In der ersten Wahlperiode von 1990 bis 1994 hatten die Abgeordneten des Landtags von Sachsen-Anhalt ein besonders dickes Gesetzespaket zu schnüren. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands mussten sie die gesetzlichen Grundlagen für alle Bereiche des Lebens im wiedergegründeten Land Sachsen-Anhalt schaffen. Von großer Bedeutung war in diesem Zusammenhang die Erarbeitung eines Wahlgesetzes, denn die Wahl zum Landtag 1990 war auf der Grundlage eines nur für diese Wahlen von der DDR-Volkskammer beschlossenen Wahlgesetzes erfolgt. Danach waren die Länder verpflichtet, bis 1993 eigene Wahlgesetze zu beschließen.
Zu den inhaltlichen Anforderungen des Wahlgesetzes und den damit im Zusammenhang stehenden Gesetzen über die Prüfung der Wahl sowie über die Erstattung der Wahlkampfkosten gehörten: die Regelung des aktiven und passiven Wahlrechts zum Landtag von Sachsen-Anhalt und Bestimmungen der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtags sowie Regelungen zur Wahlvorbereitung, Wahl, Feststellung des Wahlergebnisses, Neuverrechnung der Abgeordnetensitze und Feststellung der nachrückenden Bewerber, außerdem Bestimmungen für Nach-, Ersatz- bzw. Wiederholungswahlen, Ersatzpersonen, Pflicht zur ehrenamtlichen Mitwirkung und Wahlkosten.
Im Landtag von Sachsen-Anhalt verfügten in der ersten Wahlperiode die Fraktionen von CDU und FDP über die Mehrheit. Größte Oppositionsfraktion war die der SPD. Außerdem gehörten die PDS und Grüne Liste/Neues Forum dem Parlament an. Wegen der Bedeutung des Wahlgesetzes reichten CDU, FDP und SPD einen gemeinsamen Entwurf ein, der nach zahlreichen Diskussionen in den Ausschüssen und mehreren Veränderungen beschlossen wurde und am 11. Dezember 1992 in Kraft trat.
Im Laufe der vergangenen 30 Jahre wurde das Wahlgesetz mehrfach novelliert und neuen Gegebenheiten angepasst, zum Beispiel bei der Zahl der Wahlkreise und der Abgeordneten nach Gebietsreformen, bei der Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre oder jüngst wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie. Übereinstimmend wird aber noch heute von CDU, FDP und SPD hervorgehoben, dass die Abgeordneten 1992 gemeinsam über die Fraktionsgrenzen hinaus ein Gesetz verabschiedet hätten, das auf die Zukunft ausgerichtet gewesen sei und noch gegenwärtig in seinen Grundzügen Bestand habe.
Streitpunkt damals war zum Beispiel der Umgang mit Listenvereinigungen und ob diese Landeswahlvorschläge einreichen können. Im Hinblick auf die politischen Gegebenheiten des Landes erschien es sinnvoll, den Listenvereinigungen dieses Recht einzuräumen. Allerdings setzten sich die drei Fraktionen im Gegensatz zu PDS und Grüne Liste/Neues Forum durch, dass sich nur Parteien und keine Wählervereinigungen zu Listenvereinigungen zusammenschließen dürfen. Beschlossen wurde mit der Mehrheit der drei Einreich-Fraktionen auch, dass nur deutsche Staatsbürger mit dem Hauptwohnsitz in Sachsen-Anhalt sowohl das passive als auch das aktive Wahlrecht ausüben dürfen. Keine Mehrheit fand die Forderung der kleineren Fraktionen nach Abschaffung der Fünfprozentklausel.