Im Rahmen einer sogenannten Selbstbefassung haben die Abgeordneten laut Geschäftsordnung des Landtags die Möglichkeit, sich im Ausschuss mit eigenen Themen zu beschäftigen, die dann möglicherweise Teil des parlamentarischen Geschehens werden. Nun hat die CDU-Fraktion von diesem Recht Gebrauch gemacht und das Thema „Musikalische Bildung im Schulbereich“ in den Ausschuss für Bildung eingebracht. Dieser hatte sich darauf verständigt, eine Anhörung durchzuführen, die am Donnerstag, 11. April 2024, im Landtag stattfand.
Die antragstellenden Ausschussmitglieder Carsten Borchert und Andreas Schumann (beide CDU) weisen darauf hin, dass Unterrichtsausfall Aus Sicht der Antragstellerin überdurchschnittlich die Nebenfächer wie Kunst und Musik betreffe, nicht selten, weil ‒ auch durch geringe Studierendenzahlen ‒ es in allen Schulformen an Lehrkräften mangele.
Dabei sei der schulische Musikunterricht in vielfältiger Weise gewinnbringend für alle Kinder und Heranwachsenden, so die beiden Abgeordneten. Der Musikunterricht übernehme oft die Herausbildung eines kulturellen und musischen Bewusstseins und präge die Persönlichkeit durch Besuch von Theater und Konzerten. Kinder, die Musik machten, seien konzentrierter und zeigten bessere Leistungen in der Schule.
Ziele der thematischen Befassung
Ziel der Anhörung sollte sein, mit welchen Maßnahmen schulischer Musikunterricht und musische Grundbildung gestärkt werden könnten. Die zur Anhörung Eingeladenen sollten Impulse zu den Schwerpunkten „Gewinnung von Musiklehrkräften und Lehramtsstudierende im Fach Musik“, „Ausbildung des Fachs Musik an der Universität Magdeburg“, „Seiteneinstieg im Fach Musik“, „Verstärkte Kooperation von Schule und Musikschulen sowie Schulen und Kirchenmusikern“ sowie „Sicherung von Chor- und Orchesterarbeit an Schulen durch externe Partner“ liefern.
Wortmeldungen aus der Anhörung
Musikunterricht sei ein elementarer Bestandteil der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten, erklärte Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, Präsidentin des Landesmusikrats Sachsen-Anhalt e. V. Sie warb dafür, den Bildungsgutschein von 25 auf 50 Euro anzuheben, um mehr gesellschaftliche Teilhabe im musikalischen Bereich zu generieren. Die Gutscheine könnten in den öffentlichen und privaten Musikschulen eingesetzt werden. Musizieren sei „nicht nur eine schöne Aktivität“, so Schnitzer-Ungefug, die generelle Bildung und das soziale Miteinander würden durch musikalische Bildung gestärkt.
Der Erhalt des Musikunterrichts sei unabdingbar, denn Schule sei der Ort, an dem alle – unabhängig von ihrem Elternhaus – mit Musik in Kontakt kämen, erklärte Annegret Schneider als Vertreterin der Musiklehrkräfte im Landesmusikrat Sachsen-Anhalt e. V. Wolle man Fachkräfte gewinnen, müssten diese aktives Musizieren auch selbst im Unterricht erlebt haben – dies sei momentan nicht gegeben.
Prof. Dr. Jens Markgraf vom Institut für Musik, Medien- und Sprechwissenschaften (IMMS) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg meinte, die Ausbildung von Musikschullehrern für Instrumente sei mit der Verschmelzung der Musik-Ausbildung an den Uni-Standorten Magdeburg und Halle sehenden Auges eingestampft worden. Es gelte nun, die Lehramtsausbildung (Musik) zu retten – beispielsweise durch Kooperationsmodelle. Derzeit gebe es je 15 Studienplätze „Musiklehrer“ für Sekundarschulen und Gymnasien.
Seine Hochschule sei zunächst spezialisiert für die Ausbildung von Kirchenmusikerinnen und -musiker, sagte Christopher Jung, Ko-Rektor und Professor für Gesang an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik Halle (Saale). Es herrsche ein Lehrkräftemangel an den Musikschulen, weil das Personal nicht mehr in Sachsen-Anhalt ausgebildet werde. Man habe ein Konzept erarbeitet, um einen kombinierten Studiengang anzubieten, durch den dem Lehrkräftemangel begegnet werden solle. Es seien jedoch weitere Stellen nötig, um dieses Modell umzusetzen. Langfristig müsse die musikalische Bildung aufrechterhalten und gestärkt werden.
Der Chorverband Sachsen-Anhalt e. V. sei Ansprechpartner für circa 300 Chöre in Sachsen-Anhalt, darunter auch zahlreiche Kinderchöre, erklärte dessen Vertreterin Christel Kanneberg. Die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Wahrung von musikalischen Traditionen müssten bei der Ausbildung von Erzieherinnen und Erzieher verankert sein. Musikpädagogische Inhalte müssten also ausreichend angeboten werden. Ihr Verband plädiere für eine Studiengangerweiterung „musikalische Früherziehung“. Die Bildung von Chören und Orchestern müsse in den Schulen verstärkt werden, in Kitas sollte täglich gesungen und mit kindgerechten Instrumenten musiziert werden, so Kanneberg.
Derzeit gebe es circa 16 000 Schülerinnen und Schüler an den Musikschulen des Landes, viele weitere stünden auf Wartelisten, weil es in den vergangenen Jahren eine große Rentenwelle bei den Lehrkräften gegeben habe und diese Stellen nicht im nötigen Umfang haben nachbesetzt werden können, erklärte Andreas Kaluza, stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbands der Musikschulen Sachsen-Anhalt e. V. Die Förderung der Musikschulen sollte dynamisch gestaltet werden. Kaluza wies zudem auf die seit 2001 bestehenden Kooperationen bei der frühkindlichen Bildung hin, aber auch hier herrsche Personalmangel.
Auch nach der Überarbeit der Curricula werde die musisch-künstlerische Bildung weiterhin ein wesentlicher Schwerpunkt sein, versicherte Bildungsministerin Eva Feußner (CDU). „Wir streben – über Honorarzahlungen – enge Kooperationen zwischen Schulen und Musikschulen an, um den herkömmlichen Musikunterricht sicherzustellen.“
Der Landtag habe mit dem Beschluss des Musikschulgesetzes im Jahr 2006 die Musikschulen des Landes explizit als Bildungseinrichtungen hervorgehoben und damit deren qualitative Hochwertigkeit unterstrichen, erklärte Uwe Hoberg vom Kultusministerium Sachsen-Anhalt.
Der Abbau von Stellen im Bereich Musik (Lehrkräfteausbildung) sei nicht ungeplant eingetreten, meinte Thomas Neumann vom sachsen-anhaltischen Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. Hintergrund sei ein neues Selbstverständnis der musikalischen Ausbildung in Sachsen-Anhalt gewesen. Mit der Vereinigung der beiden Musikstandorte Magdeburg und Halle in Halle habe es eine Konzentration auf die pädagogische Ausbildung gegeben. Die Musiklehrerausbildung werde laut Zielvereinbarung geleistet. Einige Studienplätze seien nicht ausgelastet, es gebe nicht genügend geeignete Bewerber, das lasse sich auch durch Verwaltungsmaßnahmen nicht verändern, so Neumann. Wären sie ausgelastet, gäbe es – jenseits der Musiklehrerausbildung – für die bloßen Instrumental- und Gesangsstudiengänge nicht mehr genügend universitäre Lehrkräfte, räumte Neumann allerdings ein.
Mit dem Ende der Anhörung und der sich daran anschließenden Frage-Antwort-Runde mit den Abgeordneten wurde die Selbstbefassung für erledigt erklärt. Es ist nun an den Abgeordneten, Schlüsse aus den Informationen zu ziehen und diese möglicherweise in den parlamentarischen Prozess einfließen zu lassen.