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Plenarsitzung

In welcher EU wollen wir leben?

„An der polnisch-belarusischen Grenze spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab“, erklärte Henriette Quade (DIE LINKE). Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt säßen Schutzsuchende in den Wäldern entlang der Grenze fest – ohne Zugang zu Nahrung, Wasser oder medizinischer Versorgung. Geschätzt seien es derzeit etwa 1500 Menschen. Die polnischen Behörden hätten das Grenzgebiet zur Sperrzone erklärt und ließen weder humanitäre Nothilfeorganisationen noch medizinisches Personal oder unabhängige Presseberichterstatter hinein. Polen hätte eine „Notlage“ erklärt und nutze dies als Erklärung für ihre Maßnahmen.

Flüchtlinge im Wald hinter Stacheldraht

An der polnisch-belarussischen Grenzen sitzen noch immer rund 1500 Flüchtlinge fest. (Symbolbild)

Quade erklärte weiter, die Menschen kämen überwiegend aus Kriegs- und Krisengebieten wie dem Irak, Syrien, Afghanistan, dem Jemen oder dem Iran. „Mindestens 21 Menschen sind bisher in diesem Grenzgebiet gestorben, darunter auch Kinder.“  Die Flüchtlinge würden unter Gewaltandrohung zurück nach Belarus gedrängt. Solche Push-Backs seien für sie unvorstellbar gewesen und sollten in der Europäischen Union eigentlich nicht möglich sein, kritisierte Quade. In Polen und damit in der EU werde systematisch Recht gebrochen und es fänden regelmäßig Menschenrechtsverletzungen statt. Davor könne man nicht weiter die Augen verschließen. Daher hat ihre Fraktion den vorliegenden Antrag eingebracht, der unter anderem ein Aufnahmeprogramm des Landes Sachsen-Anhalt für diese Flüchtlinge enthält.

Innenministerin Dr. Tamara Zieschang (CDU) erinnerte daran, dass die Ursache der Katastrophe staatlich gelenkte Flüchtlingsschleusung durch Belarus gewesen sei. Daraufhin habe die Europäische Union Maßnahmen eingeleitet, die zwischenzeitlich Wirkung gezeigt hätten. „Die Zahl der illegalen Grenzübergänge ist deutlich zurückgegangen. […] In der letzten Woche wurden noch dreizehn Übertritte registriert.“ Dass sich die Menschen an der Grenze oftmals in einer schwierigen Lage befänden, sei zweifellos richtig. Allerdings hätten Hilfsorganisationen die Situation zwischenzeitlich verbessert. Ministerin Zieschang sprach sich gegen ein Aufnahmeprogramm aus, dies würde das falsche Signal an die Flüchtlinge und Schlepper senden.

Für die SPD sei es wichtig, dass die Menschen Zugang zu humanitärer Hilfe, ein faires Asylverfahren und eine angemessene Unterkunft erhielten, betonte Rüdiger Erben (SPD). Bei den Bemühungen der Bundesregierung gehe es darum, dass ein geordnetes Asylverfahren stattfinden könne. Die Aktion des belarusischen Präsidenten bezeichnete er als „verbrecherisch“. Das gemeinsame Vorgehen der EU hätte jedoch Erfolg gehabt, weil sie einheitlich und geschlossen gehandelt habe. Allerdings: „Dem Unrecht von Diktatoren müssen wir mit der Stärke des Rechts begegnen“, appellierte er an die polnische Regierung.

Oliver Kirchner (AfD) kritisierte den Antrag als „verfassungswidrig“, zudem agiere er gegen das Grundgesetz. Der Linken-Abgeordneten Quade empfahl er, sich selbst sozial in Afrika oder Syrien zu engagieren und ihr Mandat zurückzugeben. Außerdem könnten die Linken-Abgeordneten selbst jeweils zwei Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen, anstatt den Steuerzahler zu belasten. Die AfD- Fraktion spreche sich ausdrücklich gegen den Antrag aus. Denn würde er in die Tat umgesetzt, würden unter anderem die „Verteilungskämpfe“ hierzulande vergrößert und noch mehr „Scheinwelten“ befördert.

Seit der letzten Diskussion über dieses Thema im Plenum gebe es wenige Aspekte, die sich geändert hätten, erklärte Guido Kosmehl (FDP). Bei dem Antrag der Fraktion DIE LINKE schwinge immer die generelle Skepsis gegenüber der EU mit. Die EU habe jedoch in diesem Fall vielfältige Hilfe angeboten, die im Baltikum – anders als in Polen – auch angenommen worden seien. Der FDP-Abgeordnete fragt sich, wie die Evakuierung der Flüchtlinge auf fremdem Staatsgebiet in der Praxis aussehen könnte. Alleingänge einiger EU-Länder würden das gemeinsame Handeln wieder konterkarieren.

„Als Demokraten täten wir gut daran, uns Anti-Faschismus nicht gegenseitig vorzuwerfen“, monierte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Wir Europäerinnen und Europäer würden uns schuldig machen an den Menschen, die an der polnisch-belarusischen Grenze festsäßen. Die EU zeige sich in diesem Fall nicht von ihrer besonders guten Seite. Städte wie Magdeburg und Halle hätten sich bereits mehrmals als „sichere Häfen“ erklärt, was einzig fehle, sei der politische Wille. Ein Aufnahmeprogramm in Sachsen-Anhalt wäre durchaus möglich, meinte Striegel. „Wer helfen kann und es beharrlich nicht tut, der macht sich mitschuldig!“

Chris Schulenburg (CDU) sagte, die Position der CDU habe sich seit der letzten Debatte nicht verändert. Im Gegenteil, seine Fraktion fühle sich bestärkt, richtig gehandelt zu haben. Die EU sei standhaft gewesen und habe sich vom Diktator Lukaschenko nicht erpressen lassen. „Ein staatliches Aufnahmeprogramm hat immer eine Signal- und Sogwirkung in die Heimatländer hinein.“ Daher sei die effektive Hilfe vor Ort in den Herkunftsländern immer die bessere Wahl, so Schulenburg. Er plädierte für eine „rationale humanitäre Asylpolitik im Sinne der Steuerzahler“.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.