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Plenarsitzung

Digitale Begutachtung weiter ermöglichen

Die Erfahrungen des Medizinischen Dienstes in Sachsen-Anhalt während der Corona-Pandemie hätten gezeigt, dass die Qualität der Pflegebegutachtung mit der Einführung von alternativen, digitalen Begutachtungsformen auf gleich hohem Niveau geblieben sei, erklärten die Koalitionsfraktionen (CDU, SPD, FDP). Da künftig weitere Pflegefachkräfte in der direkten Versorgung benötigt würden, sollte die weniger personalintensive Begutachtung auf digitalem Wege fortgesetzt werden.

Medizinerin unterhält sich in einem Videochat mit einer Patientin.

Die digitale Pflegebegutachtung soll nach Ansinnen der Koalition ein Baustein der Begutachtungen insgesamt bleiben.

Effektiv und ressourcenschonend

Die Möglichkeit einer digitalen Pflegebegutachtung endet Ende Juni 2022, die Koalition wolle diese Regelung verlängern, sagte Anja Schneider (CDU). Der Pflegebedarf werde in den kommenden Jahren weiter steigen. Bei einer ausschließlichen Begutachtung vor Ort würde der Medizinische Dienst erheblich mehr Fachpersonal benötigen. Dieses Personal käme allerdings aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen – und hier sei es ohnehin schon knapp. Eine Begutachtung per Video oder Telefoninterview sei da viel effektiver und ressourcenschonender. Die Qualität der alternativen Pflegebegutachtung sei im Vergleich auf einem gleichen Niveau geblieben.

Sinnvolles Instrument

Vor dem Hintergrund eines steigenden Pflegebedarfs müssten Lösungen gefunden werden, wie die wenigen und begehrten Pflegekräfte ihre Arbeit erfüllen könnten, sagte Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt (in Vertretung von Sozialministerin Petra Grimm-Benne). Durch die alternativen Begutachtungsformen seien wegen der Kontakteinschränkungen in der Pandemiezeit überhaupt erst Begutachtungen möglich geworden, erinnerte der Minister. Die digitale Begutachtung sei ein sinnvolles Instrument, man müsse prüfen, inwieweit dauerhaft per Telefon eine detaillierte Einschätzung möglich sei.

Weitere Bürokratisierung vermeiden

Digitale Betrachtungsformen hätten durchaus ihre Vorteile, meinte Daniel Wald (AfD), sie könnten zur Entlastung der Familien beitragen und bei der Terminfindung helfen. Das Verfahren dürfe allerdings nicht durch Bürokratie unnötig schwieriger gemacht werden, da sei der digitale Weg nicht immer der schnellste, so Wald. Und in diesem sensiblen Bereich lasse sich der persönliche Eindruck vor Ort nicht durch ein Telefongespräch ersetzen. Vermeintlich kleine Details wie der Zustand der Haut oder die  Reaktionsgeschwindigkeit könnten am Telefon nicht genau bestimmt werden. Eine vollständige Digitalisierung des Begutachtungsvorgangs lehne die AfD ab, er könne höchstens eine Ergänzung sein.

An erprobten Verfahren festhalten

Die Digitalisierung in der Pflege und im Gesundheitsbereich solle neue Kommunikationswege öffnen und Zeit effektiver nutzbar machen, erklärte Heide Richter-Airijoki (SPD). Das während der Pandemie stark beanspruchte Pflegepersonal habe so entlastet werden können. Die digitale Begutachtung zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit sei allerdings nur noch bis 30. Juni 2022 möglich. Das Verfahren sei bereits erfolgreich erprobt worden und solle fortgesetzt werden. Richter-Airijoki betonte, dass die digitale Begutachtung nur ein zusätzliches Modul sei: Werde ein persönlicher Besuch bevorzugt, so würde auch dies berücksichtigt.

Erst Netzausbau, dann digitale Begutachtung

Die Idee sei gut, aber sie habe Zweifel, dass die erhofften Ziele auch die tatsächliche Realität sein würden, sagte Nicole Anger (DIE LINKE). Sie wies auf die extrem unterschiedlichen Bedingungen hinsichtlich der Internetverfügbarkeit im Land hin. Für digitale Begutachtungen sei der Ausbau des Netzes Grundvoraussetzung. Man sollte auch nicht einfach von einer Ausnahmesituation (Pandemie) auf das Alltagsgeschäft wechseln; viele der alten Menschen seien digital gar nicht erreichbar. Für ganz persönliche Belange wie Pflege bedürfe es des Austausches vis-à-vis. Steigende Widerspruchsverfahren sprächen nicht für ein funktionierendes Begutachtungsverfahren.

Chancen der Digitalisierung nutzen

Die digitale Begutachtung solle nicht zur Pflicht gemacht werden, stattdessen solle lediglich ein bewährtes Verfahren weitergeführt werden, erklärte Konstantin Pott (FDP). Eine Beratung per Telefon sei eine sinnvolle Ergänzung zum aufwendigen Hausbesuch – eine echte Entlastung für Pflegekräfte und Patienten. Man müsse jetzt die Chancen der Digitalisierung in der Pflege nutzen, dabei aber unbedingt bürokratische Abläufe vereinfachen.

Leider keine Ausschussberatung

Die Potenziale digitaler Angebote seien enorm, aber ob digitale Verfahren zur Ermittlung eines Pflegebedarfs wirklich geeignet seien, stelle sie in Frage, so Susan Sziborra-Seidlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Der persönliche Hausbesuch sei und bleibe die beste Art der Begutachtung. Es sei schade, dass der Antrag aufgrund des Zeitdrucks nicht mehr im Sozialausschuss samt Fachgespräch beraten werden könne.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag von CDU, SPD und FDP mit den Stimmen der Koalition angenommen.