sie hätten nichts mit Putins Angriffskrieg zu tun, man dürfe sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, sagte Haseloff. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung sei indes sehr hoch, lobte der Ministerpräsident, „diese große Welle der Solidarität rührt mich sehr“.

Kinder und Jugendliche litten in besonderer Weise unter den Folgen des Kriegs. Deswegen würden jeweils vierzehn Standorte für „Ankunftsklassen“ im Grund- und Sekundarschulbereich eingerichtet. Hier würden ukrainische Lehrkräfte befristet eingestellt. Haseloff betonte, die Arbeitsmarktintegration und Kinderbetreuung sicherstellen zu wollen.

Situation aus zwei Perspektiven sehen

In der Don-Region wolle niemand Krieg, sagte Oliver Kirchner (AfD), die Menschen vor Ort wollten ein gutes Verhältnis zu Russland und der Europäischen Union. Man müsse die Situation aus zwei Perspektiven sehen. Die AfD unterstütze die Aufnahme von Frauen und Kindern aus der Ukraine. „Asylbetrüger und Wirtschaftsmigranten“ sollten aus Sachsen-Anhalt abgeschoben werden, um Menschen aus der Ukraine aufnehmen zu können; „afrikanische Ukrainer“ dürften keine Aufnahme in Deutschland finden, meinte der AfD-Abgeordnete.

Kirchner kritisierte zudem, dass es keine Kontrollen der Geflüchteten an deutschen Grenzen gebe, so würden wieder Straftäter nach Deutschland einreisen. Man brauche eine strenge Asyl- und Sicherheitspolitik. „Sanktionen, die uns mehr schaden als dem Land, das zu sanktionieren ist, lehnen wir ab“, betonte Kirchner, „wir frieren nicht für die Freiheit, wir kämpfen für den Wohlstand.“

Kurzfristige und stabilisierende Maßnahmen

Mittlerweile seien durch die russischen Angriffe über tausend Zivilisten in der Ukraine getötet worden, konstatierte Siegfried Borgwardt (CDU). Es sei die Zeit, Realpolitik zu betreiben und sich auch von früheren ideologischen Überzeugungen zu lösen. Jeder ernsthafte Verhandlungsversuch sei bisher gescheitert, immer wieder gebe es nicht annehmbare Forderungen durch die Russen. Nun gehe es um die schnelle Aufnahme von Schutzsuchenden, die Begrenzung des Anstiegs der Energiepreise und den Beitrag Sachsen-Anhalts zur Ernährung auf der Welt. Es bedürfe weiterer kurzfristiger und stabilisierender Maßnahmen für die Wirtschaft. Es gebe keinerlei Alternative zur Wiederherstellung des Friedens in Europa. Der Aggressor sei allein Putin und nicht das ukrainische Volk.

Von russischer Energie unabhängig werden

Dieser Krieg ist schlimmer als alles, was wir uns haben vorstellen können“, resümierte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und nannte die Namen fast vollständig zerstörter Orte wie Mariupol. „Hier gibt es Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, Putin müsse in Den Haag der Prozess gemacht werden. Er warb für deutlich aufgestockte Waffenlieferungen, denn die Ukraine verteidige nicht nur ihre, sondern auch unsere Freiheit. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir schnellstmöglich von russischem Gas und Öl unabhängig werden“, betonte Striegel. Das „System Putin“ müsse in die Insolvenz getrieben werden. Wirtschaftliche Beziehungen mit Russland müssten eingefroren werden.

Was in Polen für die Aufnahme und Betreuung von Geflüchteten geleistet werde, verlange enormen Respekt, betonte Striegel. Die Kommunen bräuchten handfeste Unterstützung bei der Herrichtung von Wohnraum und Gewährung gesundheitlicher Unterstützung. Wir brauchen Sprachkurse – schnell und in großem Umfang, denn eine schnelle Rückkehr der Menschen in die zerstörten Städte sei aussichtslos.

Dass Deutschland heute noch abhängig von russischen Energielieferungen sei, sei auch Resultat der verfehlten Energiepolitik der CDU-geführten Bundesregierung der letzten sechzehn Jahre. Nur die erneuerbaren Energien würden Deutschland aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen anderer Länder führen, so Striegel.

„Zeigen und leben Solidarität“

Der Landtag von Sachsen-Anhalt stehe hinter den Menschen in der Ukraine, betonte Andreas Silbersack (FDP). Er persönlich habe sich einen solchen Angriffskrieg durch Russland nicht vorstellen können. Wir stehen in einer Verpflichtung gegenüber den Menschen aus der Ukraine und Russland, die nach der Freiheit streben und sich gegen das System Putin stellen. Der russische Präsident sei ein Kriegsverbrecher, der die Geschichte und deren Auslegung nicht verstanden habe. Die Menschen benötigten eine klare Perspektive, deswegen sei es schwierig, eine Friedensdiskussion vor dem Hintergrund von Windrädern [Windenergie] zu führen.

„Die Menschen in Sachsen-Anhalt zeigen und leben Solidarität“, lobte Silbersack. Das mache Mut für das, was in den kommenden Wochen noch vor uns liege. Die Bereitstellung von Wohnraum und Integration der Ankommenden, auch im Bildungs- und Ausbildungsbereich, sei oberstes Gebot. In den letzten Monaten sei die Cybersicherheit zu einem noch wichtigeren Thema geworden. Für diese Art der Bedrohung müsse das Land gewappnet werden.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Koalition angenommen. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE fand keine Mehrheit.